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Hahn oder Henne?

In der Geflügelzucht sind männliche Küken ökonomisch unerwünscht: Sie legen keine Eier und nehmen kaum an Gewicht zu. Daher werden sie nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet, ohne Rücksicht auf den Tierschutz. Eine Geschlechtsbestimmung im Ei könnte das verhindern.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    Eintagsküken, so heißen die Männchen aus der Legehennenzucht. Denn sie werden, kurz nachdem sie geschlüpft sind, getötet. 40 Millionen sind es jährlich. Das ist zum einen unwirtschaftlich und zum anderen verstößt es gegen den Tierschutz.

    Deshalb entwickeln Tiermediziner einen Test, um das Geschlecht schon im Ei zu bestimmen. Professor Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Direktorin der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig, leitet dieses Forschungsprojekt. Die Wissenschaftler verfolgen dabei zwei unterschiedliche Verfahren. Das erste funktioniert bereits, so Krautwald-Junghanns:

    "Das kann man sich so vorstellen wie ein Schwangerschaftstest bei der Frau. Wir können also ab dem siebten Bebrütungstag aus diesem embryonalen Harnsack ein bisschen Flüssigkeit entnehmen und dann im Moment Östrogen - also geschlechtsspezifische Hormone bestimmen. Weibchen hat Östrogen, die Weiblichen würden wir dann weiter aufziehen und die Männlichen würden wir gar nicht sich entwickeln lassen."

    Theoretisch geht dieser Test sehr schnell. Doch praktisch ist es ein enormer Aufwand. Um auch für kommerzielle Brütereien praxistauglich zu sein, müssen Geräte entwickelt werden, die gleichzeitig bis zu 150 Eier automatisch testen können. Ein Mitarbeiter könnte die Eier dann palettenweise aus dem Brutwagen nehmen, automatisch markieren, anstechen und die Harnsackflüssigkeit untersuchen lassen und wieder in den Brutwagen zurückstellen. Dann heißt es: Auf das Ergebnis warten und anschließend die Eier mit den Eintagsküken aussortieren. Die Forscher stecken viel Hoffnung in dieses Verfahren, sagt Krautwald-Junghanns:

    "Also wir wissen, dass wir das Geschlecht bestimmen können. Wir wissen auch, dass die Tiere sich gut weiterentwickeln, die solchermaßen beprobt wurden im Ei. Weil, das muss ja auch sein, die müssen ja sich dann gesund weiterentwickeln, müssen ja dann Legehennen werden. Wir haben es noch nicht im großen Versuch gemacht mit 100.000 Tieren, aber mit 500 schon gemacht, dass diese Methodik eigentlich steht."

    Doch sie hat noch einen Nachteil: Das Geschlecht kann erst am siebten Bebrütungstag bestimmt werden. Zu diesem Zeitpunkt hat sich bereits ein Embryo entwickelt. Und das heißt: Die Eier können nicht mehr in der Nahrungsmittelindustrie weiterverwendet werden. Für den Tierschutz ist die Geschlechtsbestimmung am siebten Tag aber schon ein Fortschritt:

    "Man sagt ab dem zehnten Bebrütungstag hat der Embryo schon Nerven entwickelt. Und man geht dann, ab dem zehnten Bebrütungstag, davon aus, dass er auch Schmerzen empfindet. Das heißt, dann hätten wir wieder so ein tierschutzrelevantes Problem."

    Am liebsten wollen die Forscher das Geschlecht bestimmen, bevor das Ei bebrütet wird - also am Tag null. Denn zu diesem Zeitpunkt hat sich noch kein Embryo entwickelt, die Eier mit den männlichen Küken könnten also weiter vermarktet werden. Diese zweite Methode beruht auf bildgebenden Verfahren:

    "Erstmal machen wir ein kleines, wenige Millimeter großes Loch in die Kalkschale mittels eines bestimmten Lasers. Und dann kommen wir mit einem anderen bildgebenden Verfahren, der OCT, der Optischen Kohärenztomografie, die uns dann die Keimscheibe, aus der sich später der Embryo entwickelt, lokalisieren muss, berührungsfrei natürlich. Und wenn wir diese berühmte Keimscheibe lokalisiert haben, kommen wir mit der Infrarotspektroskopie und können dann in dieser Keimscheibe die unterschiedlichen DNA-Gehalte männlicher und weiblicher Zellen messen."

    Und zwar über die unterschiedliche Absorption des Lichtes. Doch ein Problem macht diese Methode sehr aufwendig, betont Krautwald-Junghanns:

    "Die Keimscheibe wandert. Das ist in der Literatur nie beschrieben worden, aber es ist halt ein Lebewesen, die liegt nicht immer am gleichen Platz. Sodass wir jetzt- wir wollen es ja einsetzen für Großeinsatz in Brütereien mit 100.000 Tieren pro Tag, die da schlüpfen - mathematische Modelle rechnen müssen, wie wir unsere Geräte einstellen, um dieser Wanderung der Keimscheibe gerecht zu werden."

    Denn momentan dauert es im Großeinsatz schlicht zu lange, die Keimscheibe zu finden - es dürfte also schwierig werden, mit dieser Methode Zehntausende Eier gleichzeitig zu untersuchen.

    Doch der erste Schritt ist jetzt erst einmal: Die Tiermediziner müssen in Großversuchen zeigen, dass sich die Küken, die so untersucht wurden, gesund weiterentwickeln. Erst im nächsten Schritt entwickeln Ingenieure dann standardisierte Geräte für den Großeinsatz. Bis die Geschlechtsbestimmung im Ei routinemäßig durchgeführt wird, werden wohl noch viele Jahre vergehen.