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Gutes Gewissen, schlechter Preis

Bürgerproteste gegen Windparks und Biogasanlagen, der schleppende Ausbau der Energienetze sowie steigende statt sinkende Strompreise ab dem 1. Januar 2011 - der Weg in eine grüne Zukunft gestaltet sich in Deutschland schwierig.

Von Helge Buttkereit |
    "Wir waren ja bisher in der Bundesrepublik davon ausgegangen, dass der Stromverbrauch rückläufig ist. Wir werden das Gegenteil erleben, etwa durch das Thema E-Mobilität. Das heißt, wir werden einen Anstieg der Stromverbräuche haben. Das bedarf weiterer Kapazitäten, und wir werden eine veränderte Energiegeografie bekommen in Deutschland. Wir werden es erleben, dass immer mehr Energieerzeugungskapazitäten im Norden stattfindet und wohingegen der Verbrauch im Süden und im Westen stattfindet, und da bilden die gegenwärtigen Übertragungs- und Leitungssysteme das noch nicht ab."

    Schleswig-Holsteins CDU-Wirtschaftsminister Jost de Jager sieht die Nordsee-Region und insbesondere sein Land als das Saudi Arabien der Zukunft. Hier könnte künftig die Energie erzeugt und exportiert werden, die nach dem Ende der fossilen Brennstoffe und der Abschaltung der Atomkraftwerke gebraucht wird.

    Schon heute sind die Erneuerbaren Energien überall im Norden sichtbar: Windparks, Maiswälder und Solarhallen. Dort wo die Landschaft flach ist und das Meer nicht weit, da weht viel Wind. Das reichliche Ackerland in der dünn besiedelten Region eignet sich für den Anbau von Mais als Energiepflanze. Zudem belassen es viele der Bauern nicht dabei, auf ihre vorhandenen Ställe und Geräteschuppen Fotovoltaik-Anlagen zu schrauben. Sie bauen zusätzliche, neue Hallen, für die sie in ländlichen Regionen Baugenehmigungen bekommen, um vor allem zusätzliche, neue Dachflächen zur Stromerzeugung zu bekommen. Denn entgegen den landläufigen Vorurteilen scheint die Sonne im Norden so viel, dass sich hier auch Solaranlagen rechnen. So zeugt der nördlichste Teil Deutschlands von den Chancen aber auch den Problemen der Erneuerbaren Energien. Diese beginnen bei der Akzeptanz. Der Boom der Biogas-Anlagen ruft die Kritiker ebenso auf den Plan wie anderswo Windparks, die an einigen Orten durch Bürgerbegehren verhindert worden sind.

    Auch die Umlage im "Erneuerbare Energien Gesetz" EEG, mit dem die Erneuerbaren Energien gefördert werden sollen und die jeder Stromkunde automatisch mit seiner Rechnung bezahlt, führt immer wieder zu großem Unmut.

    Am 1. Januar steigt diese Umlage um knapp anderthalb Cent pro Kilowattstunde Strom. Das liegt insbesondere daran, dass 2010 besonders viele Solaranlagen ans Netz gegangen sind. Der Solarstrom an der Leipziger Strombörse wurde gleichzeitig billiger, also stieg die Differenz zwischen Börsenpreis und dem garantierten Abnahmepreis für die Anlagenbetreiber, der durch die Umlage finanziert wird. Und weil die Umlage steigt, muss auch der Strompreis steigen, sagen die Stromkonzerne. Das aber sei nur ein Teil der Wahrheit, sagt Olav Hohmeyer, Experte für Erneuerbare Energien. Er ist als Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen Berater der Bundesregierung.

    "Nicht nur jetzt, sondern auch in den letzten Jahren ist es so gewesen, dass die starken Strompreiserhöhungen, die wir die letzten Jahre hatten, nur zu einem sehr, sehr geringen Teil auf einen höheren Anteil der Regenerativen zurückzuführen ist, aber vor allen Dingen darauf zurückzuführen ist, dass die Marktmacht dieser Konzerne so groß ist, dass es ihnen gelingt, solche Preise durchzusetzen."

