Die 160.000-Einwohner-Stadt Silivri liegt 70 Kilometer westlich von Istanbul. Das Gefängnis ist einen Kilometer vom Marmarameer entfernt. Aus der Luft sieht der sogenannte Campus aus wie ein viel zu dicht besiedeltes Wohngebiet, vollgestopft mit gleichförmigen weißen Blocks mit roten Dächern. Bei genauerem Hinsehen fallen die hohen Außenmauern auf und die Patroullienstraße um das Gelände, etwa so groß wie 200 Fußballplätze.
Auf dem Gelände befinden sich zehn einzelne Haftkomplexe, auch für Frauen, dazu ein Krankenhaus und mehrere Gerichtssäle. Außerhalb der Mauern befinden sich 500 Dienstwohnungen für die Beschäftigten. Gebaut wurde es unter der AKP-Regierung. Seit seiner Eröffnung 2008 galt das Gefängnis als die größte Haftanstalt Europas. Bis zu 13.000 Gefangene können hier inhaftiert werden. Angesichts dieser Dimension fand Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu drastische Worte:
"Es ist wie ein Konzentrationslager des 21. Jahrhunderts. In der Türkei ein Oppositioneller zu sein, kann bedeuten sich in diesem Konzentrationslager in Silivri wiederzufinden."
Seit dem Militärputsch füllt sich das Gefängnis zusehends
Wie recht Kilicdaroglu haben sollte. Seit dem Militärputsch vom Sommer 2016 ist das Gefängnis zum Bersten voll. Bevorzugt werden hier sogenannte Terrorverdächtige eingesperrt, allen voran Anhänger der Gülen-Bewegung, die die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Der Komplex ist hermetisch abgeriegelt und mit modernster Überwachungstechnik ausgestattet.
Journalisten kommen hier normalerweise nur rein, wenn sie verhaftet worden sind. Einer Reporterin eines regierungsnahen türkischen Fernsehsenders ist es gelungen, einen Blick hinter die Gefängnismauern zu werfen. In ihrem Bericht, der beinahe wirkt wie ein Werbefilm für das Mega-Gefängnis, kommt auch der Leiter der Strafvollzugsbehörde Ali Demirtas zu Wort:
"Die Häftlinge werden hier in Dreier-Zellen oder Einzelzellen untergebracht. Die Einzelzellen sind in der Regel für Straftäter, die zu lebenslangem Arrest unter verschärften Bedingungen verurteilt wurden."
Can Dündar saß dort ein, Deniz Yücel ist immer noch drin
Es gibt 38 Einzelzellen. Bekanntester türkischer Häftling für das deutsche Publikum war der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar. Er verbrachte Ende 2015/Anfang 2016 drei Monate in Untersuchungshaft in Silivri. Das Gefängnis beschreibt er als "Internierungslager um Erdogan-Gegner zusammenzufassen". Aus seiner Einzelzelle heraus hatte er keinen Sichtkontakt zu anderen Gefangenen. Sich etwas über den Flur zuzurufen, das sei möglich gewesen, sagt Dündar. Sehen könne man aus dem winzigen Innenhof der Zelle, dem sogenannten Garten, nur den Himmel. Auch andere prominente Journalsiten wie Ahmet Sik oder "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sitzen in Silivri ein.
Die Besuchsmöglichkeiten sind für die Untersuchungshäftlinge im Hochsicherheitsbereich, dem sogenannten F-Block, stark eingeschränkt und nur im Beisein eines Wärters möglich. Im normalen Haftbereich, dem sogenannten L-Block, geht es etwas humaner zu, erklärt der Block-Leiter, Ramiz Atug, im Bericht der türkischen Fernsehreporterin.
"Verurteilte Häftlinge können sich mit Verwandten bis zum dritten Grad treffen. Drei Mal pro Monat haben sie das Recht auf ein geschlossenes Treffen und ein Mal auf ein direkten Kontakt. Hier sehen wir gerade solch ein geschlossenes Treffen. Es gibt ein schalldichtes Glas zwischen dem Besucher und dem Häftling, sie sprechen durchs Telefon. Die Besuchszeit schwankt zwischen einer halben und höchstens einer Stunde."
Inzwischen dient Silivri als Muster für moderne türkische Haftanstalten. Der Bedarf an Haftplätzen ist angesichts der immer noch andauernden Verhaftungswelle von Oppositionellen und Terrorverdächtigen enorm. Landesweit sind deshalb 179 neue Haftanstalten im Bau oder in Planung.