Es ist eine gezielte Provokation in Richtung Ampel. Anders lässt sich der Vorstoß von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kaum interpretieren. Ohne Absprache mit den Koalitionspartnern ist der Wirtschaftsminister vorgeprescht und hat jetzt erneut die Auflage eines milliardenschweren Sonderfonds gefordert, offenkundig finanziert durch neue Schulden.
Habeck weiß natürlich, dass die FDP einem solchen Vorstoß niemals zustimmen wird. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist parteipolitisches Dogma, ohne Abstriche. Darunter leiden SPD und Grüne seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur unerlaubten Verschiebung von 60 Milliarden Euro ehemaliger Coronahilfen, doch das hat die FDP wenig beeindruckt.
Ampelkoalition steht massiv unter Druck
Das wiederum führt zur Frage, warum Habeck seinen Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt setzt. Zumal Finanzminister Christian Lindner (FDP) gleichzeitig in den USA unterwegs ist. Natürlich steht die Ampel massiv unter Druck: Deutschland steckt in der Rezession fest und auch die Aussichten sind wenig rosig. Entsprechend groß ist der öffentliche Druck auch durch die Wirtschaftsverbände nach weiteren staatlichen Maßnahmen.
Denn klar ist auch: das von der Regierung in Aussicht gestellte Wachstumspaket ist zu kleinteilig; vieles von den geplanten Maßnahmen wie etwa Steuerentlastungen und die Reformen beim Bürgergeld sind noch nicht einmal umgesetzt. Am Ende wird der konjunkturelle Effekt nicht einmal messbar sein.
Trotzdem führt es am Ende ins politische Nirwana, Vorschläge zu unterbreiten, für die es absehbar keine Mehrheiten gibt. Ganz abgesehen davon, dass auch die Union der Einrichtung eines solchen Sonderfonds zustimmen müsste, was ebenfalls nicht einmal in Ansätzen erkennbar ist. Warum sollten CDU und CSU den ohnehin schon angeschlagenen Ampelparteien noch einmal Luft verschaffen.
Habeck hat Ampel praktisch abgeschrieben
Nein, Habeck hat die Koalition ebenso wie der Finanzminister faktisch längst abgeschrieben. Neu ist aber, dass der Wirtschaftsminister jetzt ebenfalls aktiv nach einer Exitstrategie sucht, um das ungeliebte und im Dauerstreit verlorene Bündnis zu beenden. Nur der Kanzler will das offenbar nicht wahr haben und tut so, als könnte die Ampelkoalition noch ein Jahr einfach weiterregieren.
Formal könnte sie das, realpolitisch aber sollten SPD, Grüne und FDP endlich die Konsequenzen ziehen. Ein Jahr Dauerwahlkampf kann sich das Land – auch angesichts der vielen internationalen Krisen - nicht leisten. Das sollte der glücklose Wirtschaftsminister, dem gerade fast alle ehrgeizigen Industrieprojekte geplatzt sind, offen benennen. Und nicht den Umweg über einen politisch chancenlosen Sonderfonds suchen.
Jörg Münchenberg, geboren 1966; studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Kanada und Nürnberg-Erlangen. Seit 1997 beim Deutschlandfunk als Moderator und Redakteur zunächst in der Wirtschaftsredaktion; später Korrespondent im Berliner Hauptstadtstudio und europapolitischer Korrespondent in Brüssel. Nach einer Station im Zeitfunk derzeit wieder im Berliner Hauptstadtstudio.