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Hämocyanin: Sauerstoff-Transporter bei blaublütigen Tieren

Das Molekül dieser Woche heißt Hämocyanin. Klingt so ähnlich wie Hämoglobin, unser roter Blutfarbstoff. Gar kein so schlechter Tipp! Hämocyanin hat genau die gleiche Funktion. Das Biomolekül bindet und transportiert Sauerstoff durch den Körper. Zum Beispiel durch den von Tintenfischen, Schnecken und Skorpionen. Diese Tiere könnten glatt als adelig durchgehen. Denn sie sind tatsächlich blaublütig. Schuld daran ist Hämocyanin.

Von Volker Mrasek |
    Jaenicke: "Zwölf Stunden Licht. Zwölf Stunden Nacht. 22 Grad das ganze Jahr."

    So lässt es sich aushalten, wenn man eine Wüstenvogelspinne ist. 200 der Achtbeiner halten der Biophysiker Elmar Jaenicke und einige andere Forscher in einem Kellerraum an der Universität Mainz.

    Jaenicke: "Jetzt gehen wir erstmal rein und schalten den Lufttrockner aus, der hier täglich fünf Liter Wasser aus der Luft abpumpt."

    Für die Spinnen gibt es alle 14 Tage ein Heimchen als Futter. Und:

    Jaenicke: "Die Blutabnahme ist immer montags um zehn. An dem Blut von den Tieren sind wir interessiert."

    Auch darin zirkuliert nämlich Hämocyanin.

    Decker: "Das Hämocyanin selber ist blau, wenn's Sauerstoff gebunden hat."

    Heinz Decker, Direktor des Instituts für Molekulare Biophysik an der Mainzer Uni.

    Decker: "Ist zurückzuführen auf die unterschiedlichen aktiven Zentren. Während bei Hämoglobin Sauerstoff über Eisen gebunden wird, wird bei Hämocyanin Sauerstoff zwischen zwei Kupferatome eingespannt."

    Helfer: "Ich öffne die Box mit der Spinne, lege sie auf den Tisch."

    Decker: "Hämocyanin gehört zu den größten natürlich vorkommenden Proteinkomplexen. Es hat fast die Größenordnung von Viren. Es bedarf einfach einer gewissen Größe, um nicht über eine Niere ausgeschieden zu werden."

    Helfer: "Dann fixiere ich die Spinne am Hinterleib."

    Decker: "Die Form ist hochinteressant aus den Weichtieren. Eine kleine Nanoröhre."

    Helfer: "So ein bisschen bewegt sie sich noch, das ist kein Problem."

    Decker: "Zum Beispiel hat man jetzt auch schon versucht, in diesen Hohlraum bestimmte andere Stoffe zu bringen, um daraus dann, sagen wir mal, ganz kleine Drähte oder so was zu spinnen. In der Nanotechnologie wird das halt umgesetzt."

    Helfer: "Weiterhin fixieren wir mit einer Zange noch mal die Beine."

    Decker: "Hämocyanine sind im biomedizinischen Bereich noch von besonderer Bedeutung. Denn sie dienen dazu, um zum Beispiel Blasenkrebs zu behandeln."

    Helfer: "Und jetzt haben wir die Möglichkeit, das Blut zu entnehmen."

    Decker: "Wenn Sie Blasenkrebs haben, dann wird der Blasenkrebs ausgeschabt und dann die Blase mit einer Hämocyanin-Lösung noch mal durchspült und damit auch die letzten Krebszellen irgendwie noch, ja, eliminiert."

    Jaenicke: "Das blaue Blut der Vogelspinne kommt da wirklich blau aus der Spinne heraus."

    Decker: "Hämocyanin ist ein Stoff, der einfach in Wirbeltieren nicht vorkommt. Deswegen wird ein Immunsystem sofort sich auf dieses Hämocyanin stürzen, weil es dieses als fremd erkennt."

    Biophysiker, Nanotechnologen, Immunologen - sie alle interessieren sich für den Sauerstoff-Transporter der Weich- und Spinnentiere. Doch warum gibt es überhaupt beide - rotes Hämoglobin und blaues Hämocyanin?

    Decker: "Ja, das ist wirklich die Frage, hinter der sehr viele Leute her sind."

    Schlüssig beantwortet ist sie bisher nicht.

    Jaenicke: "Jetzt kriegt sie noch ein Extra-Heimchen. Und dann wartet sie auf die nächste Blutentnahme."