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Haderthauer verteidigt Stichtagsregelung beim Betreuungsgeld

Christine Haderthauer (CSU) hat Kritik an den Regelungen zum Betreuungsgeld zurückgewiesen. Mit der Erhöhung im kommenden Jahr seien dann auch die Zweijährigen dabei, sagte die bayerische Familienministerin. Kritiker hatten bemängelt, dass die Leistung nur an Eltern gezahlt wird, deren Kinder zum Stichtag 1. August nicht älter als ein Jahr waren.

Christine Haderthauer im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Für mehr als eine Million Kinder ist die Wahlfreiheit eine Sache von Fristen. Ihre Eltern haben kein Anrecht auf das Betreuungsgeld. Grund ist der Stichtag, ab dem das Betreuungsgeld beantragt werden kann: der 1. August 2012. Damit fallen fast zwei Jahrgänge, also mehr als eine Million Kinder, durch das Raster. Erzwungen hat diesen Kompromiss die FDP, die die Kosten damit von 330 Millionen auf 55 Millionen senkte, auf dem Rücken der Eltern. Ist das nun eine Panne oder Gleichgültigkeit gegenüber mehr als einer Million Kinder?

    Es ist also eine Millionenlücke. Grund ist der Stichtag, ab dem das Betreuungsgeld beantragt werden kann, denn damit fallen fast zwei Jahrgänge, also mehr als eine Million Kinder, durch das Raster in eine Art Betreuungsverliererzone. Muss man das Gesetz nun nachbessern, oder warten, bis Eltern klagen? War das Reden von der Wahlfreiheit ein Schwindel? Werden hier Eltern diskriminiert?

    Zu diesen Fragen begrüße ich eine der entschlossensten Verfechterinnen des Betreuungsgeldes, die bayerische Sozial- und Familienministerin Christine Haderthauer. Guten Morgen nach München!

    Christine Haderthauer: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Frau Haderthauer, Eltern von heute ein- bis dreijährigen Kindern gehen leer aus, wenn sie das Betreuungsgeld beantragen. Eine Millionenlücke, die Stimmen kosten kann. Hat man da was übersehen?

    Haderthauer: Übersehen hat man nichts. Ich bin froh, dass wir das Betreuungsgeld überhaupt bekommen. Sie wissen, dass es Etliche gegeben hat, bis hin ins Unions-Lager, die vor einiger Zeit noch gesagt haben, ihr werdet schon sehen, das Ganze kommt nie, das werdet ihr nie durchsetzen. Es waren ja die entschiedensten Widerstände. Wir haben das Betreuungsgeld jetzt, aber wir haben es mit einem Stichtag versehen, wie das bei praktisch allen Gesetzen ist. Die Leistung muss ja bei irgendjemand mal beginnen. Und im Fokus stehen eben sowohl für den Rechtsanspruch auf den Krippenplatz als auch fürs Betreuungsgeld die Einjährigen ab August 2013. Ich meine, die Einjährigen vom letzten Jahr hatten ja auch noch keinen Rechtsanspruch auf den Krippenplatz, sondern erst die Einjährigen jetzt, und in der Balance dann auch jetzt der Stichtag beim Betreuungsgeld.

    Liminski: Der Stichtag ist eine Art Kompromiss. Eltern kennen diese Art von, ich sage mal, Diskriminierung durch Gedankenlosigkeit oder Kompromisse in der Politik. Dennoch verstößt das gegen den Gleichheitsgrundsatz und auch gegen das Betreuungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, denn das verlangt ja, dass jedes Mal, wenn etwas für die Fremdbetreuung getan wird, auch die familiäre Betreuung bedacht wird, um die Wahlfreiheit zu wahren. Muss man das Gesetz jetzt nicht nachbessern?

    Haderthauer: Zunächst mal ist ja auch der Ausbau der Krippenplätze erst jetzt fertiggestellt. Das heißt, auch das war ja ein Prozess, der erst nach und nach sozusagen Strukturen geschaffen hat, die den Eltern zur Verfügung standen, und so ist das auch nicht etwas, was es letztes Jahr schon gegeben hat. Insofern ist es logisch, mit dem Rechtsanspruch und dem Ende des Ausbaus auch das Betreuungsgeld beginnen zu lassen.

    Mit dem Nachbessern? Es ändert sich ja sowieso. Ab August nächsten Jahres sind es ja dann 150 Euro monatlich. Das ist ja stufenweise schon vorgesehen. Und da sind dann auch die Zweijährigen mit dabei. Ich würde mir eher wünschen, dass wir, wenn wir noch mal an das Gesetz herangehen, eine insgesamt höhere Leistung bekommen. Aber die Stichtagsregelung, die ist im nächsten Jahr ohnehin schon Geschichte.

