Ute Meyer: Deutschland soll ein "Gute-Kita-Gesetz" bekomme, so will es die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD. Und so hat es heute das Bundeskabinett auf den Weg gebracht. Mehr ausgebildetete Erzieher und Erzieherinnen soll es geben, bessere Betreuungsschlüssel, finanzielle Entlastung für die Eltern durch geringer Beiträge. 5,5 Milliarden Euro will der Bund dafür zur Verfügunge stellen. Die Union im Bundestag pocht allerdings darauf, dass beim "Gute-Kita-Gesetz" weniger der quantitative Ausbau von Kitas im Fokus stehen soll, auch nicht so sehr die Senkung von Kita-Beiträgen, sondern die Qualität, die Verbesserung der Betreuung in Kitas. Ein Bundesland, das schon seit Jahren Familien finanziell entlastet hat, ist Rheinland-Pfalz. Schon 2010 wurde dort die Beitragsfreiheit für Kitas für Kinder ab zwei Jahren eingeführt. Und deshalb möchte ich jetzt sprechen mit einer Vertreterin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Rheinland-Pfalz. Ich spreche mit der stellvertretenden Landesgeschäftsführerin Regine Schuster.
Frau Schuster, es wird ja ganz oft gesagt: Gute Kitas kosten etwas. Und deshalb kann man nicht gleich beides anstreben: finanzielle Entlastung der Familien und bessere Qualität. Welche Erfahrung haben Sie denn da in Rheinland-Pfalz gemacht?
Regine Schuster: Grundsätzlich ist die Elternbeitragsfreiheit natürlich vor allen Dingen aus Sicht der Eltern zu begrüßen. Es ist ja so, dass natürlich Qualität etwas kostet, aber Kitas ja auch. Im Rahmen der Bildungskette, ich sag mal, die ganze frühkindliche Erziehung abbilden sollen, und von daher würde es natürlich passen, auch zu der weiteren Fortsetzung, dass eben auch Schulen ja beitragsfrei sind, und Universitäten oder die Hochschulausbildung in vielen Ländern auch schon. Von der Logik her ist es natürlich sinnvoll, diese Kitas auch beitragsfrei zu stellen. Allerdings muss man auch sagen, dass man natürlich gucken muss, dass letztendlich das zur Verfügung stehende Geld nicht nur in die Beitragsfreiheit fließt, sondern dann auch letztlich wirklich in die Qualität.
Meyer: Wie kann das sichergestellt werden? Das ist ja auch ein Kritikpunkt der Union, die das befürchtet?
Schuster: Das muss natürlich so sichergestellt sein, dass die Rahmenbedingungen für die Kindertagesstätten, für alle Kita-Träger gleich sind. Dass die Kindertagesstättenträger, das sind ja vielfach freie Träger auch, aber natürlich auch kommunale, dass sie die gleichen Rahmenbedingungen vorfinden, dass sie die Betriebskosten finanziert bekommen, und das ist leider nicht überall gleichermaßen der Fall.
Meyer: Das heißt, Kitas sind unterschiedlich stark belastet?
Schuster: Ja.
Fachkraft-Kind-Relation "in vielen Einrichtungen nicht ausreichend"
Meyer: Hat es nach dem Einführen der Beitragsfreiheit in Rheinland-Pfalz spürbare Veränderungen gegeben? Haben sich mehr Familien für Kitaplätze interessiert in Rheinland-Pfalz oder auch andere Familien?
Schuster: Wir haben hier eine relativ hohe Quote derjenigen, die Kindertagesstätten oder auch die Kindertagespflege, dass der Besuch eben dieser Einrichtungen beziehungsweise deren Inanspruchnahme, dass die gestiegen ist, das stimmt durchaus. Und alles andere, den Personalschlüssel zum Beispiel, diese Fachkraft-Kind-Relation, wie man immer sagt, da müssen wir, glaube ich, auch noch mal ein bisschen deutlich was dazutun, auch wenn das kein schlechter Schlüssel ist im Bundesvergleich. Dennoch ist das in vielen Einrichtungen nicht ausreichend, so wie es ist.
"Wir haben da nach wie vor einen Riesenmangel"
Meyer: Bessere Betreuungsschlüssel sollen her, das will auch die Bundesfamilienministerin so. Es fehlt aber an Personal bundesweit. Wie kann dieser Mangel denn behoben werden? Ja wohl nicht mit einer Finanzspritze vom Bund.
Schuster: Nein, das glaube ich auch nicht, allein, weil ja sowieso die Frage ist, wie werden die Bundesgelder auf die Länder verteilt, und wie verteilen dann die Länder die Mittel auf die Kommunen, und die dann wiederum auf die freien Träger? Da gibt es ja auch eine Kette der Inanspruchnahme der Finanzierungsleistungen. Das muss man auch mal sehen. Die Bundesmittel mit den 5,5 Milliarden, da muss man letztendlich mal sehen, was kommt wirklich nachher beim Träger an. Das ist das eine. Und das andere, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, es ist noch kein Rezept gefunden in dem Sinne, mehr Erzieherinnen und Erzieher qualitativ hochwertig auszubilden. Wir haben da nach wie vor einen Riesenmangel. Es ist ein Mangelberuf. Auf der einen Seite ist es natürlich schön, mit Kindern zu arbeiten, das sagen uns auch viele. Deswegen sind viele motiviert in diesen Beruf gegangen, stellen dann aber auch nach Jahren fest, dass es eine sehr große Belastung ist, und haben auch Rahmenbedingungen für ihre Beschäftigung, die nicht so gut sind, dass sie sagen können, sie können sich das ein Berufsleben lang vorstellen. Es gibt viele Aussteiger, und da müssen wir eigentlich auch dafür sehen, dass wir die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung in den Kitas besser machen und natürlich auch zusätzlich neue Erzieherinnen und Erzieher gewinnen, und das bei ohnehin schon schwierigen Rahmenbedingungen für Fachkräfte im Moment überhaupt. Für viele ist es so attraktiv nicht. Und da spielt die Bezahlung natürlich eine Rolle, obwohl die in den letzten Jahren schon besser geworden ist. Aber da spielen vor allen Dingen die Rahmenbedingungen einfach in den Betrieben eine große Rolle.
"Vielfach wird eben auch vor Ort nach Kassenlage entschieden"
Meyer: Wenn Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD jetzt sagt, es geht beides, Kita-Beiträge senken und die Qualität von Kitas steigern, ist das aus Ihrer Sicht ein bisschen Augenwischerei?
Schuster: Es ist sicherlich möglich. Man muss dann wirklich wohlwollende handelnde Akteure auf beiden Seiten haben, die dort eben zu einem Konzept und zu guten Rahmenbedingungen finden. Und das ist bei der Gemengelage – ich sag mal, Bund, Länder, Kommunen und Träger – nicht ganz einfach. Und das ist sicher gut gemeint. Es ist die Frage, ob das wirklich auf der untersten Ebene der handelnden Akteure so letztendlich ankommt, weil auch jetzt schon die Kommunen sagen, ihnen fehlt das Geld. Und vielfach wird eben auch vor Ort nach Kassenlage entschieden.
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