    Denn während die Umlage nur um anderthalb Cent steigt, erhöhen viele der Anbieter den Strompreis deutlicher und machen die Umlage dafür verantwortlich. Der Einkaufspreis für Strom ist an der Börse in den vergangenen Jahren gerade auch deshalb gesunken, weil durch die Erneuerbaren Energien mehr Strom auf dem Markt ist. Doch diese Preissenkung ist beim Verbraucher nicht angekommen, kritisiert beispielsweise die Bundesnetzagentur. Für den Experten Olav Hohmeyer hat der Versuch, die Strompreiserhöhung mit den Erneuerbaren Energien in Verbindung zu bringen, einen anderen Grund: nämlich, dass die Energiekonzerne auch ihre Interessen als Betreiber von konventionellen Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken verfolgen:

    "Das heißt, sie machen gleichzeitig, obwohl sie sich die Taschen füllen, machen sie gleichzeitig Stimmung gegen den Ausbau der regenerativen Energien. Das ist für jemanden, der konventionelle Kraftwerke betreibt, eine praktische Strategie, sie ist allerdings komplett unehrlich."

    Auch der schleppende Ausbau der Stromnetze in Schleswig-Holstein hängt für den Flensburger Professor damit zusammen, dass die Energieriesen kein Interesse an der Einspeisung von Strom aus regenerativen Energien ins Netz hätten. Und auch die Landesregierung ist für ihn mitschuldig an der fehlenden Netzkapazität.

    "Die Landesregierung hat es sich gefallen lassen, dass die Mittelspannungsebene, also die 110 Kilovolt Netzebene, nur extrem langsam in Schleswig-Holstein an den Stellen ausgebaut wird, wenn überhaupt, an denen wir zusätzliche Übertragungsleistungen brauchen, um zum Beispiel von der Westküste den Windstrom an die 380 Kilovolt Hochspannungstrasse zu befördern, um den Windstrom ableiten zu können, den wir produzieren können, wir schalten regelmäßig jede Menge Anlagen ab, die Strom aus Wind produzieren könnten, die existieren, die aber vor einem Leitungsnetz stehen, das die Übertragungskapazität nicht hat, diesen Strom abzuleiten und zum Verbraucher zu bringen."

    An der rauen Nordseeküste Schleswig-Holsteins, wo fast permanent eine steife Brise weht, sind jede Menge Windkraftanlagen in die Höhe geschossen. Insbesondere durch sie kann das Land bereits 40 Prozent des eigenen Bedarfs durch Windstrom decken. Wenn er denn eingespeist werden kann. Der Ökobauer Jess Jessen aus Niebüll betreibt an der Nordseeküste mehrere Anlagen.

    "Wir sind ja hier sozusagen das Epizentrum der Abschaltungen, also wir haben massive Probleme. Ich bin Geschäftsführer eines Umspannwerkes, in dem acht Bürgerwindparks einspeisen und diverse Solaranlagen, und wir haben letztes Jahr über zwei Millionen Euro Einspeiseverluste gehabt, also Energie, die wir nicht einspeisen konnten. Wir drängeln bei e.on, e.on Netz in Bayreuth seit über zehn Jahren dafür, dass das EEG umgesetzt wird und der Netzausbau durchgeführt wird, und das findet nicht statt."

    E.on Netz selbst weist die Kritik von sich. Nach sieben Jahren der Planung hat das Unternehmen im September begonnen, die Stromleitung von der Nordseeküste in Richtung Flensburg zu bauen, von wo der Strom aus regenerativer Energie dann weiter verteilt werden kann. Das Verfahren musste so lange dauern, stellt das Unternehmen dar, schließlich sei es ihr erstes derartiges Projekt. Und auch die Genehmigungsbehörde hätte wenig Erfahrung gehabt. Außerdem sei im Dialog mit den Betroffenen versucht worden, die Beeinträchtigungen durch den Bau neuer Stromtrassen mit ihren riesigen Masten so gering wie möglich zu halten.

    Weil diese überirdischen Stromtrassen das Landschaftsbild beeinträchtigen, favorisieren viele Anwohner ein Erdkabel. Dies störe nicht, sei schneller geplant und verlegt und hätte dadurch die höheren Investitionskosten schnell wieder eingebracht, sagen sie. Gerade wegen der höheren Kosten lehnt e.on Netz aber die Verlegung von Erdkabeln ab. Und Windmüller Jess Jessen sieht noch einen anderen Grund für das Zögern des Konzerns, auch wenn die Netzsparte formal unabhängig von e.on ist.

