Die Gasversorgung in Deutschland ist für den kommenden Winter nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) "noch nicht komplett gesichert". Wenn es zu Engpässen kommen sollte, sähen die gesetzlichen Regelungen im Zweifelsfall auch eine Abschaltung von Unternehmen vor, sagte Habeck im Deutschlandfunk. Es werde politisch angeordnet, wer dann nicht mehr verbrauchen dürfe. Als letztes wären demnach private Haushalte, systemrelevante Kraftwerke oder soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser betroffen.
Der Grünen-Politiker gab zu bedenken, dass möglicherweise Lieferketten abreißen würden, wenn bestimmte Branchen wie die chemische Industrie oder die Stahlwerke nicht mehr produzieren könnten. Man bereite sich auf diesen Fall vor, der aber hoffentlich zu verhindern sein werde.
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Die Gasspeicher in Deutschland bis zum Herbst ausreichend zu füllen gehe "im Moment nur mit russischem Gas", sagte Habeck. "Das ist die bittere und eine Wahrheit, die mir selber im Hals stecken bleibt." Der Wirtschaftsminister betonte, im Moment gehe es darum, möglichst schnell unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden. Er besucht deswegen Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Schwerpunkt der Reise ist nach Angaben seines Ministeriums das Thema Energie und konkret Wasserstoff und verflüssigtes Erdgas (LNG). Gas solle aber ledigleich eine Brückentechnologie sein, betonte der Grünen-Politiker. "Wir wollen dann schnell in eine Wasserstoffwirtschaft, in eine vollständig erneuerbare Welt einsteigen – und außerdem will ich noch den Gasverbrauch in Deutschland reduzieren."
Keine neuen Abhängigkeiten aufbauen
Es sei wichtig zu verhindern, erneut einseitige Abhängigkeiten zu schaffen, so Habeck, "sondern die verschiedenen Lieferanten sollen vielleicht einen Anteil von zehn, 20 Prozent im deutschen Zuliefersystem haben, aber nicht 50 oder mehr Prozent. Das war einfach dämlich – unabhängig davon, ob es Russland war."
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Waffenexporte in die Ukraine werden genehmigt
Mit Bezug auf die mögliche Genehmigung von Waffenexporten in die Ukraine betonte Habeck, dass er diese "selbstverständlich" und ohne zu zögern genehmigen werde. "Sonst macht das doch alles keinen Sinn. (...) Und ich finde es auch ausdrücklich richtig. Wenn die Ukraine überleben will, sich schützen will, wenn wir als Völkergemeinschaft nicht zulassen wollen, dass ein Diktator, anders kann man es ja nicht mehr nennen, nach Gutsherrenart wie im Imperialismus Grenzen mit militärischer Macht verschiebt, dann muss man ihn zurückhalten." Hier habe Deutschland "einen Fehler gemacht in der Vergangenheit. (...) Und diesen korrigieren wir jetzt – hoffentlich nicht zu spät."
Energiepartnerschaft vereinbart
Das Interview in voller Länge:
Theo Geers: Herr Habeck, es geht um den nächsten Winter. Müssen wir uns da Stand heute ernsthaft Sorgen machen, dass wir zu wenig Erdgas haben könnten?
Robert Habeck: Bei diesen Reisen geht es nicht nur rein um den nächsten Winter, natürlich wäre das hilfreich, wenn die Liefermengen erhöht werden können, aber es geht vor allem um die mittelfristige Perspektive, also wenn Deutschland LNG-Terminals baut, dann muss da ja Gas rein, die Verträge müssen geschlossen werden, die schließt natürlich nicht Deutschland, sondern eben Lieferanten, aber die brauchen ein bisschen politische Flankierung. Und der nächste Winter ist, was die Gasversorgung angeht, noch nicht komplett gesichert.
"Zum nächsten Winter hätten wir nicht genug Gas"
Geers: Was heißt das genau, wo könnte man denn noch Gas auftreiben?
Habeck: Das heißt, wenn wir zum nächsten Winter noch nicht mehr Gas bekommen – und die Lieferverbindungen aus Russland würden gekappt werden oder abreißen –, hätten wir nicht genug Gas, um alle Häuser warm und alle Industrie laufen zu lassen.
