Wenn ich Ihnen für die heutige Ausgabe unserer CD-Vorstellungsreihe die "Jahreszeiten" ankündige, denken Sie vermutlich an das große Oratorium von Joseph Haydn, an Klavierstücke von Peter Tschaikowsky oder an Antonio Vivaldis berühmte Violinkonzerte. Doch heute geht es, Musikwissenschaftler aller Länder merket auf, um die Jahreszeiten von Georg Friedrich Händel. Und da spielt neben dem Orchester eine Oboe die Hauptrolle.
" Georg Friedrich Händel - 4. Satz- Allegro aus: "Verdi prati" (Frühlings-Concerto) "
"New Seasons" - so nennt Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, seine neueste CD, die bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft erschienen ist. Sie bietet 23 Stücke für Oboe und Orchester zwischen knapp einer und fast sechs Minuten Länge, die allesamt aus der Feder von Georg Friedrich Händel stammen. Doch beim aus Halle gebürtigen Londoner Barockmeister sind es ursprünglich keine Oboen-Werke, sondern Arien aus Opern und Oratorien oder Teile von Orgelkonzerten. Albrecht Mayer und sein Arrangeur Andreas N. Tarkmann haben sie für Oboe eingerichtet und die Einzelstücke nach bestimmten Tempo- und anderen Eigenschaften zu vier- oder fünfsätzigen Konzerten zusammengestellt, denen sie mit viel Fantasie dann noch eine Art außermusikalisches Programm verpassten - eben die vier Jahreszeiten mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Da steht dann zum Beispiel die Arie "Hence, Iris, hence away" aus Händels Oratorium "Semele" für den im Herbst typischen Sturm, der nicht nur in der Natur für gehörigen Wirbel sorgt, sondern auch eine Auflehnung gegen herbstliche Anfälle von Depression darstellen soll, ein "Aufflackern der einstigen Kräfte und Unbeschwertheit".
" Georg Friedrich Händel - 3. Satz: Allegro "Hence, Iris, hence away" aus: "Voli per l'aria" - Herbst-Concerto für Oboe, Streicher und Basso continuo "
Mit Bearbeitungen handelt man sich - zumal in Deutschland - immer wieder besonders schnell ausgesprochen harsche Kritik ein. Und Albrecht Mayer ist ein "Wiederholungstäter", hat er doch bereits vor drei Jahren unter dem Motto "Lieder ohne Worte" Bach-Transkriptionen für Oboe und Orchester herausgebracht. Damit schaffte er es zwar hoch in die so genannten deutschen Klassik-Charts, sah sich aber dem Vorwurf ausgesetzt, ein "fragwürdiges Bach-Surrogat" geschaffen zu haben. Ein Kritiker damals wörtlich: "Vergoldet mit allen kammermusikalischen Finessen ... wird aufgrund eines recht anfechtbaren Bach-Verständnisses das Schaffen des Thomaskantors als ein Potpourri romantisierender "Lieder ohne Worte" auf einen zwar schön anzuhörenden, aber fragwürdigen Schmuse- und Kuschelkurs gebracht." Der damalige Vorwurf, schon aufgrund der in der Mehrzahl langsamen Titel gehöre die CD zur Sparte der esoterischen Meditations- und Entspannungsmusiken, trifft auf die neue Händel-CD nicht zu, denn hier gibt es ebenso viele schnelle, ja dramatische Teile wie langsame. Aber auch hier besteht natürlich wieder die Gefahr, dass wir Albrecht Mayers wunderschönem Spiel wie die Kinder im Märchen dem Rattenfänger von Hameln erliegen. Vielleicht kommt das daher, dass er, wie ein anderer Kritiker meinte, seine Oboe "zum Verführungsinstrument erhebt". Die Frauen, jedenfalls eine ihrer größten Zeitschriften, liegen dem Berliner Bläser zu Füßen. "Brigitte" über Mayers Händel: "Die schönste Klassik-CD des Jahres! Nein, ich übertreibe nicht. Was die Sinfonia Varsovia und Albrecht Mayer mit seiner Oboe auf der CD "New Seasons" hier vorlegen, ist einfach zum Niederknien." Knien wir mit. Auch wenn wir Männer das mit der schönsten Klassik-CD vielleicht doch für etwas übertrieben halten.
