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Häusliche Gewalt
Erschwerte Wohnungssuche für gewaltbedrohte Frauen

Eine Wohnung, die Sicherheit bietet – eigentlich ein Grundrecht. Aber für viele ist das keine Selbstverständlichkeit. Gerade jetzt während der Corona-Pandemie ist die Sorge groß, dass es vermehrt häusliche Gewalt gibt. Die Initiative Step 2 in Köln hilft betroffenen Frauen, eine Bleibe zu finden.

Von Stephanie Gebert |
Die Hände einer jungen Frau, die auf Wohnungssuche ist, pint einen Zettel an einen Baum, auf dem steht: "Mutter und Kind suchen 2-3 Zimmer Wohnung".
Während der Corona-Krise steigt die Hilfsbereitschaft von einigen Vermietern (picture allaince / dpa / Rolf Kremming)
"Ich bin nach Deutschland gekommen, aber es gab keine richtige Wohnung, nur ein Zimmer. Keine Matratze, kein Bett, ich musste auf dem Boden schlafen. Keine Küche, gar nichts. Und dann war ich schwanger und er hat mir wenig zu essen gegeben. Kein warmes Essen, sondern nur kalte Milch und Brötchen."
Sie habe gelebt wie ein Tier, so erzählt Mirja ihre Geschichte. Die junge Frau will ihren richtigen Namen nicht verraten – aus Angst vor ihrem Ex-Mann. Die hochgewachsene Frau mit den dichten schwarzen Haaren aus Nordafrika heiratete im Sommer 2015 in der Heimat und folgte ihrem Mann nach Deutschland, wo er ihr ein besseres Leben versprach.
Er behauptete, einen guten Job als Ingenieur zu haben, ein Auto und eine Wohnung in Bonn. Doch nichts davon fand Mirja vor. Stattdessen jobbte ihr Partner in einem kleinen Restaurant, über dem er für sich und Mirja ein Zimmer gemietet hatte. Er verschloss die Tür, wenn er arbeiten ging, kappte das Internet und kam nach vielen Stunden betrunken und aggressiv nach Hause zurück.
Die Ministerin für Justiz und Gleichstellung in Sachsen-Anhalt, Anne-Marie Keding spricht am 07.06.2017 in Weimar (Thüringen) mit Frauen, die für einen größeren Schutz und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und deren Kindern demonstrieren. Die Kundgebung findet am Rande einer zweitägigen Tagung der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz der Länder statt.
Unternehmen gegen häusliche Gewalt - Der Arbeitsplatz als Zufluchtsort
Wenn Mitarbeiter Opfer häuslicher Gewalt sind, dann ist ihr Arbeitsplatz oft ein Zufluchtsort für sie. Mehrere Großunternehmen wollen den bei ihnen beschäftigten Betroffenen nun besser helfen. Wie wichtig die Rolle der Betriebe ist, hat jetzt eine Studie gezeigt.
"Okay, helft mir bitte"
Mehrfach hat er Mirja geschlagen, getreten und gequält. Nachbarn retteten sie nach einer nächtlichen Attacke und brachten sie in die Notaufnahme.
"Ich bin etwa vier Tage im Krankenhaus geblieben, dann hat der Arzt gesagt: jetzt ist wieder alles in Ordnung bei dir und auch dem Baby. Was willst du machen? Ich habe gesagt: Ich gehe zurück in meine Wohnung. Ich habe zwar Angst, aber wohin soll ich gehen? Es gibt keinen anderen Ort für mich. Der Arzt sagte: Bei uns gibt es Hilfe, zum Beispiel im Frauenhaus. Und da habe ich eingewilligt: Okay, helft mir bitte."
Mijra zog in ein autonomes Frauenhaus. Das war ihre Rettung – weg vom Ehemann, von der Gewalt und mit der Hoffnung auf ein neues, selbstbestimmtes Leben. Auf dem Weg dorthin sollte das Frauenhaus nur eine Zwischenstation sein. Doch Mirja blieb etwa zwei Jahre lang dort, brachte hier ihr Kind zu Welt. Sie war zwar in Sicherheit, aber auch in beengten Verhältnissen, die ihr psychisch zusetzten:
"Dieses Frauenhaus hat zehn Frauen beherbergt und zehn Religionen, zehn Nationalitäten. Eine Frau ist sauber, will alles sauber machen. Eine andere geht auf die Toilette und lässt alles schmutzig. Ist ihr alles egal und sie will nicht putzen. Das war schlimm für mich. Ich konnte das kaum aushalten und akzeptieren."
" Das ist leider keine Seltenheit. Viele Frauen sind bereit aus dem Frauenhaus auszuziehen, aber finden einfach keine Wohnung", erzählt Sozialarbeiterin Maren Benner:
"Und deshalb gibt es auch Step 2. Dass Frauen schneller wieder ausziehen können und dadurch schneller wieder Frauenhaus-Plätze frei werden und denen geholfen werden kann, die in Not sind."