Geers: Es gibt bereits Gespräche mit der Industrie, den Gasversorgern der Bundesnetzagentur auch über mögliche Abschaltungen von Unternehmen vom Gasnetz, wenn nicht genug da sein sollte. Was ist da los, was ist da möglicherweise im Busch?
Habeck: Das ist die gesetzliche Regelung in Deutschland. Jetzt benennen wir es ja und verschaffen der Politik mehr Handlungsmöglichkeiten, vorgestern im Bundestag habe ich das Gesetz zur Gasspeichersicherung eingebracht, im Moment ist die gesetzliche Norm in Deutschland, sollte es zu einer Versorgungsengpasssituation kommen, wird abgeschaltet, wird politisch angeordnet, in welchen Regionen welche Verbraucher nicht mehr verbrauchen dürfen.
Das Gesetz sagt: Die Letzten, die in diese Situation kommen, sind die privaten Haushalte, sind die systemrelevanten Kraftwerke und sind die sozialen Einrichtungen, beispielsweise Krankenhäuser. Daraus kann man ableiten, dass die Ersten, die da reinkommen, alle die sind, die es nicht sind.
Das muss man sich aber auf der Zunge zergehen lassen, was im Moment die gesetzliche Lage in Deutschland ist. Man kann ehrlicherweise nur sagen, bitte, wie konnte das denn passieren? Die einzige gesetzliche Handlungsmöglichkeit für Politik ist, eine schwere Wirtschaftskrise auszulösen. Dann sagt man immer, schwere Wirtschaftskrise, na ja, diese Durchschnittszahlen, zwei, drei, fünf Prozent weniger Wachstum, dann wird das ja meistens im Kopf übersetzt, dann verdiene ich halt zwei, drei, fünf Prozent weniger Geld. Darum geht es aber nicht, es geht ja darum, dass einige Leute dann gar kein Geld mehr verdienen – und diese einigen Leute sind eben sehr, sehr viele.
Wenn bestimmte Branchen, die chemische Industrie oder Stahlwerke, nicht mehr produzieren können, dann reißen ganze Lieferketten. Dann sind nicht nur diese Branchen betroffen, sondern dann fällt der ganze Produktionsprozess an vielen Stellen aus. Das gilt es schon zu verhindern. Aber das ist die gesetzliche Norm in Deutschland. Und natürlich bereiten wir uns auch auf den Fall vor, der hoffentlich zu verhindern sein wird.
"Es kann eine Art Dominoeffekt geben"
Geers: Herr Habeck, wenn ich Sie richtig verstehe, um das noch mal klar zu sagen, wenn das wirklich dumm laufen sollte, um es mal so auszudrücken, dann könnte es, weil es an Gas mangelt, hierzulande zu einer richtig ausgeprägten Wirtschaftskrise kommen, weil Industrie nicht produzieren kann, weil es keine Rohstoffe gibt – und dann eben die Lieferketten am Anfang schon gestört werden?
Habeck: Gas wird vor allem in der Industrie am Anfang der Lieferketten eingesetzt. Dann kann es eine Art Dominoeffekt geben. Ich will da überhaupt keine Panik schüren oder jemandem da irgendwie schlechte Laune machen, aber es ist natürlich so, dass wir die Entscheidung, jetzt nicht ein Gasembargo zu machen, nicht leichtfertig getroffen haben, sondern ich im intensiven Gespräch … Die Industrie will ja auch Putin das Handwerk legen, da ist gar keine Frage, aber wir müssen natürlich verstehen, was eine Entscheidung bedeutet.
Eine unbedachte Entscheidung zu treffen, kann sich eine Regierung, kann sich ein Wirtschaftsminister, kann ich mir überhaupt nicht leisten. Wenn eine bedachte Entscheidung falsch getroffen wird, dann muss sie verantwortet werden, dann ist das so, aber einfach unbedacht aus dem Bauch raus zu sagen, das fühlt sich gerade mal so richtig an, das geht eben nicht, das verbietet der Amtseid, wenn ich so reden darf. Und es ist tatsächlich so, wie Sie sagen, dass ein sofortiger Abbruch von Rohstoffversorgung solche Folgen haben könnte, würde ich mal formulieren, was Gas angeht, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit haben würde.
