Helmut Kohl: "Unsere Republik, die Bundesrepublik Deutschland, entstand im Schatten der Katastrophe. Sie hat inzwischen ihre eigene Geschichte. Wir wollen darauf hinwirken, dass möglichst bald in der Bundeshauptstadt Bonn, eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 entsteht, gewidmet der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation."
In der Regierungserklärung vom Oktober 1982 ließ Kanzler Kohl kulturpolitische Signale klar erkennen, die damals weder so hießen, noch so eingestuft wurden.
Erst als der Verleger Michael Naumann am Ende de Ära Kohl zum Anwärter eines Kulturstaatsministers unter Kanzlerkandidat Schröder gemacht wurde, erhob man Kulturpolitik zum Wahlkampfthema. Endlich gab es einen Ansprechpartner für Kultur auf Bundesebene und manch einer glaubte, in 16 Jahren Regierung Kohl hätte es keine Kulturpolitik gegeben. Bundestagspräsident Norbert Lammert, zugleich engagierter Kulturkenner, moniert:
"Es hat ja Phasen gegeben, vor allen Dingen in der Etablierung dieses neuen Amtes, bei denen man fast den Eindruck haben konnte, als entdecke nun endlich der Bund, sein Interesse an Kunst und Kultur."
Dabei gab es ein sonderbares Missverhältnis. Der Steigerung der Aufmerksamkeit für das neue Amt stand keine vergleichbare Steigerung im Bundeshaushalt gegenüber. Das war in der Regierung Kohl anders.
Kohl: Deutschland muss eine Kulturnation bleiben
Der Haushalt für Kulturpolitik des Bundes wurde in 16 Jahren Regierung Kohl vervierfacht. 1982 waren es 346 Millionen Mark, 1998 waren es 1,3 Mrd. Mark und zwar ohne die Auswärtige Kulturpolitik gerechnet.
Vergessen ist auch die Absicht von Bundesfinanzminister Theo Waigel aus dem Jahr 1993, den Etat für Kultur nahezu auf die Hälfte einzukürzen. Kanzler Kohl gebot Einhalt mit den schlichten Worten, Deutschland müsse eine Kulturnation bleiben. Christoph Stölzl, Gründungdirektor des Deutschen Historischen Museums und ehemaliger Berliner Kultursenator fasst die Leistungen der Kulturpolitik zusammen.
"Er hat gebaut, er hat eben, glaube ich aus, aus dieser großen Praxis als Landesfürst gewusst, wie unendlich lange Dinge brauchen von der Idee bis zur Verwirklichung, hat deswegen die Grundentscheidungen sehr schnell getroffen, also Bundeskunsthalle in Bonn, Haus der Geschichte und Deutsches Historisches Museum, aber auch das Engagement in den Gedenkstätten, also Wannsee-Villa und diese ganzen Berliner Gedenkstätten, das ist alles sehr früh da gewesen. Und er hat gewusst, das dauert unendlich lang, man hat keine Garantie, dass man wieder gewählt wird, nach vier Jahren kann es ja auch vorbei sein, drum müssen die unwiderruflichen Entscheidungen sehr früh fallen. Das ist eigentlich das Hauptverdienst der Kulturpolitik der Ära Kohl, die Bauentscheidungen sehr früh getroffen zu haben, und vor allem die Haushaltsveränderungen."
Namen der Kulturpolitiker wurden nicht an die große Glocke gehängt
Heute zählen die genannten Museen zu den best besuchten des Landes. Freilich gab es auch Kritik bei der Konzeption etwa der Neuen Wache in Berlin, als Kohl eigenmächtig eine Käthe Kollwitz Plastik vergrößern und dort zentral aufstellen ließ.
Im Kanzleramt gab es in der Person von Staatsminister Anton Pfeiffer indirekt einen Kulturpolitiker, im Bundesinnenministerium gab es auch engagierte Kulturpolitiker. Nur: Keiner kannte sie und ihre Politik wurde nicht an die große Glocke gehangen.
Sie hieß nicht so, sagt Wolfgang Bergsdorf, ehemaliger Chef des Bundespresseamtes und Leiter der Abt. K im Bundesministerium des Innen: "K" wie Kultur. Alle Museumschefs bestätigen, inhaltlich habe Kohl nie reingeredet.
Der Unionskenner und Politikwissenschaftler Gerd Langguth zum Bund-Länder Verhältnis:
"Die Möglichkeiten der Bundesrepublik Kulturpolitik zu machen, waren aus seiner Sicht ja sehr begrenzt. Er konnte nur Entscheidungen treffen, nach seiner Meinung, die speziell die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland als solche angingen. deswegen auch die Erinnerungskultur, die er ja stark forciert hat. Ich glaube nicht, dass zu seiner Zeit die Kulturpolitik des Bundes eine "Sahelzone" in Deutschland war. Es wurde vielmehr gemacht und viel mehr finanziert, beispielsweise die Bamberger Symphoniker aus Bundesmitteln, aber das hat man nicht laut gesagt, weil ja das als Eingriff in die Kulturautonomie des Länder hätte betrachtet werden können."
Keinen erkennbaren intellektuellen Rechtsruck unter Kohl
Insgesamt sind die Verdienste der Kulturpolitik unter Kanzler Kohl also geschichtspolitischer Natur. Er hat Häuser gegen das Vergessen gebaut, für die Stärkung der Demokratie und des historischen Bewusstseins. Auch links-liberale Kommentatoren räumten ein, trotz Botho Strauß´ Bocksgesang und Kohls Besuch bei Ernst Jünger, habe es einen erkennbaren intellektuellen Rechtsruck unter Kohl nicht gegeben.
Er war im übrigen der einzige Kanzler, der bei kulturpolitischen Anhörungen oder Bundestagsdebatten persönlich anwesend war und mit dafür gesorgt hat, dass es wieder einen Kulturausschuss im Bundestag gibt.