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H5N8
Bringen Wildgänse die Vogelgrippe ins Land?

Zum zweiten Mal in einer Woche ist das Vogelgrippe-Virus H5N8 nun auf einem Hof in Niedersachsen nachgewiesen worden. Deshalb will die Bundesregierung jetzt Enten- und Gänsehalter bundesweit per Eilverordnung dazu verpflichten, ihre Tiere vor Abgabe an einen Schlachthof untersuchen zu lassen. Bisher brachte die Vogelgrippe in Niedersachsen rund 120.000 Tieren den vorzeitigen Tod.

Von Alexander Budde |
    Mobilställe, Wintergarten und viel Auslauf: Carsten Bauck versichert Besuchern, seine Puter und Puten gesund und tiergerecht zu halten. Auf seinem Geflügelhof in Klein Südstedt bei Uelzen verzichte er auf das übliche Kraftfutter, mit Antibiotika würden nur wirklich kranke Tiere behandelt, sagt Bauck. Und der Bio-Halter stellt fest:
    "Wir können in der Geflügelszene nur an der Glaubwürdigkeit arbeiten. Die ist komplett ruiniert! Im Konventionellen ist es einfach so, dass die Verbrauchererwartung und die Realität in der Regel ja sehr weit auseinandergehen. Und das ist auch im Ökologischen so. Wir haben in der Öko-Szene so viele Skandale kassiert in den letzten Jahren! Für uns ist nur Flucht nach vorne angesagt. Wir müssen einfach unseren Kunden komplett offen zeigen, was wir machen!"
    Puten, Hühner, Enten - zu Hunderttausenden vergast und als Altlast entsorgt: Die Schreckensbilder aus Niedersachsen sind wohl kaum geeignet, verlorenes Vertrauen wieder aufzurichten. Am Wochenende wiesen Veterinäre das Vogelgrippe-Virus H5N8 auf einem weiteren Hof im Herzland der deutschen Geflügelzucht nach. Betroffen war diesmal ein konventionell wirtschaftender Entenmastbetrieb im Emsland. Auf dem Hof sollten rund 10.000 Enten getötet werden.
    Bislang nur Spekulationen
    Im Umkreis von drei Kilometern um den betroffenen Hof werden weitere 170.000 Tiere gehalten. Die Behörden haben den Betrieben jeglichen Transport von Geflügel untersagt. In einem Zehn-Kilometer-Radius stehen mehr als 200 Betriebe mit zusammen mehr als vier Millionen Tieren unter Beobachtung. Eberhard Haunhorst und seine Mitarbeiter beim Landesamt für Verbraucherschutz in Oldenburg analysieren Proben von Tieren aus allen Betrieben, die in den letzten Wochen Kontakt zum Mastentenstall gehabt haben könnten.
    "Für uns ist natürlich epidemiologisch interessant, wie kommt der Erreger hinein? Aber es gibt eben bisher nur Spekulationen dazu. Es gibt auch keinen Nachweis bei Futtermitteln oder Ähnlichem."
    Viren dieses Typus waren im Frühjahr zunächst in Südkorea, im November dann auch in Mecklenburg-Vorpommern, den Niederlanden und Großbritannien aufgetreten. Noch immer ist unklar, wie das Vogelgrippe-Virus H5N8 überhaupt nach Deutschland gelangt ist. Das Friedrich-Loeffler-Institut als maßgebliche Fachinstanz der Bundesregierung hält es für möglich, dass infizierte Wildvögel das Virus aus Ostasien eingeschleppt haben könnten.
    Gefahren falsch eingeschätzt
    Ebenfalls am Wochenende wiesen Experten den Virustyp bei einer toten Stockente nach, die vor zwei Wochen an der Elbe in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Die Bundesregierung will Enten- und Gänsehalter nun bundesweit per Eilverordnung dazu verpflichten, ihre Tiere vor Abgabe an einen Schlachthof zu untersuchen. In Niedersachsen muss sich Christian Meyer gegen heftige Kritik wehren. Der grüne Agrarminister habe die Gefahren durch die Vogelgrippe falsch eingeschätzt, meint die Opposition aus CDU und FDP. Die Landtagsabgeordneten fordern eine landesweite Stallpflicht für Geflügel. Für die aber wären allein die Landkreise zuständig, kontert Meyer. Und der gescholtene Minister gibt zu bedenken, dass die Infektionswege des Erregers noch gänzlich unklar seien:
    "Wir haben in Niedersachsen und auch in Mecklenburg-Vorpommern bislang. Keinen Freilandfall in Deutschland, also dass eine Freiland-Hühnerhaltung betroffen ist. Wir haben zum Beispiel ganz viele Gänsehaltungen im Haustierbereich untersucht, wo wir bislang keinen Fund gefunden haben."
    An die sogenannte Wildvogel-Hypothese mag auch Johan Mooij vom Wissenschaftsforum Aviäre Influenza (WAI) nicht glauben. Es gebe keinen direkten Vogelzug aus Nordkorea in die niedersächsischen Notstandsgebiete, betont der Gänseforscher. Nonstop könnten infizierte Zugvögel wohl kaum solche Distanzen überwinden. Sie könnten auch nicht lang genug in der Wildbahn überdauern, um andere Vögel anzustecken. Bislang sei die Vogelgrippe nur in intensiven Puten- Hühner- und Entenhaltungen ausgebrochen. Viel wahrscheinlicher sei daher die Vermutung...
    "Dass Vögel eng aufeinandersitzen im Stall, dadurch die Viren zirkulieren können. Es gibt die Vermutung, dass die Klimaanlage Luft ständig aus diesem Stall herauspustet und dass sich mit dieser Luft Krankheitserreger verbreiten. Eine wild lebende Ente kann sich infizieren."
    Die Stallpflicht sei gänzlich kontraproduktiv, meinen Kritiker der Massentierhaltung wie Moij, weil sie vor allem bäuerliche Betriebe in Schwierigkeiten brächte, die ihre Tiere in kleinen Beständen in Freiluft halten. Purer Aktionismus sei das, sagt Moij – und der Forscher geht davon aus ...
    "Dass man der Geflügelindustrie nicht wehtun will. Denn wenn wir uns wirklich auf die Probleme der Geflügelindustrie werfen würden, dann kostet das natürlich Millionen, die ganze Bio-Sicherheit zu ändern, oder gar diese Massentierhaltung zu unterbinden. Denn das wirkliche Problem ist die Massentierhaltung, weil die Viren da sehr schnell zirkulieren können. Und sogar die unschädlichsten Viren in sehr kurzer Zeit gefährlich werden können."