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"Häme auf die Polizei auszuschütten ist nicht angebracht"

Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, verteidigt seine Kollegen gegen Vorwürfe einer möglichen Ermittlungspanne im Fall des "Phantoms von Heilbronn". Die mehrfach aufgetauchte DNA einer Frau sei auch von der Polizei als kriminalistisch nicht plausibel eingestuft worden.

Konrad Freiberg im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Seit zwei Jahren sucht die Polizei in Deutschland fieberhaft das "Phantom von Heilbronn". Das ist eine Frau, angeblich eine Frau, deren DNA schon an etwa 40 Tatorten gefunden sein soll. Jetzt zeichnet sich ab, das Phantom gibt es wohl gar nicht, sondern wohl eher eine Ermittlungspanne. Die DNA-Spuren gehen wahrscheinlich auf verunreinigte Wattestäbchen zurück, mit denen die Ermittler die DNA-Spuren aufgenommen haben. – Am Telefon begrüße ich Konrad Freiberg. Er ist Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen, Herr Freiberg.

    Konrad Freiberg: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Glauben Sie noch an das "Phantom von Heilbronn"?

    Freiberg: Ich glaube, die Hinweise verfestigen sich tatsächlich, dass hier verschmutzte Wattestäbchen mit einer fremden DNA an den Tatorten hinterlassen worden sind. Das muss natürlich noch weiter aufgeklärt werden, ob das tatsächlich so ist, aber ich glaube, dass diese Richtung sicherlich richtig sein dürfte.

    Meurer: Gab es in Polizeikreisen schon irgendwelche Diskussionen in den letzten Monaten, dass den Experten 40 DNA-Spuren, aber sonst überhaupt keine Hinweise auf die Identität, ein bisschen rätselhaft vorkamen?

    Freiberg: Ja. Natürlich gab es diese Diskussionen, sogar sehr, sehr intensiv, weil alles Spurenmaterial, die Spurenlage kriminalistisch nicht plausibel war. Wir hatten verschiedene Tatorte, verschiedene Taten, die alle nicht zusammenpassten, verschiedene Mittäter in verschiedenen Ländern. Deswegen war natürlich die Prüfung da, gibt es irgendwo verschmutzte DNA – ich darf das mal so einfach sagen -, und das LKA hat dieses ja auch versucht, zu überprüfen, wo gab es Schnittstellen, wo gab es Schnittstellen bei dem Material, was die Polizei erhalten hat, die Wattestäbchen. Alles das ist ja geschehen. Von dorther hat sich etwas bestätigt, was viele angenommen haben, aber bisher nicht beweisen konnten.

    Meurer: Wieso ist das erst jetzt herausgekommen?

    Freiberg: Das ist natürlich rausgekommen, indem man jetzt bei jemandem eine DNA-Spur feststellt, der schon tot ist, und von dorther war klar: Es kann nicht sein, diese DNA-Spur kann nicht richtig sein.

    Meurer: Genau! Der Tote war ein Mann.

    Freiberg: Genau, der Tote war ein Mann. Und jetzt muss natürlich die Fahndung tatsächlich neu aufgenommen werden. Wir suchen immerhin noch mehrere Mörder und eine Mörderin oder einen Mörder von einer Polizistin in Heilbronn. Das Ganze ist sehr, sehr bedauerlich, das muss ich Ihnen deutlich sagen, es löst Betroffenheit aus dabei, aber ich glaube, Häme auf die Polizei auszuschütten ist nicht angebracht.

    Meurer: Das ist jetzt Ihr Job als Gewerkschaftsvorsitzender, aber ist es trotzdem peinlich für die Polizei?

    Freiberg: Das Wort "peinlich" ist sicherlich etwas sehr Schwieriges, aber ich will mal sagen, Betroffenheit löst es aus und man muss jetzt natürlich prüfen, ob vorwerfbares Versagen vorliegt. Aber wichtig ist, dass wir jetzt neue Ermittlungen in alle Richtungen aufnehmen, denn wir suchen noch eine Reihe von Tätern.

    Meurer: Wie oft kommt das grundsätzlich vor, Herr Freiberg, dass DNA-Spuren verunreinigt sind?

    Freiberg: Mir ist bisher kein Fall bekannt dabei und in dieser Größenordnung gab es das ganz sicherlich noch nicht dabei. Und wie gesagt, auch diesen Hinweisen wurde immer nachgegangen. Man konnte das bloß bisher noch nicht feststellen. Man möge Verständnis haben, dass wir jetzt sozusagen erst mal dieses endgültig feststellen wollen, wo Verschmutzungen stattgefunden haben, und dann müssen wir die Fahndung neu aufnehmen, damit wir die Mörderin oder den Mörder finden.

    Meurer: Die Finger zeigen ja ein bisschen in Richtung der Firmen, die diese Tests anbieten. Wissen Sie, wie viele Firmen in Deutschland solche DNA-Tests der Polizei zuliefern?

    Freiberg: Es gibt verschiedene Firmen in Deutschland. Die Länder haben meist eigene Verträge dabei. Das muss natürlich jetzt alles überprüft werden, weil in dieser Dimension haben wir so etwas auch noch nicht kennen gelernt. Aber wie gesagt, die Polizei muss grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Material, was sie zur Arbeit zur Verfügung gestellt bekommt, sauber ist, so darf ich das mal ausdrücken, nicht verschmutzt ist. Das ist sicherlich etwas, wovon jeder Polizist erst mal ausgehen muss.

    Meurer: In der Praxis, wenn es angewandt wird, muss man sich das so vorstellen wie im Krimi. Der Kommissar holt den Plastikbeutel heraus, dann wird das Wattestäbchen genommen und man nimmt einen DNA-Abdruck.

    Freiberg: Das ist nicht nur im Krimi so, das ist in der Wirklichkeit auch so. Das ist verpacktes Material, und deswegen muss man davon ausgehen, dass dieses sorgfältig verpackt ist und dass dieses nicht verschmutzt ist. Deswegen kann man grundsätzlich darauf vertrauen.

    Meurer: Besteht auch die Möglichkeit, dass der jeweilige Polizist das Wattestäbchen mit seinen bloßen Fingern anfasst und es dann verunreinigt?

    Freiberg: Natürlich besteht die Möglichkeit, aber die Leute, die Polizisten, die dieses anwenden, sind Profis und von dorther kann man dieses ausschließen. Und wenn das mal passieren sollte, DNA überprüft man natürlich auch die eigene DNA dabei.

    Meurer: Das war Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, zu den neuen Berichten, wonach es das "Phantom von Heilbronn", jene Serientäterin, überhaupt nicht gibt, sondern das alles eher eine Panne und auf Verunreinigungen eines oder mehrerer Wattestäbchen zurückzuführen ist. Herr Freiberg, schönen Dank und auf Wiederhören.

    Freiberg: Herr Meurer, ich bedanke mich.