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"Gute Schule in Sachsen kostet Geld"

Die neue sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth verspricht harte Verhandlungen mit Sachsens Finanzminister um das Bildungsbudget. Sie bittet sich aber Zeit aus, um zunächst das Zahlenmaterial, das ihr zurückgetretener Vorgänger Roland Wöller hinterlassen hat, prüfen zu können.

Sandra Pfister sprach mit Brunhild Kurth | 26.03.2012
    Sandra Pfister: Sachsen ist das deutsche Musterland der Bildungspolitik und steht in Pisa-Ländervergleichen seit Jahren ganz weit vorn. Die eiserne und viel bejubelte Sparpolitik von Ministerpräsident Tillich und seinem Finanzminister wird aber nach jetzigem Stand dazu führen, dass dem Land in den nächsten acht Jahren 8000 Lehrer fehlen. Das wollte der sächsische Bildungsminister Roland Wöller von der CDU nicht mitmachen. Er fühlte sich über den Tisch gezogen von einem Deal beim Bildungspaket und hat am vergangenen Dienstag hingeschmissen. Darüber haben wir ausführlich berichtet. Jetzt rückt eine Frau nach, die die sächsische Bildungslandschaft auf allen Ebenen durchmessen hat. Als Bio- und Chemielehrerin, als Schulleiterin, im Kultusministerium, im Regionalschulamt und bis vor einem Jahr auch als Leiterin der sächsischen Bildungsagentur. Guten Tag, Brunhild Kurth!

    Brunhild Kurth: Guten Tag!

    Pfister: Frau Kurth, Ihr Vorgänger ist ja zurückgetreten, weil er den Eindruck hatte, er wird über den Tisch gezogen, denn man hat ihm ein großes Bildungspaket in Aussicht gestellt, aber verschwiegen, dass er einen Gutteil davon selbst bezahlen soll. Unterm Strich bleibt: Faktisch werden in Sachsen Lehrerstellen abgebaut. Lassen Sie das mit sich machen?

    Kurth: Ich sehe jetzt nach anderthalb Tagen im Amt meine prioritäre Aufgabe darin, alles Zahlenmaterial auf den Tisch zu packen, auf Validität zu prüfen und dann eine ganz solide Ausgangsbasis zu haben, um mit dem Finanzminister in Gespräche zu gehen und Zahlen abzugleichen.

    Pfister: Also in Sachsen steigen die Schülerzahlen wieder, gleichzeitig gehen so viele Lehrer in Rente wie nie. Es fallen schon jetzt massenhaft Unterrichtsstunden aus. Ihre Kritiker sagen schon jetzt, wenn Sie bei Ihrem Ministerpräsidenten keine besseren Bedingungen aushandeln können als Roland Wöller, dann werden auch Sie scheitern. Wo ist denn Ihre Schmerzgrenze?

    Kurth: Und genau, weil ich gute Bedingungen für sächsische Schulen aushandeln möchte, brauche ich dazu verlässliches Zahlenmaterial. Zahlenmaterial, hinter dem ich stehe, von dem ich weiß, dass es exakt und richtig ist. Und aus diesem Grund muss ich nicht, sondern möchte ich das jetzt als meine allererste Aufgabe hier im Haus sehen, solches Material zu erzeugen.

    Pfister: Beim Blick auf die Politik jenseits der Zahlen – die CDU-Spitze behauptet wacker, dass es im Land des Pisa-Siegers gar keine ernsthaften Schulprobleme gäbe. Sehen Sie das auch so?

    Kurth: Wir haben keine ernsthaften Schulprobleme, müssen dabei immer die einzelnen Schularten betrachten, und es gibt einzelne Schularten bei uns, wo wir schon Probleme haben. Und es gibt auch einfach den Fakt, dass Lehrerinnen und Lehrer mal krank werden, Unterricht ausfällt, der dann vertreten werden muss, und da ist die Lehrerdecke einfach nicht mehr dick genug, um das im genügenden Maße zu tun. Die Probleme will ich keinesfalls vom Tisch wischen. Die stehen, diese Probleme, im Schulalltag, und die müssen wir anfassen und zum Start des Schuljahres eine solide Ausgangsbasis schaffen. Und dafür werde ich ganz, ganz hart und auch strikt mit dem Finanzministerium verhandeln.

    Pfister: Die Schüler, die wollen jetzt auch auf die Barrikaden gehen. Was machen Sie, wenn die Bildungspolitik dann am Ende doch nicht über die Sparpolitik siegt?

    Kurth: Die Schüler werden am Mittwoch ihren Aktionstag hier in Sachsen haben, und das ist ihr gutes demokratisches Recht. Aktionstage durchzuführen, wie eben am Mittwoch einer sein wird. Es war ja auch schon ein Aktionstag, die Eltern sind auch mit dabei, und ich werde auf alle Fälle mit den Schülerinnen und Schülern sprechen, mir ihre Sorgen und Nöte anhören, sonst würden sie ja keinen Aktionstag durchführen. Und das gibt mir dann auch noch mal die Stärke, mit dem Finanzministerium in Verhandlungen zu gehen. Und vor allen Dingen freue ich mich auf das Gespräch mit den Schülern, weil ich dann ganz konkret erfahre, wo drückt der Schuh? Ganz bestimmt an den Schulen, ganz konkret an den Schulen. Und deshalb werde ich ins Gespräch am Mittwoch gehen.

    Pfister: Es zweifelt ja niemand an Ihrer fachlichen Kompetenz, aber viele sagen: Die Frau hat kein Netzwerk, die ist parteilos – wie gleichen Sie das aus?

    Kurth: Für mich hat nicht die Vernetzung Priorität, sondern die Sache. Ich möchte Voraussetzungen, Bedingungen für einen guten Schuljahresstart im Sommer dieses Jahres schaffen, und dafür werde ich mich mit aller Kraft einsetzen. Und dafür braucht man Sachverstand, dafür braucht man solide Fakten, die zugrunde liegen, zuallererst.

    Pfister: Im Moment genießen Sie noch Welpenschutz. Sie müssen sich aber relativ schnell in diese Auseinandersetzung mit Tillich und seinem Finanzminister hineinwagen. Wenn es am Ende doch nicht mehr Geld gibt: Welche inhaltlichen Akzente wollen Sie trotzdem setzen?

    Kurth: Dass nicht mehr Geld für Bildung ausgegeben wird, ist für mich jetzt noch gar kein Thema. Das lasse ich auch gar nicht obenan stehen. Für mich ist jetzt das Thema Nummer Eins, in ganz konkrete Verhandlungen zu gehen, und gute Schule in Sachsen kostet Geld.

    Pfister: Die neue sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth. Danke, Frau Kurth!

    Kurth: Bitte sehr!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.