"Wir wollen Gas ja nur als Brückentechnologie"
Geers: Blicken wir auf Ihre Reise nach Katar, Sie sind ja gewissermaßen auf dem Sprung zum Flughafen. Wie diffizil ist es denn derzeit überhaupt, am Weltmarkt zusätzliche Gasmengen und Lieferanten aufzutreiben?
Habeck: Der ist schon angespannt. Die Liefermengen können natürlich erhöht werden, aber daran haben die liefernden Staaten eigentlich gar kein Interesse, für die ist es ja eine optimale Situation, sie haben maximale Gewinne, die Preise sind hoch, und die Förderkosten haben sich ja nicht erhöht. Insofern stößt man da schon auf einigen Widerstand beziehungsweise nicht gleich auf offene Arme. Das kann man wiederum überwinden, indem man sagt, es gibt eben auch eine gewisse Sicherheit, die wollen gerne länger laufende Verträge haben und nicht immer nur am sogenannten Spot-Markt verkaufen. Das wiederum hat allerdings auch bei uns eine Grenze, weil wir Gas ja nur als Brückentechnologie wollen, und mit den Preisen und mit Blick auf die nächsten Verhandlungspartner würde ich sagen, eine möglichst kurze Brücke sollten da bauen und haben wollen.
Wir wollen dann ja schnell in eine Wasserstoffwirtschaft, in eine vollständig erneuerbare Welt einsteigen – und außerdem will ich noch den Gasverbrauch in Deutschland reduzieren. Also, wir müssen ja sehen, dass wir den Gashunger stillen, und wir werden da auch gesetzliche Vorschläge machen. Dann sagen die, na ja, wenn ihr uns noch nicht mal eine langfristige Perspektive geben könnt, warum sollten wir dann jetzt die Gasfördermenge erhöhen nur für zwei, drei Jahre oder meinetwegen fünf Jahre. Dann fängt Politik an, dann muss ich ihnen erklären, dass das aber sinnvoll ist, dass wir Zustände wie in der Ukraine nicht weltweit dulden können, dass Deutschland ein verlässlicher Zahler ist. Und wenn das nicht notwendig wäre, könnte ich auch dieses Wochenende zu Hause bleiben, aber es ist eben nicht von alleine gängig.
"Mittelfristig geht es darum, eine neue Wirtschaftsform aufzubauen"
Geers: Bleiben wir noch mal kurz bei der Reise nach Katar. Sie waren ja am Mittwoch in Norwegen, da hat man Ihnen gesagt, Norwegen könne im Sommer etwa 1,4 Milliarden Kubikmeter zusätzlich liefern, das ist mehr als nichts, aber ungefähr so viel, wie Russland derzeit in 14 Tagen liefert, vom gesamtdeutschen Verbrauch wären es etwa 1,4 Prozent, die Norwegen zusätzlich drauflegen könnte. Was erhoffen Sie sich von Katar, von dem es ja heißt, zehn Prozent der Fördermenge dort seien frei verfügbar?
Habeck: Ich erhoffe mir von Katar und auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten vor allem eine Perspektive für Wasserstoff. Klar, wir müssen jetzt mal auf die kurzfristige Situation schauen, aber mittelfristig geht es ja darum, eine neue Wirtschaftsform aufzubauen, eine die gar keine Emissionen mehr emittiert. Das ist eigentlich die große Hoffnung, dass wir da eine Partnerschaft aufbauen können – neben anderen Ländern auch.
Wir werden auf keinen Fall die nächste einseitige Abhängigkeit schaffen, sondern die verschiedenen Lieferanten sollen vielleicht einen Anteil von zehn, 20 Prozent im deutschen Zuliefersystem haben, aber nicht 50 oder mehr Prozent. Das war einfach dämlich – unabhängig davon, ob es Russland war. Das will ich mit Katar oder anderen Ländern auch nicht mehr sehen und aufbauen. Kurzfristig erhoffe ich mir eine Steigerung der Liefermenge, sodass unsere LNG-Terminals gefüllt werden.