    Liminski: Natürlich muss bei jeder gesetzlichen Regelung ein Zeitpunkt gefunden werden, ab dem sie gilt. Bei der Rente mit 67 hat man eine Stufenregelung gefunden. Jetzt bedarf es eigentlich nur eines Elternpaares, das gegen das Gesetz klagt. Man kann sich aber auch vorstellen, dass die Politiker selber das Gesetz im Sinne der Wahlfreiheit korrigieren wollen. Wäre das nicht möglich?

    Haderthauer: Wir haben jetzt sowieso den Grundsatz der Diskontinuität wegen der bevorstehenden Bundestagswahl. Das heißt, wenn, dann wäre es sowieso erst zum nächsten Jahr möglich, und für dieses nächste Jahr sind ja bereits diese Stufen, die ich erwähnt habe, vorgesehen. Das heißt, es gibt im Grunde keine Notwendigkeit, weil wie gesagt auch der Rechtsanspruch auf den Krippenplatzanspruch ja erst jetzt ab August 2013 gilt, und es ist auch durch das stufenweise Hineinwachsen in den Anspruch der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt.

    Liminski: Der Rechtsanspruch auf die Fremdbetreuung, auf den Krippenplatz, gilt auch ohne Stichtag. Haben sich da die Verfechter der Fremd- oder Staatsbetreuung durchgesetzt?

    Haderthauer: Nein, würde ich nicht sagen, denn auch da gilt ab 1. August. Wenn ein Kind im Januar ein Jahr alt geworden ist, dann hat es da noch keinen Rechtsanspruch auf den Krippenplatz gehabt, sondern erst jetzt ab 1. August. Noch mal: Wir haben die Einjährigen ab August 2013 im Blick gehabt. Für die gelten neue Ansprüche: einmal der Anspruch auf den Krippenplatz und zum anderen das Betreuungsgeld. Beides ist noch nicht perfekt, auch die Krippen sind ja noch nicht überall vielleicht nach genau dem Bedarf der Eltern ausgebaut, und so wird das stufenweise dann umgesetzt.

    Liminski: Apropos Krippen. Mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz taucht hier und da zaghaft die Frage nach Zahl und Qualität der Erzieherinnen auf. Hier herrscht Nachholbedarf. Ist da etwas vorgesehen?

    Haderthauer: Hier muss man auch Deutschland insgesamt differenziert sehen. Ich kann für die bayerischen Erzieherinnen sagen, dass es daran überhaupt nichts auszusetzen gibt, an der Qualität. Wir haben ein super ausgebildetes Kita-Personal. Viel wichtiger ist es, dass die Tarifvertragsparteien gerade auch in den hochpreisigen Regionen, wenn ich an Bayerns Großstädte denke, zu Lösungen finden, die dann die Langzeitmotivation der Kräfte und vor allem auch dort, wo sie gebraucht werden, erhalten. Und damit, dass dieser Spielraum auch dann staatlich gefördert wird, haben wir in Bayern eine staatliche Betriebskostenförderung, die mit jeder Erhöhung der Tarifgehälter automatisch angepasst wird. Ich bin schon lange dafür, dass wir für die bayerischen Erzieherinnen und Erzieher eigene Tarifabschlüsse machen. Das kann ich als Politik aber nicht beeinflussen. Hier sind die kommunalen Arbeitgeberverbände gefragt, die bisher leider wenig Bereitschaft gezeigt haben, für Bayern da sich entsprechend anders zu verhalten.

    Was die Zahl der Fachkräfte angeht, da müssen wir auch über die Ausbildung sprechen. Wir haben vor Jahren bereits 500 neue Plätze in den Fachakademien in der Sozialpädagogik geschaffen und wir haben – und das finde ich ganz wichtig – die Querqualifizierung gefördert und haben eingerichtet, dass zum Beispiel Kinderpfleger, Heilerziehungspfleger und andere geeignete Quereinsteiger, die aus der Pädagogik kommen, solche Querqualifizierungen in Modulen von wenigen Monaten machen können, sodass wir absehbar bis Ende 2014 unseren Fachkräftebedarf völlig gedeckt haben.

    Liminski: Im Moment sind eine ganze Reihe Studien und demoskopische Befunde auf dem Markt zur Familie. Die Studie des Hamburger Instituts für Zukunftsforschung etwa sagt, dass für 67 Prozent der Deutschen die hohen Kosten die Hauptursache für die Nicht-Verwirklichung eines Kinderwunsches seien. Eine andere Studie über Statussymbole der Deutschen zeigt die anhaltende und sogar wachsende Wertschätzung von Ehe und Familie. Wird Ihrer Meinung nach in Berlin an den Wünschen der Bevölkerung vorbeiregiert?