Gewalttätige Partner halten sich nicht immer an Kontaktsperre
Step 2 – das ist eine Initiative der Diakonie Michaelshoven in Köln und dem Sozialdienst katholischer Frauen. Sie unterstützt Frauen dabei, eine eigene Wohnung zu finden. Manche sind wie Mirja bereits in einem Frauenhaus untergekommen. Andere aber leben noch in ihrem bisherigen Umfeld. Dann ist der Druck besonders groß. Denn auch wenn die Frauen sich juristisch gewehrt haben, halten sich gewalttätige Partner nicht immer an mögliche Kontakt- oder Annäherungsverbote der Polizei, so die Erfahrung von Sozialarbeiterin Benner:
"Der Typ stalked die weiterhin und die müssen weg. Oder auch aufgrund der Traumata, die sie erlebt haben, ist es einfach nicht sinnvoll für die Psyche, oder die Stabilisierung der Frauen, wenn sie in dieser Wohnung bleiben. Dann ist es oft notwendig, dass sie einen kompletten Neuanfang haben in einer neuen Wohnung."
Aber es herrscht bekanntermaßen Wohnungsnot – vor allem in Ballungsgebieten und Großstädten. Und die Konkurrenz auf dem Markt ist groß. Da haben es ihre Klientinnen, die oft auch Kinder haben, schwer eine neue Bleibe zu finden, erzählt Anja Clingen – ebenfalls Mitarbeiterin bei Step 2:
"Dass es in Wohnungsanzeigen heißt: Das ist eine große Wohnung. Und man denkt sich: Oh wow, toll, da kann man einen Kontakt aufbauen. Und dann steht da: Aber bitte nur an ein Paar. Und man denkt sich: Warum braucht ein Paar eine 4-Zimmer-Wohnung?"
Negative Schufa-Auskunft: ein Problem
Hinzu kommt, dass viele betroffene Frauen nur ein geringes oder kein eigenes Einkommen haben. Und eine weitere Hürde: Die negative Schufa-Auskunft.
"Die ist nicht selten negativ, muss man sagen, weil der Partner auf den Namen der Frauen einen Handyvertrag oder sonstiges abgeschlossen hat. Aber das ist zum Beispiel schon ein No-go. Viele Vermieter sagen: Nein, ein negativer Schufa-Eindruck reicht schon aus. So einen Mieter wollen wir nicht haben.
Hier setzt die Initiative Step 2 an. Das Team baut Vertrauen zu den Genossenschaften und potentiellen Vermieterinnen und Vermietern auf, regelt den Erstkontakt und bereitet die Frauen auf die Besichtigung vor. Dazu gehört, dass sie gemeinsam mit den Frauen die nötigen Unterlagen – Schufa-Auskunft, Wohnberechtigungsschein, Einkommensnachweise – sortieren.
Vermieter in Sorge vor "schlagendem Mann"
Und auch der Besichtigungstermin wird trainiert. Selten, so erzählt Anja Clingen, sei es hilfreich, die Mitleidskarte zu ziehen und dem Vermieter oder Makler von der Gewalt durch den Partner zu erzählen:
"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass teilweise die Vermieter eher die Sorge haben: Oh Mann, der schlagende Mann schlägt bei uns auf und macht bei uns Krawall in der Wohngemeinschaft."
Sie rate den Frauen deshalb beim Gespräch großes Interesse zu zeigen und sich von der Masse abzuheben, indem sie viele Fragen zur Wohnung stellen, sagt Clingen. Der erste gute Eindruck zählt, bestätigt Uwe Frank vom Mietservice der Antoniter Siedlungsgesellschaft – eine Wohnungsbaugesellschaft der evangelischen Kirchen in Köln. Er hat bereits Frauen von Step 2 eine Wohnung vermittelt:
"Erstmal ist das Gespräch sehr wichtig. Ich möchte schon wissen, mit wem habe ich es hier zu tun. Und dann muss ich natürlich abwägen, passt diese Person, passt das in die Anlage. Deswegen ist es wichtig, dass die Leute im Nachhinein betreut werden."
Größere Hilfsbereitschaft in Corona-Pandemie
Und diese Betreuung wird auch von den Sozialarbeiterinnen von Step 2 übernommen, wenn nötig. Und dieses Engagement macht sich offenbar bezahlt. In den vergangenen Wochen, seit Ausbruch der Corona-Pandemie, gibt es vermehrt Angebote von Vermietern, erzählt Anja Clingen. Die seien sensibilisiert und zeigten große Hilfsbereitschaft, die hoffentlich auch nach der Krise weiter anhalte.
Schon im Januar dieses Jahres konnte Mirja aus dem Frauenhaus ausziehen. Mithilfe der Initiative hat die 34-Jährige den nächsten Schritt getan. Mit einem schüchternen Lächeln erzählt sie von Plänen erstmal Deutsch zu lernen und dann einen Beruf und wie wertvoll die eigenen vier Wände sind:
"Das ist wichtig für alle Leute. Weil du dort deine Ruhe hast und du kannst machen, was du willst. Du kannst schlafen, Musik hören oder Fernsehgucken. Für mich ist die eigene Wohnung wie ein Paradies, wo ich mich geschützt fühle und so."