    "Also unsere Auffassung ist, dass die Energieversorger, dass wir denen als mittelständische Windkraftbranche ein Dorn im Auge sind. Wir haben allein in Schleswig-Holstein schon 40 Prozent der Stromproduktion übernommen als kleine mittelständische Landwirte, sag ich mal, und ich sag mal, die e.on und die anderen Energiekonzerne haben das verschlafen und eben nicht ernst genommen, und jetzt haben wir eben 40 Prozent, und ich hab das Gefühl, dass die eben uns dafür nicht auch noch die Leitungen ausbauen möchten, dass wir noch schneller voranschreiten in dieser Konkurrenzsituation und ihnen noch mehr Marktanteile wegnehmen."

    Nicht nur die Windräder an der Küste stehen deshalb teilweise still, wenn der Wind zu stark ist. Betroffen von den Abschaltungen sind auch Biogasanlagen, von denen es allein in Schleswig-Holstein mittlerweile 320 gibt. Alte Anlagen wie die von Hinrich Matthisen im nordfriesischen Risum-Lindholm konnten bisher durchgehend laufen, ab Januar dürfte sich das ändern.

    "Nach EEG sind wir verpflichtet ab 1.1.2011 praktisch eine funktionsfähige Einheit vorzuhalten, dass die e.on die Anlage reduzieren bzw. aussteuern kann und dann wird der Ärger losgehen. Dann muss ich hier elektrisch im Haus wieder heizen, weil bei mir fällt hier die Hausheizung aus auf dem anderen Betrieb, wo die Hauptanlage steht, wird auch mit Biogas Schweineställe und dergleichen, der muss wieder seine Ölheizung anschmeißen und gleichzeitig fackeln wir Gas ab."

    Bürgerproteste gegen Windparks und Biogasanlagen, der schleppende Ausbau der Energienetze sowie steigende statt sinkender Strompreise ab dem 1. Januar 2011 - der Weg in eine grüne Zukunft gestaltet sich in Deutschland schwierig.

    Hinrich Matthisen sieht diese Entwicklung mit Sorge. Für den nüchternen Nordfriesen ist die Biogasanlage ein Betriebszweig von vielen. Schweinezüchten oder Kühemelken wären Alternativen, meint er. Er füttert aber keine Tiere, sondern eine Biogasanlage. Wie ein idealistischer Klimaschützer wirkt er dabei nicht. Dafür hat er auch wenig Zeit. Schließlich bewirtschaftet er nahe der Nordseeküste 800 Hektar guten Marschboden. Zwischen schier endlos wirkenden Feldern liegen verstreut einige Höfe, hier gibt es genügend Land für die Pflanzen, die die Biogasanlage braucht. Spielend könne er mit seinen beiden Kollegen, mit denen er die Anlage betreibt, die notwendigen Rohstoffe anbauen, sagt Matthisen.

    "Alle Äcker, die unsere Biogasanlage beliefern, können die Biogasanlage sehen, also im Prinzip wenn hier nicht der Deich dazwischen wäre, wäre alles in Sichtweite."

    Doch es ist nicht überall friedlich, vielerorts wirken Biogasanlagen in der Nachbarschaft wie Pulverfässer, sagt Matthisen. Der Biogas-Boom hat viele Probleme aufs Land gebracht, fasst Ingo Ludwichowski vom Naturschutzbund Schleswig-Holstein zusammen.

    "Wir wissen, dass manche Dörfer richtig gespalten sind, in Lager gespalten sind in Befürworter, die meist finanziell davon profitieren und diejenigen, die tatsächlich dadurch erhebliche Nachteile erleiden nicht nur dadurch, dass ihnen die Wege kaputt gefahren werden, dass sie eine hohe Lärmbelastung haben, sondern auch dadurch, dass ihnen ein Teil ihrer wirtschaftlichen Grundlage, nämlich der Tourismus, entzogen wird. Heute ist es so, dass ein Run auf jede Fläche stattfindet, die auch nur unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen mit Mais anzubauen ist, und Mais verträgt viel schlechtere Bodengüten bzw. er lässt sich mit entsprechender Gülle so hochfahren, dass da auch dort relativ ertragsschwache Standorte noch für den Maisanbau genutzt werden können."