Die Kapazitäten, die wir planen, sind zehn Gigawatt in Brunsbüttel und acht bis zehn Gigawatt in Wilhelmshaven. Stade, Hamburg, Rostock, alle könnten noch dazukommen, sodass wir vielleicht ein Volumen von 20 bis 30, sage ich mal, Gigawatt in den nächsten Jahren aufbauen können. Das wären dann eben … Also 50 Prozent, 50, 55 Gigawatt kommen aus Russland, wenn wir 30 LNG hätten plus die Möglichkeit, im Sommer die Speicher voll zu machen, dann sind wir robust. Das sind die Mengen, über die wir auf dem Weltmarkt reden, insofern ist Katar ein Ansprechpartner.
Geers: Sie haben schon die Speicher erwähnt, dazu ganz kurz die Frage: Sie sind sich ziemlich sicher, dass das zu schaffen ist bis zum Herbst die Gasspeicher in Deutschland ausreichend zu füllen?
Habeck: Ja, aber eben im Moment nur mit russischem Gas. Das ist die bittere und eine Wahrheit, die mir selber im Hals stecken bleibt. Glauben Sie nicht, dass das mein Wunschszenario ist, aber so ist es halt. Sie haben die Mengen ja gerade aufgezählt, und Deutschland hat kein LNG-Terminal, wir sind also darauf angewiesen, dass die niederländischen, belgischen und französischen Terminals alles durchleiten. Die sind ja jetzt schon quasi am Anschlag. Wenn sie quasi am Anschlag sind, heißt das, dass viel mehr Gas nicht aufgenommen werden kann. Und unsere Speicher sinken ja im Moment.
Und okay, der Sommer kommt, wir heizen weniger, aber es wird im Moment nicht gehen, die Speicher und damit die Versorgungssicherheit ohne russisches Gas zu gewährleisten. Das ist ja der verfluchte Augenblick, dass man nicht sagen kann, wir helfen der Ukraine auch, indem wir sofort aussteigen. Aber Sie sehen, dass wir alles, wirklich alles dafür tun, das schneller zu schaffen. Und bei Kohle und bei Öl sind wir auch auf einem schnelleren Weg.
Geers: Blicken wir noch auf ein anderes Thema, Herr Habeck, auf die Pläne der Bundesregierung, die Haushalte bei den wahnsinnig stark gestiegenen Ausgaben für Strom, Gas oder auch Benzin und Diesel zu entlasten. Finanzminister Lindner ist da vorgeprescht, er will einen Tankrabatt an der Zapfsäule. Sie als grüner Wirtschaftsminister waren not amused darüber, um es mal so auszudrücken. Wie steht es denn jetzt um diese Erleichterungen, wann kommen sie und wann einigen Sie sich?
Habeck: Ja, da kann ich heute noch keinen Vollzug verkünden.
Geers: Wann denn?
Habeck: Wenn es nach mir geht, dann so schnell, wie es geht, aber es geht ja nicht immer nach mir leider.
Geers: Werden Sie denn einen Tankrabatt von Christian Lindner mittragen?
Waffenexporte in die Ukraine? "Ja, selbstverständlich"
Habeck: Ich finde, der Vorschlag war schon am Anfang wackelig und hat jetzt in der Woche eher an Charme verloren. Insofern denke ich, die Entlastung wird sicherlich auch den Mobilitätsbereich umfassen, aber möglicherweise komplexer ausfallen.
Geers: Herr Minister, wir müssen noch ein drittes Thema ansprechen, wir haben es vorhin in der Themenübersicht angesprochen: Verteidigungsministerin Lambrecht hat im Deutschlandfunk gesagt, wir werden das Interview morgen in voller Länge um 11 Uhr senden, dass im Moment auch darüber nachgedacht wird, weil die Bundeswehrdepots schon weitgehend leer sind und deshalb kaum noch Material da wäre, mit dem man der Ukraine helfen könnte, Waffenkäufe der Ukraine hierzulande zu ermöglichen – in welcher Form auch immer, lasse ich jetzt mal offen. Aber aus Waffenkäufen müssten in jedem Fall auch Waffenexporte werden, dann wären Sie gefragt, denn der Bundeswirtschaftsminister ist hierzulande für die Genehmigung von Waffenexporten zuständig. Werden Sie grünes Licht für solche Lieferungen geben?