" Georg Friedrich Händel - Largo "Will the Sun Forget to Streak" aus "Solomon" aus: "Voli per l'aria" (Herbstkonzert) "
Mayer beugt bereits im Booklet seiner neuen Händel-CD möglicher Kritik vor. Er beruft sich auf die nicht zu leugnende Tatsache, dass Barockmeister oft schon aus der Not heraus, schnell komponieren zu müssen, Teile aus früheren Kompositionen umbesetzten und auch im Charakter deutlich veränderten, so dass im Extremfall aus einem ausgelassenen Tanzlied ein todgetränkter Choral wurde, er verweist auf die gängige Praxis von Pasticcio oder Parodie, die es Händel erlaubte, in rascher Folge Opern zu schreiben, von denen bisweilen nur ein Teil aus neu komponierter Musik bestand, während er für den Rest auf besonders beliebte Stücke aus anderen Opern zurückgriff. Außerdem erteilt ihm Alte-Musik-Papst Nikolaus Harnoncourt in einem Grußwort die Absolution: "Man staunt," schreibt Harnoncourt, "was in den Opern und Oratorien für konzertantes, ja authentisch-konzertantes Material schlummert." Und - Hand aufs Herz: freuen nicht auch wir umtriebigen Musikliebliebhaber, die immer auf der Suche nach Neuem sind, uns ab und zu über einen beliebten, barocken Evergreen in neuem Gewand, zumindest, wenn er so musikalisch wie hier daherkommt?
" Georg Friedrich Händel - Country Dance aus: Water Music "
Albrecht Mayer kann eigentlich mit sich und der Welt zufrieden sein. Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern, beliebter Kammermusikpartner und viel gefragter Solist bei großen Dirigenten. Aber er möchte sein Instrument mit all seinen Möglichkeiten, seinem Farben- und Klangreichtum, noch mehr ins Rampenlicht bringen. Er möchte auch Stücken, die für andere Instrumente oder für Gesang geschrieben wurden, seine "Stimme" geben. Zunächst hat er bei Bach gesucht, jetzt bei Händel. Aber gerade im heute gängigsten Konzertrepertoire des 19. Jahrhunderts gibt es kaum Konzerte für Oboe und Orchester, nicht von Schubert, Schumann, Beethoven oder Brahms. Wird er da auch bald tätig werden? Da wird es mit einem Pasticcio oder einer Parodie allerdings schwierig werden. Denn zu der Zeit hat sich der Begriff des hehren, unantastbaren musikalischen Werkes längst etabliert. Einstweilen "trösten" wir uns mit Händel. Und den gibt es zum Abschluss sozusagen auch im Doppelpack. Denn Mayers Händel'scher "Winter" ist ein Concerto für Oboe und Fagott. Es spielen Albrecht Mayer und Guilhaume Santana.
" Georg Friedrich Händel - 4. Satz: Minuet aus: "Piagge serene" - Winter-Concerto "
Die neue Platte - heute mit den "New Seasons", den "Neuen Jahreszeiten", zusammengestellt nach Musik von Georg Friedrich Händel vom Oboisten Albrecht Mayer und seinem Arrangeur Andreas N. Tarkmann. Als Orchester fungierte die Sinfonia Varsovia, die CD ist erschienen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
" Georg Friedrich Händel - 4. Satz- Allegro aus: "Verdi prati" (Frühlings-Concerto) "
"New Seasons" - so nennt Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, seine neueste CD, die bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft erschienen ist. Sie bietet 23 Stücke für Oboe und Orchester zwischen knapp einer und fast sechs Minuten Länge, die allesamt aus der Feder von Georg Friedrich Händel stammen. Doch beim aus Halle gebürtigen Londoner Barockmeister sind es ursprünglich keine Oboen-Werke, sondern Arien aus Opern und Oratorien oder Teile von Orgelkonzerten. Albrecht Mayer und sein Arrangeur Andreas N. Tarkmann haben sie für Oboe eingerichtet und die Einzelstücke nach bestimmten Tempo- und anderen Eigenschaften zu vier- oder fünfsätzigen Konzerten zusammengestellt, denen sie mit viel Fantasie dann noch eine Art außermusikalisches Programm verpassten - eben die vier Jahreszeiten mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Da steht dann zum Beispiel die Arie "Hence, Iris, hence away" aus Händels Oratorium "Semele" für den im Herbst typischen Sturm, der nicht nur in der Natur für gehörigen Wirbel sorgt, sondern auch eine Auflehnung gegen herbstliche Anfälle von Depression darstellen soll, ein "Aufflackern der einstigen Kräfte und Unbeschwertheit".