    Wenn 2011 über die Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes verhandelt wird, dann muss sich hier etwas ändern, sagen nicht nur die Naturschützer. Denn die derzeitige Förderung läuft dem Klimaschutz entgegen, heißt es in einer Studie des Umweltbundesamtes. Für den Maisanbau muss viel Gülle auf die Felder. Ihr Einsatz hat wie der Anbau selber nach Ansicht der Experten eine schlechte Treibhausgasbilanz. Außerdem stehen viele Bauern durch den rasanten Preisabstieg bei landwirtschaftlichen Flächen vor immer höheren Kosten. Dafür tragen sie aber nicht zuletzt selbst die Verantwortung. Denn über ihre Lobbyverbände haben sie dafür gesorgt, dass die 2004 erstmals im Gesetz festgelegten Bonuszahlungen für Energiepflanzen 2009 deutlich stiegen. Und das trieb dann auch die Preise für landwirtschaftliche Flächen in die Höhe.

    Nun streben sie selber wieder eine Veränderung an. Denn das Image der sauberen Biogasanlagen und anderer Erneuerbarer Energien ist in Schleswig-Holstein angekratzt. Die hohen Maispflanzen bedecken mittlerweile in Schleswig-Holstein etwa ein Viertel der Ackerfläche und sorgen damit für eine monotone Landschaft. Die Hälfte davon landet in den, die andere in den Biogasanlagen. Eine Grenze sei damit erreicht, findet Wolfgang Stapelfeld vom Landesbauernverband Schleswig-Holstein.

    "Wir sehen eigentlich jetzt die Tendenz bei der EEG-Novellierung 2012, dass das Biogas wieder auf die Höfe zurückgeführt wird, dass zum Beispiel mehr Gülle in die Anlagen hineingehen wird, dass die Anlagen kleiner werden, und kleinere Hofanlagen passen da ganz hervorragend auch zu den Milchviehfutterbaubetrieben, um dort die gesamte Gülle zu verwerten, die Gülle dann besser auf die Äcker zu bekommen und dann auch auf den Höfen ein eigenes Wärmekonzept zu fahren."

    Allerdings können die heutigen Anlagen nicht einfach umgestellt werden. Sie sind für nachwachsende Rohstoffe konzipiert. Ihre vorausberechnete Laufzeit beträgt rund 20 Jahre. In diesem Zeitraum müssen sie permanent mit Mais und anderen Pflanzen befüttert werden. Es sei denn, es gibt eine Förderung für ihren Umbau. Dies allerdings wäre eine weitere Subvention, die jedoch die Akzeptanz bei den Bürgern erhöhen dürfte. Ansonsten sehen Experten nur einen weiteren Ausweg aus dem Dilemma: Die Menschen in der Region müssen von den Anlagen profitieren, etwa durch sinkende Heizkosten, wenn die Wärme aus den Biogasanlagen in ihre Häuser geliefert wird.

    Ähnlich ist es bei der Windenergie. Auch da steht der Nutzen der regenerativen Energie dem wachsenden Unwillen der Bürger gegenüber. Insbesondere dort, wo auswärtige Investoren neue, riesige Windparks aufstellen wollen, regt sich Widerstand. Bürgerbegehren gegen eine befürchtete Verschandelung der Landschaft durch die hohen Windmühlen und gegen den Lärm der Drehflügel haben meist Erfolg. Minister de Jager:

    "Es gibt in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein Proteste gegen alles, was Ausbau von Infrastruktur angeht, insofern wird es da auch keine Ausnahme geben für Windkraftanlagen. Was wir vorhaben ist, dass wir die Möglichkeit, Windkraftanlagen aufzustellen, vor allem den Kommunen selbst überlassen, das heißt es wird ein selbst gesteuerter Prozess sein und nicht top-down, dass wir denen vorschreiben, wo diese Dinge stehen sollen, aber auch eine Frage der Wertschöpfung, wie viel Geld kommt in den Gemeinden in den Landstrichen an, wo die größte Belastung durch Windkraft stattfindet."