Habeck: Ja, selbstverständlich.
Geers: Ohne zu zögern?
Habeck: Sonst macht das doch alles keinen Sinn. Ich meine, wo ist der Unterschied, ist der materielle Unterschied, ob die Bundesregierung aus Bundeswehrbeständen Waffen liefert oder Deutschland erlaubt, aus anderen Beständen, Waffen zu liefern? Das geht ja gar nicht auf, wenn man sagt, das eine machen wir, das andere nicht. Und ich finde es auch ausdrücklich richtig, das wissen Sie. Wenn die Ukraine überleben will, sich schützen will, wenn wir als Völkergemeinschaft nicht zulassen wollen, dass ein Diktator, anders kann man es ja nicht mehr nennen, nach Gutsherrenart wie im Imperialismus Grenzen mit militärischer Macht verschiebt, dann muss man ihn zurückhalten.
Das ist natürlich eine fürchterliche Analyse, sie klingt so locker gesagt im Radio, ich weiß, dass mit dieser Entscheidung Menschen sterben werden und dass mit den Waffen die ukrainischen Soldaten russische Soldaten töten werden. Es gibt im Moment nichts, was man gerne politisch macht, was einem leicht von der Hand geht. Aber das ist natürlich die Konsequenz aus allen Analysen, aus allem Reden, aus allem, was wir bisher getan haben. Natürlich, wenn die Bestände der Bundeswehr leer sind, dann müssen andere Bestände ran. Das, denke ich, war allen klar, oder ich hoffe, es war allen klar, als wir die erste Entscheidung getroffen haben, der Ukraine Waffen zu liefern, dass das keine Eintagsfliege sein kann, sondern dass der Nachschub dann nicht abreißen darf. Das ist die Konsequenz, ja.
"Wir haben einen Fehler gemacht in der Vergangenheit"
Geers: Eine letzte Frage und die Bitte um eine kurze Antwort: Man hört Ihnen regelrecht an, wie innerlich zerrissen Sie sind. Wie schwer fällt Ihnen das Ganze?
Habeck: Nein, ich bin nicht innerlich zerrissen, es ist nur eine Situation, die einen nicht, würde ich sagen, mit einer moralisch weißen Weste aus allem rauskommen lässt. Ich bin sicher, dass wir das Richtige tun, ich finde das in jeder Hinsicht konsequent, dass wir die Ukraine mit Waffen unterstützen – und wir hätten es schon vorher tun sollen, denn die Waffen waren ja eigentlich dafür gedacht, einen Angriff zu verhindern, es war ja eine Abschreckungs- und Drohkulisse. Und Putin hat ja offensichtlich geglaubt, er könnte die Ukraine einfach überrennen, da haben wir einen Fehler gemacht in der Vergangenheit, auch Deutschland. Und diesen korrigieren wir jetzt – hoffentlich nicht zu spät –, insofern bin ich nicht zerrissen.
Aber ich finde, dass die Entscheidungen alle auch Schattenseiten haben, das ist eindeutig so, und dass wir nicht Weiß und Schwarz alleine nur machen können. Ich finde auch, dass die Politik das zugeben kann und trotzdem eine klare Linie halten oder fahren oder führen, wenn ich das so sagen darf. Umgekehrt finde ich es manchmal ein bisschen merkwürdig, wenn man seine Position um 180 Grad verschiebt, aber alles vorher im Brustton der Überzeugung gesagt hat, wir machen alles richtig, dann macht man das Gegenteil und es wird gesagt, wir machen alles richtig. Das ist auch nicht wirklich besonders konsistent, das ist eher zerrissen. Insofern: Ich bin entschieden.
//Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.//