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Guter Genmais, böser Genmais

Grüne Gentechnik helfe, den Hunger in der Welt zu mindern, propagieren Befürworter. Gegner warnen hingegen vor unabsehbaren Folgen. Das "Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag" (TAB) hat nun die Auswirkungen durch den Anbau genveränderter Mais- und Sojasorten genauer untersucht - und weder für Befürworter noch Gegner stichhaltige Beweise liefern können.

Von Dieter Nürnberger |
    Heraus kam ein Endbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages, der zuallererst umfangreich darlegt, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keine einfachen Antworten zu der Frage geben kann, ob der Einsatz der grünen Gentechnik wirklich einen ökonomischen Nutzen für die Landwirte in Entwicklungsländern bringt oder nicht. Arnold Sauter ist Autor der Studie - und seine Antwort formuliert er daher recht vorsichtig.

    "Da kommt dann schon diese eher gespaltene Antwort: Die Gentechnik wird genutzt für diese beiden dominierenden Anwendungen - einmal zur Schädlingsbekämpfung und zum anderen zur Vereinfachung der Unkrautbekämpfung. Allerdings sind die tatsächlichen, langfristigen ökonomischen Effekte - Gewinne und Nutzen also - ganz schwach belegt."

    Das heißt konkret: Auch wenn namhafte, multinationale Konzerne, die transgenes Saatgut vor Ort vertreiben, oft vom Segen und Nutzen der grünen Gentechnik sprechen, ist es wissenschaftlich kaum belegbar. Und zur Überraschung der Wissenschaftler hängt dies auch damit zusammen, dass belegbare Daten kaum vorliegen, obwohl die grüne Gentechnik seit rund zwölf Jahren in den sogenannten Entwicklungsländern teilweise großflächig genutzt wird. Steffi Ober, Gentechnik-Expertin des Naturschutzbundes Deutschland, bewertet die Studie deshalb auch wie folgt:

    "Wir haben vier Pflanzen: Wir haben den Mais, den Raps, die Baumwolle und Soja. Wir können also nur das bewerten, was auf den Feldern derzeit ist. Und da sehen wir ganz klar keinen ökonomischen Nutzen für die Kleinbauern vor Ort. Vor allem sehen wir den sozialen Nutzen nicht, dass die Bauern damit ihren Hunger auch stillen können."

    Umgekehrt tun sich die Wissenschaftler aber auch schwer, negative Folgen der grünen Gentechnik eindeutig zuzuordnen. Autor Arnold Sauter sagt, dass derzeit viele Faktoren die Struktur der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern verändern. Zudem sind die Voraussetzungen und Erfahrungen von Land zu Land unterschiedlich.

    "Beweisbar ist da auch das Allerwenigste. Es gibt starke Hinweise auf Veränderungen der Betriebsgrößen und der Agrarstrukturen. Aber auch hier ist schwierig, den Anteil der gentechnischen Eigenschaft genau zu berechnen. Weil vieles im Zuge eines generellen agrarstrukturellen Wandels läuft. Transgene Sorten spielen dann eine Rolle unter mehreren Faktoren."

    Die Unterschiede zwischen den Ländern können zudem gravierend sein. In Brasilien beispielsweise dominieren bei der grünen Gentechnik die multinationalen Firmen. In China hingegen entwickeln überwiegend Staatsbetriebe auch eigene transgene Sorten. Und offensichtlich wird auch, dass so mancher positive ökonomische Nutzen nur vorübergehend sei, sagt Steffi Ober vom Naturschutzbund.

    "Gerade bei der Bt-Baumwolle, die ja zu 70 Prozent in China angebaut wird, ging in den ersten Jahren der Befall mit dem Baumwollkapselbohrer, dem Hauptschädling, zurück. Aber es zeigte sich, dass sich in der Folge Sekundärschädlinge eingestellt haben. Das heißt, wenn ich einen Schädling vernichte, rücken die nächsten schon nach. Dann müssen wieder Insektizide eingesetzt werden. Man hat also ganz andere Probleme als vorher. Man treibt den Teufel sozusagen mit dem Belzebub aus - das kann kein zukunftsfähiges System sein."

    Belegt wird ebenfalls, dass sich die Märkte vor Ort extrem verändern können. So gibt es in Brasilien beispielsweise inzwischen ganze Regionen, in denen es nur genverändertes Saatgut zu beziehen und zu kaufen gibt. Die Preispolitik gestalten hier also die großen Konzerne. Ein eigenständiger Markt für die Landwirte werde dadurch oft sogar vernichtet, sagt Rudolf Buntzel, der Fachmann des Evangelischen Entwicklungsdienstes. Sein Ansatz für die konkrete Arbeit vor Ort sieht daher ganz anders aus.

    "Wir sehen, dass es Alternativen gibt. Das ist beispielsweise die konventionelle Züchtung, die teilhabende Züchtung. Man arbeitet mit den Bauern zusammen. Das ist problemorientierter - es ist lokalspezifisch. Wir erzielen damit vor Ort auch Produktivitätsfortschritte, auch in ökologischer Hinsicht. Das kann sich auch messen lassen."

    Fazit der Studie: Vieles, was großmundig über die positiven Folgen des Einsatzes der grünen Gentechnik in den Entwicklungsländern gesagt wird, lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. Doch auch umgekehrt, bei den unterstellten negativen Auswirkungen, ist Vorsicht angesagt, ob allein die Gentechnik für negative strukturelle Veränderungen verantwortlich gemacht werden kann. Die Kontroverse darüber wird also auch nach Veröffentlichung dieser Studie weitergehen.