    Haderthauer: Nein, ganz im Gegenteil. In keiner Legislaturperiode ist so viel Geld für Familien in die Hand genommen worden wie in dieser. Anfangs ist ja die Kindergeld- und Kinderfreibetragserhöhung gewesen, die schon wieder fast vergessen ist – leider -, dann die milliardenschweren Investitionen in den Kita-Ausbau und die Einführung des Betreuungsgeldes. Aber eins ist mir ganz wichtig: Kinderwunsch kann man nicht kaufen und Geburtenquoten allein dürfen auch nicht die Messlatte für die Qualität von Familienleistungen sein. Denn uns muss ja auch wichtig sein, dass es den Kindern, die wir haben, gut geht und vor allem auch ihren Eltern. Eltern sein muss wieder ein angestrebter Lebenswunsch sein, ein Wunsch, nicht nur ein Modell, und dazu braucht es halt mehr als nur Familienleistungen. Es braucht Vertrauen und Wertschätzung für Eltern. Da hat es in Berlin manchmal ein bisschen gemangelt, wenn ich an so manche Diskussionsbeiträge denke. Kinder bekommen kostet natürlich Eltern in Deutschland auch immer noch zu viel an Chancen, wenn sie sich selbst eine Zeit lang um Betreuung und Erziehung kümmern wollen. Das heißt, damit meine ich die Entwertung im beruflichen Leben. Da muss sich etliches verändern, sonst können wir mit allen finanziellen Leistungen nichts ausrichten.

    Liminski: Immer häufiger, Frau Haderthauer, wird Erziehung im Zusammenhang gesehen mit Pflege. Pflege und Erziehung brauchen Zeit. Wie kann die Politik die Familien hier entlasten?

    Haderthauer: Für mich wäre das wichtigste Anliegen, Angehörige zu stärken. Denn der große Wunsch der meisten Pflegebedürftigen ist, dass sie im familiären Umfeld bleiben können, wenn die Pflegebedürftigkeit kommt. Da brauchen wir aber auch Arbeitgeber, die die Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbstätigkeit noch besser einräumen. Wir haben ja das Modell der Familienpflegezeit, das inzwischen schon ins Ausland kopiert wird. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger erster Schritt gewesen ist. Aber gleichzeitig gilt auch hier wie für die Erziehungsarbeit mehr Wertschätzung, bessere auch strukturelle Unterstützung, und da spreche ich nicht nur von Geld, sondern von Möglichkeiten für Angehörige, sich auch mal eine Auszeit zu nehmen, von Möglichkeiten, eine Kurzzeit-Tagespflege besser hinzubekommen und modular Hilfen in Anspruch zu nehmen.

    Liminski: Spitzenkandidat Steinbrück und Gewerkschaftschef Bsirske haben am Montag ein Pflegekonzept vorgelegt und für eine deutlich bessere Entlohnung der Pflegekräfte plädiert. Sind Sie auch der Meinung von Steinbrück und Bsirske? Sie haben ja eben auch für eine bessere Entlohnung von Erzieherinnen plädiert.

    Haderthauer: Ja, ganz klar. Wenn wir Menschen für den Pflegeberuf gewinnen wollen, müssen wir den Beruf attraktiver machen. Die Stellschraube Vergütung ist aber nur eine. Eine zweite ist die Bürokratie und die Rahmenbedingungen, denn bei zu knappem Personaleinsatz fällt einfach ein Stress an für die Pflegekräfte, den sie auch bei noch besserem Gehalt nicht lange bereit sind zu tragen.

    Ich wünsche mir drei Dinge: Ich wünsche mir, dass mehr Träger die guten Personalschlüssel aushandeln, die ihnen oftmals angeboten werden, dann aber auch den Mut haben, dass sie nicht mehr der billigste am Markt sind, dass wir die Bürokratie, die so gut wie gar nicht von der Politik vorgegeben ist, einfach runterfahren und ihr Sicherheitsdenken, was da oft zu Buche schlägt, ein bisschen reduzieren. Und bei den Löhnen? Die werden halt von Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt. Und wenn Herr Bsirske als zuständiger Gewerkschafter hier Verbesserungsbedarf sieht, zeigt er sozusagen auf sich selber, und da kann ich nur sagen, danke schön, Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

    Liminski: Die Aufwertung der Erziehungsarbeit in Familie und außer Haus bleibt eine dringende Aufgabe der Politik, sagt hier im Deutschlandfunk die CSU-Politikerin Christine Haderthauer, Sozial- und Familienministerin in Bayern. Besten Dank für das Gespräch, Frau Haderthauer.

    Haderthauer: Danke.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.