Bei Bill Clinton hat sie funktioniert, die Wiederkehr nach dem Fall. Auch bei der ehemaligen Ratsbischöfin Margot Käßmann, die nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss zurücktrat und sich eine Auszeit im Süden der USA nahm. Amerika hat ein großes Herz für reuige Sünder. Nicht allerdings für Karl-Theodor zu Guttenberg: Der deutsche Ex-Minister ging nach seiner peinlichen Plagiatsaffäre ins Exil nach Übersee. Doch das dort geplante Comeback blieb bislang aus.
"Als Mitglieder der Gemeinschaft von Dartmouth protestieren wir gegen die Einladung des deutschen Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg auf unseren Campus."
Heißt es in einer Petition, die mehr als 100 Professoren und Studenten der Eliteuniversität Dartmouth im Neuenglandstaat New Hampshire unterschrieben. Dort sollte Guttenberg eine Rede über transatlantische Beziehungen halten, sagte dann aber ab. Bereits im November hatten Studenten der Yale-Universität demonstrativ den Saal verlassen, in dem zu Guttenberg einen Gastvortrag hielt. Bruce Duncan ist Germanistikprofessor an der Universität Dartmouth. Er erklärt die Empörung seiner Kollegen folgendermaßen:
"Es ist nicht so, dass es einen Test gibt, ob man moralisch genug ist, eine Rede zu halten, sondern ob man im Kontext einer Bildungsanstalt auftreten soll, wenn man gegen die Ideale des Bildungssystems verstoßen hat."
Dennoch scheint es zu Guttenberg ausgerechnet zu jenen akademischen Edelschmieden zu ziehen, die einem besonders strengen Ehrenkodex folgen: Danach gilt das Plagiat als schlimmster Verstoß gegen wissenschaftliche Integrität. Das findet auch der 18-jährige Michael Beechert, der im zweiten Semester in Dartmouth studiert.
"Ich halte mich als Student an diese Regeln, und meine Kommilitonen tun das auch. Man kann nicht mit zweierlei Maß messen und jemandem, der klar dagegen verstoßen hat, auch noch eine Plattform bieten."
Offenbar steht das Plagiat in der Rangliste der Sünden in Amerika höher als Trunkenheit am Steuer.
"Ob es einem gefällt oder nicht: Es gibt bestimmte Dinge, die wir Amerikaner verzeihen und andere, die wir nicht verzeihen."
Sagt Tom Lancaster, Politikwissenschaftler an der Emory-Universität in Atlanta.
"Trunkenheit am Steuer gilt häufig als Fehler, als eine einmalige Angelegenheit, die man vergeben und vergessen kann. Plagiate, also Verstöße gegen akademische Integrität, werden dagegen als grundsätzliche Charakterschwäche gesehen."
Ein Beispiel für den typisch amerikanischen Moralismus. Aber die Debatte spiegele auch kulturelle Unterschiede zwischen der akademischen Welt in Deutschland und Amerika, sagt Lancaster. Tatsächlich gelten in Deutschland diejenigen Schüler und Studenten als Teamspieler, die andere abschreiben lassen. Schummeln gehört dazu. Wer nicht mitmacht, ist ein Streber.
"In den USA versuchen die Studenten nicht, das System zu unterlaufen, im Gegenteil. Das ist auch ein Ausdruck des tief verwurzelten amerikanischen Individualismus: Jeder ist selbst dafür verantwortlich, dass er etwas lernt. Außerdem wollen amerikanische Universitäten nicht nur Inhalte vermitteln, sondern auch Werte. Sie wollen den Charakter bilden."
Ein weiterer kultureller Unterschied: In den USA ist es unüblich, dass Politiker akademische Titel anstreben, um ihre Aufstiegschancen zu verbessern. Bruce Duncan:
"Es ist sogar von Nachteil, wenn man einen Doktortitel hat als Politiker. In Amerika, in der breiten Bevölkerung, werden Akademiker bestenfalls als liebenswürdige, aber unrealistische Spinner gesehen."
Trotz aller Verschiedenheiten: Auch an amerikanischen Universitäten wird bisweilen abgeschrieben. Vizepräsident Joe Biden hat es getan, als junger Jurastudent. Dennoch war er im September ein gefeierter Redner auf dem Campus von Dartmouth. Ist damit nicht aber genau das passiert, wogegen sich die Eliteuniversität in der Petition gegen zu Guttenberg verwahrt – nämlich eine Bewertung nach zweierlei Maß? Nein, findet Germanistikprofessor Duncan. Denn Joe Biden habe sich mehrfach und glaubwürdig entschuldigt. Zu Guttenberg dagegen habe immer wieder Ausreden gesucht. Zum Beispiel im Februar 2011 vor der Presse:
"Meine von mir verfasste Dissertation ist über sieben Jahre neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit entstanden, und sie enthält fraglos Fehler."
Vielleicht also ist es nicht nur das Vergehen selbst, das Amerikas Akademiker so erregt, sondern die mangelnde Demut danach? Michael Beechert jedenfalls glaubt nicht an ein Comeback von Karl-Theodor zu Guttenberg in den USA.
