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Häftlinge, Hoffnungen und Horror

Zehn Jahre lang war er das Filmgesicht von Harry Potter, jetzt darf Daniel Radcliffe wieder in einer andere Filmhaut schlüpfen: die des Londoner Anwalts Arthur Kipps im Gruselfilm "Die Frau in Schwarz" von James Watkins. Außerdem neu im Kino: das amerikanische Drama "The Music Never Stopped" sowie die norwegische Produktion "King of Devil's Island".

Von Jörg Albrecht |
    "King of Devil's Island" von Marius Holst

    "Ich bin hier dein Kapitän und die Insel ist mein Schiff."

    Bastøy ist der Name einer knapp drei Quadratkilometer großen Gefängnisinsel im Oslofjord, auf der Håkon Bestyreren das Sagen hat. Mit harter Hand führt der von Stellan Skarsgård gespielte Direktor die Besserungsanstalt für Jungen und junge Männer. Eine Anstalt, die mehr den Eindruck eines Straflagers vermittelt.

    "Unser Ziel - und deins damit auch - ist die Erweckung des von Grund auf demütigen Christenmenschen in dir, den es zu formen und abzuschleifen gilt."

    Diesmal richten sich die Worte des Anstaltsleiters an den jungen Straftäter Erling, der wegen Mordes verurteilt worden ist und 1915 nach Bastøy gebracht wird.

    "Im Gefängnis würde es dir schlimmer ergehen. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass du herkommst. Gerade dir als Seemann dürfte bekannt sein, von welcher Bedeutung Disziplin ist. Ja. - Ja, Herr Direktor. - Ja, Direktor. - Ja, Herr Direktor."

    Aus Erling wird Insasse C19. Wie alle anderen Häftlinge ist auch er von nun an nur noch eine Nummer. Ihm wird schnell bewusst, dass Erziehung auf Bastøy nicht nur Befehl und Gehorsam bedeutet. Auf der Insel herrscht ein System der Willkür. Schikanen, Folter und sexueller Missbrauch sind an der Tagesordnung. Obwohl Erling bislang nur an sich und seine Flucht von der Insel gedacht hat, erwacht in ihm immer mehr das Unrechtsbewusstsein und er wird zum Anführer einer Rebellion.

    "Zurück auf die Plätze! Zurück auf eure Plätze!"

    Sowohl bei der Handlung als auch bei den Figuren hat sich Regisseur Marius Holst von realen Begebenheiten auf der Gefängnisinsel inspirieren lassen. Statt auf vordergründige Gewaltdarstellungen setzt Holst auf Psychologie und genaue Figurenzeichnungen, ohne dass "King of Devil's Island" deshalb an Spannung einbüßen würde. So werden der Anstaltsleiter und sein Gefolge weitaus differenzierter dargestellt, als dies in Gefängnisfilmen üblich ist. Die klaren, in düsteren Farben gehaltenen Bilder verstärken dabei den Eindruck von einer inhumanen Welt.

    "King of Devil's Island" von Marius Holst - empfehlenswert!


    "The Music Never Stopped" von Jim Kohlberg

    "Er hat wohl mit Ihnen herumgealbert. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? - Das ist kein Rumalbern. Der Teil von Gabriels Gehirn, der die Hemmungen steuert, ist zerstört worden."

    Es ist die Hoffnung der Eltern auf vollständige Genesung ihres Sohnes, die sie an jeden noch so kleinen Strohhalm klammern lässt. Doch Gabriel, dem ein Gehirntumor entfernt worden ist, hat durch die Operation einen Großteil seiner Erinnerung sowie sein Kurzzeitgedächtnis verloren, was ihn zu einem Pflegefall macht. Den Eltern kommt es so vor, als würden sie ihren Sohn ein zweites Mal verlieren. Denn schon vor 20 Jahren hatte er nach einem heftigen Streit mit Vater Henry über politische Ansichten und seine Lebenseinstellung den Kontakt zu ihnen abgebrochen. Mithilfe einer Musiktherapeutin gelingt es, Gabriel ins Leben zurückzuholen. Für ihn, der immer davon geträumt hat Musiker zu werden, sind die Schallplatten von früher nicht nur ein Weckruf. Die Musik schlägt auch eine Brücke zwischen Vater und Sohn.

    "Weißt du, welcher Song das ist? - Ich habe keine Ahnung. - Das ist 'Desolation Row' - toller Song! Und ein fantastischer Text."

    Es ist der Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks, der die Vorlage zu "The Music Never Stopped" geliefert hat. Kein Wunder also, wenn man sich immer wieder an "Zeit des Erwachens" erinnert fühlt. Allerdings steht hier nicht so sehr die Krankengeschichte im Vordergrund. "The Music Never Stopped" interessiert sich mehr für die Beziehung zwischen Vater und Sohn - wunderbar gespielt von J. K. Simmons und Lou Taylor Pucci. Diese Beziehung wird immer wieder in Rückblenden neu ausgelotet. Ein bewegender Film, der allerdings holprig und etwas einfallslos in Szene gesetzt worden ist.

    "The Music Never Stopped" von Jim Kohlberg - akzeptabel!


    "Die Frau in Schwarz" von James Watkins

    "Also, Sie kommen aus London? - Oh ja. - Sie wollen versuchen, Eel Marsh House zu verkaufen? Aus der Gegend wird es keiner wollen."

    Denn auf dem düsteren Haus an der englischen Küste, das nur bei Ebbe ohne Boot zu erreichen ist, soll ein Fluch liegen. Davon aber ahnt der von Daniel Radcliffe gespielte Londoner Anwalt Arthur Kipps nichts. Er ist angereist, um den Nachlass der verstorbenen Besitzerin aufzulösen. In der Villa hört es Arthur an jeder Ecke knarren, setzen sich Schaukelstühle wie von Geisterhand in Bewegung und tauchen Schattengestalten auf.

    "Aber ich habe wirklich jemanden am Haus gesehen. - Glauben Sie mir, Arthur, das ist nur ein altes Haus, das abgeschnitten von der Welt ist."

    "Die Frau in Schwarz", eine Produktion der legendären, auf Horror spezialisierten Hammer Films, ist ein Gruselfilm der alten Schule, der vor allem auf Atmosphäre und wohldosierte Schockmomente setzt. Dass die Geistergeschichte eng verknüpft ist mit dem persönlichen Schicksal des Protagonisten, hätte Hauptdarsteller Radcliffe Schauspielkunst abverlangt. Doch egal ob Furcht, Neugierde oder Wahnsinn - der "Harry Potter"-Star spielt alle Regungen mit demselben leeren Gesichtsausdruck. Es könnte sich also schon bald erledigt haben mit der nachhaltigen Karriere.

    "Die Frau in Schwarz" von James Watkins - zwiespältig!