" Georg Friedrich Händel - 3. Satz: Allegro "Hence, Iris, hence away" aus: "Voli per l'aria" - Herbst-Concerto für Oboe, Streicher und Basso continuo "
Mit Bearbeitungen handelt man sich - zumal in Deutschland - immer wieder besonders schnell ausgesprochen harsche Kritik ein. Und Albrecht Mayer ist ein "Wiederholungstäter", hat er doch bereits vor drei Jahren unter dem Motto "Lieder ohne Worte" Bach-Transkriptionen für Oboe und Orchester herausgebracht. Damit schaffte er es zwar hoch in die so genannten deutschen Klassik-Charts, sah sich aber dem Vorwurf ausgesetzt, ein "fragwürdiges Bach-Surrogat" geschaffen zu haben. Ein Kritiker damals wörtlich: "Vergoldet mit allen kammermusikalischen Finessen ... wird aufgrund eines recht anfechtbaren Bach-Verständnisses das Schaffen des Thomaskantors als ein Potpourri romantisierender "Lieder ohne Worte" auf einen zwar schön anzuhörenden, aber fragwürdigen Schmuse- und Kuschelkurs gebracht." Der damalige Vorwurf, schon aufgrund der in der Mehrzahl langsamen Titel gehöre die CD zur Sparte der esoterischen Meditations- und Entspannungsmusiken, trifft auf die neue Händel-CD nicht zu, denn hier gibt es ebenso viele schnelle, ja dramatische Teile wie langsame. Aber auch hier besteht natürlich wieder die Gefahr, dass wir Albrecht Mayers wunderschönem Spiel wie die Kinder im Märchen dem Rattenfänger von Hameln erliegen. Vielleicht kommt das daher, dass er, wie ein anderer Kritiker meinte, seine Oboe "zum Verführungsinstrument erhebt". Die Frauen, jedenfalls eine ihrer größten Zeitschriften, liegen dem Berliner Bläser zu Füßen. "Brigitte" über Mayers Händel: "Die schönste Klassik-CD des Jahres! Nein, ich übertreibe nicht. Was die Sinfonia Varsovia und Albrecht Mayer mit seiner Oboe auf der CD "New Seasons" hier vorlegen, ist einfach zum Niederknien." Knien wir mit. Auch wenn wir Männer das mit der schönsten Klassik-CD vielleicht doch für etwas übertrieben halten.
" Georg Friedrich Händel - Largo "Will the Sun Forget to Streak" aus "Solomon" aus: "Voli per l'aria" (Herbstkonzert) "
Mayer beugt bereits im Booklet seiner neuen Händel-CD möglicher Kritik vor. Er beruft sich auf die nicht zu leugnende Tatsache, dass Barockmeister oft schon aus der Not heraus, schnell komponieren zu müssen, Teile aus früheren Kompositionen umbesetzten und auch im Charakter deutlich veränderten, so dass im Extremfall aus einem ausgelassenen Tanzlied ein todgetränkter Choral wurde, er verweist auf die gängige Praxis von Pasticcio oder Parodie, die es Händel erlaubte, in rascher Folge Opern zu schreiben, von denen bisweilen nur ein Teil aus neu komponierter Musik bestand, während er für den Rest auf besonders beliebte Stücke aus anderen Opern zurückgriff. Außerdem erteilt ihm Alte-Musik-Papst Nikolaus Harnoncourt in einem Grußwort die Absolution: "Man staunt," schreibt Harnoncourt, "was in den Opern und Oratorien für konzertantes, ja authentisch-konzertantes Material schlummert." Und - Hand aufs Herz: freuen nicht auch wir umtriebigen Musikliebliebhaber, die immer auf der Suche nach Neuem sind, uns ab und zu über einen beliebten, barocken Evergreen in neuem Gewand, zumindest, wenn er so musikalisch wie hier daherkommt?
" Georg Friedrich Händel - Country Dance aus: Water Music "
Albrecht Mayer kann eigentlich mit sich und der Welt zufrieden sein. Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern, beliebter Kammermusikpartner und viel gefragter Solist bei großen Dirigenten. Aber er möchte sein Instrument mit all seinen Möglichkeiten, seinem Farben- und Klangreichtum, noch mehr ins Rampenlicht bringen. Er möchte auch Stücken, die für andere Instrumente oder für Gesang geschrieben wurden, seine "Stimme" geben. Zunächst hat er bei Bach gesucht, jetzt bei Händel. Aber gerade im heute gängigsten Konzertrepertoire des 19. Jahrhunderts gibt es kaum Konzerte für Oboe und Orchester, nicht von Schubert, Schumann, Beethoven oder Brahms. Wird er da auch bald tätig werden? Da wird es mit einem Pasticcio oder einer Parodie allerdings schwierig werden. Denn zu der Zeit hat sich der Begriff des hehren, unantastbaren musikalischen Werkes längst etabliert. Einstweilen "trösten" wir uns mit Händel. Und den gibt es zum Abschluss sozusagen auch im Doppelpack. Denn Mayers Händel'scher "Winter" ist ein Concerto für Oboe und Fagott. Es spielen Albrecht Mayer und Guilhaume Santana.
" Georg Friedrich Händel - 4. Satz: Minuet aus: "Piagge serene" - Winter-Concerto "
Die neue Platte - heute mit den "New Seasons", den "Neuen Jahreszeiten", zusammengestellt nach Musik von Georg Friedrich Händel vom Oboisten Albrecht Mayer und seinem Arrangeur Andreas N. Tarkmann. Als Orchester fungierte die Sinfonia Varsovia, die CD ist erschienen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
CD:
Titel: Händel - "New Seasons"
Solist: Albrecht Mayer, Oboe
Orchester: Sinfonia Varsovia
Label: Deutsche Grammophon
Labelcode: LC 00173
Bestellnr.: 00289 476 5681
Solist: Albrecht Mayer, Oboe
Orchester: Sinfonia Varsovia
Label: Deutsche Grammophon
Labelcode: LC 00173
Bestellnr.: 00289 476 5681