    An vielen Orten in Schleswig-Holstein sind deshalb Bürgerwindparks entstanden. Die Anwohner selbst investieren und profitieren auch finanziell davon, dass vor Ort Strom produziert wird. Dieses Modell sorgt dafür, dass vielerorts Proteste ausbleiben und stattdessen der Wunsch geäußert wird, neue Flächen für Anlagen bereitzustellen.

    Bürgerwindparks oder gemeinsame Projekte der Biogasnutzung können also an der Basis eine Lösung für die Probleme sein, mit denen die Erneuerbaren Energien mittlerweile vielerorts konfrontiert sind. Durch sie kann der Energiewandel, der nach den Planungen der Bundesregierung 2050 abgeschlossen sein soll, wieder an Akzeptanz gewinnen. Allein reichen solche Lösungen aber nicht aus. Auch die Novellierung des EEG im Laufe des Jahres 2011 muss dazu beitragen, dass die vielfältigen Probleme angegangen werden.

    Im Vorfeld der Novellierung haben sich die Lobbyverbände schon wieder in Stellung gebracht. So wünschen sich Anlagenbetreiber wie Jess Jessen mit seinen zeitweise stillstehenden Windanlagen eine Umlage für den Netzausbau im neuen Gesetz. Die Bauern wiederum wollen eine stärkere Förderung sogenannter Reststoffe erreichen, die dann statt der sogenannten Energiepflanzen wie Mais in den Biogasanlagen verwendet werden sollen. Und auch die Hersteller der Solaranlagen vertreten ihre Interessen. Gerade an ihrem Beispiel lässt sich im Rückblick verdeutlichen, wie es zu Fehlentwicklungen bei der Förderung Erneuerbarer Energien kommen kann. Denn Hersteller und Betreiber von Solaranlagen haben vor einigen Jahren im Erneuerbare Energien Gesetz besonders hohe Vergütungen für ihren Strom durchgesetzt, da der Bau der Anlagen zunächst noch sehr teuer war.

    Als die Module billiger wurden, wurde die Förderung aber nicht im gleichen Maß gesenkt. Solaranlagen wurden dadurch zu einem besonders einträglichen und sicheren Geschäft. Als Bundesumweltminister Norbert Röttgen dann im Januar 2010 durchblicken ließ, dass die Vergütung drastisch gesenkt werden sollte, zeigte sich nach Ansicht von Ingrid Nestle, der Bundestagsabgeordneten der Grünen, das Problem einer kurzsichtigen Politik ohne langfristige Konzeption. Ingrid Nestle:

    "Und nicht zuletzt das hat eben dazu geführt, dass wir wirklich einen sehr hohen Zubau hatten und richtige Stresszeiten in der Solarindustrie, wo dann wirklich alles, alles auf einmal auf das Dach musste, und da sehe ich schon Bedarf, die Förderung so anzupassen, dass das so nicht mehr passiert in der Zukunft."

    Ingrid Nestle hält zwar den Kontakt mit den Lobbygruppen für wichtig, setzt aber eher auf die Vorschläge der Wissenschaft. Zum Beispiel auf die von Olav Homeyer vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Er hält für die Zukunft der Energieversorgung einen ganz bestimmten Mix der Erneuerbaren für sinnvoll und erforderlich. Bei 100 Prozent Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien macht er folgende Rechnung auf: zehn Prozent Solarstrom, je fünf Prozent aus Biomasse und Wasserkraft und 80 Prozent Windenergie:

    "In unseren Breiten hier, wo wir zu Hause sind, kann man wunderschön segeln, und das ist ein gutes Zeichen dafür, dass wir eine ganze Menge Wind haben. Sobald sie ordentliche Windgeschwindigkeiten haben, ist die Windenergienutzung das mit Abstand günstigste, das sie machen können."

    Es werden vermutlich also auch in Zukunft noch jede Menge neue Windkraftanlagen an Land, aber auch vor der Küste gebaut werden müssen. Diese und die damit verbundenen neuen Netze bergen weiter jede Menge Konfliktpotenzial. Auch die Energiewende wird also nicht ohne Proteste vonstattengehen.