"Solange er nicht die volle Verantwortung für seinen Fehler übernimmt, solange er den Umständen und nicht sich selbst die Schuld gibt, wird die akademische Gemeinschaft in Amerika ihm kaum eine zweite Chance zu geben."
Ohne glaubwürdigen Bußgang gibt es keine Absolution im Land der Puritaner. Annette Schavan sei schon einmal gewarnt.
"Als Mitglieder der Gemeinschaft von Dartmouth protestieren wir gegen die Einladung des deutschen Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg auf unseren Campus."
Heißt es in einer Petition, die mehr als 100 Professoren und Studenten der Eliteuniversität Dartmouth im Neuenglandstaat New Hampshire unterschrieben. Dort sollte Guttenberg eine Rede über transatlantische Beziehungen halten, sagte dann aber ab. Bereits im November hatten Studenten der Yale-Universität demonstrativ den Saal verlassen, in dem zu Guttenberg einen Gastvortrag hielt. Bruce Duncan ist Germanistikprofessor an der Universität Dartmouth. Er erklärt die Empörung seiner Kollegen folgendermaßen:
"Es ist nicht so, dass es einen Test gibt, ob man moralisch genug ist, eine Rede zu halten, sondern ob man im Kontext einer Bildungsanstalt auftreten soll, wenn man gegen die Ideale des Bildungssystems verstoßen hat."
Dennoch scheint es zu Guttenberg ausgerechnet zu jenen akademischen Edelschmieden zu ziehen, die einem besonders strengen Ehrenkodex folgen: Danach gilt das Plagiat als schlimmster Verstoß gegen wissenschaftliche Integrität. Das findet auch der 18-jährige Michael Beechert, der im zweiten Semester in Dartmouth studiert.
"Ich halte mich als Student an diese Regeln, und meine Kommilitonen tun das auch. Man kann nicht mit zweierlei Maß messen und jemandem, der klar dagegen verstoßen hat, auch noch eine Plattform bieten."
Offenbar steht das Plagiat in der Rangliste der Sünden in Amerika höher als Trunkenheit am Steuer.
"Ob es einem gefällt oder nicht: Es gibt bestimmte Dinge, die wir Amerikaner verzeihen und andere, die wir nicht verzeihen."
Sagt Tom Lancaster, Politikwissenschaftler an der Emory-Universität in Atlanta.
"Trunkenheit am Steuer gilt häufig als Fehler, als eine einmalige Angelegenheit, die man vergeben und vergessen kann. Plagiate, also Verstöße gegen akademische Integrität, werden dagegen als grundsätzliche Charakterschwäche gesehen."
Ein Beispiel für den typisch amerikanischen Moralismus. Aber die Debatte spiegele auch kulturelle Unterschiede zwischen der akademischen Welt in Deutschland und Amerika, sagt Lancaster. Tatsächlich gelten in Deutschland diejenigen Schüler und Studenten als Teamspieler, die andere abschreiben lassen. Schummeln gehört dazu. Wer nicht mitmacht, ist ein Streber.
"In den USA versuchen die Studenten nicht, das System zu unterlaufen, im Gegenteil. Das ist auch ein Ausdruck des tief verwurzelten amerikanischen Individualismus: Jeder ist selbst dafür verantwortlich, dass er etwas lernt. Außerdem wollen amerikanische Universitäten nicht nur Inhalte vermitteln, sondern auch Werte. Sie wollen den Charakter bilden."
Ein weiterer kultureller Unterschied: In den USA ist es unüblich, dass Politiker akademische Titel anstreben, um ihre Aufstiegschancen zu verbessern. Bruce Duncan:
"Es ist sogar von Nachteil, wenn man einen Doktortitel hat als Politiker. In Amerika, in der breiten Bevölkerung, werden Akademiker bestenfalls als liebenswürdige, aber unrealistische Spinner gesehen."
Trotz aller Verschiedenheiten: Auch an amerikanischen Universitäten wird bisweilen abgeschrieben. Vizepräsident Joe Biden hat es getan, als junger Jurastudent. Dennoch war er im September ein gefeierter Redner auf dem Campus von Dartmouth. Ist damit nicht aber genau das passiert, wogegen sich die Eliteuniversität in der Petition gegen zu Guttenberg verwahrt – nämlich eine Bewertung nach zweierlei Maß? Nein, findet Germanistikprofessor Duncan. Denn Joe Biden habe sich mehrfach und glaubwürdig entschuldigt. Zu Guttenberg dagegen habe immer wieder Ausreden gesucht. Zum Beispiel im Februar 2011 vor der Presse:
"Meine von mir verfasste Dissertation ist über sieben Jahre neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit entstanden, und sie enthält fraglos Fehler."
Vielleicht also ist es nicht nur das Vergehen selbst, das Amerikas Akademiker so erregt, sondern die mangelnde Demut danach? Michael Beechert jedenfalls glaubt nicht an ein Comeback von Karl-Theodor zu Guttenberg in den USA.
"Solange er nicht die volle Verantwortung für seinen Fehler übernimmt, solange er den Umständen und nicht sich selbst die Schuld gibt, wird die akademische Gemeinschaft in Amerika ihm kaum eine zweite Chance zu geben."
Ohne glaubwürdigen Bußgang gibt es keine Absolution im Land der Puritaner. Annette Schavan sei schon einmal gewarnt.