Archiv

"Haiyan"
Viele Philippiner müssen weiter auf Hilfe warten

Knapp eine Woche nach dem verheerenden Taifun auf den Philippinen sind viele Betroffene noch immer ohne Hilfe. Die Regierung in Manila und auch die UNO räumten ein, dass die Hilfe für die Opfer noch zu langsam anlaufe.

14.11.2013
    Die philippinische Regierung versprach nach heftiger Kritik an dem Katastrophen-Management nun eine möglichst rasche flächendeckende Versorgung der Sturmopfer. Verteidigungsminister Voltaire Gazmin erklärte gestern Abend in der Hauptstadt Manila, alle Betroffenen auf der schwer verwüsteten Insel Leyte sollten rasch die nötigen Hilfsgüter erhalten.
    Regierung und Behörden wehrten sich gegen Kritik an der mangelnden Versorgung der Menschen. Das Ausmaß der Sturmkatastrophe sei einfach zu überwältigend gewesen, hieß es.
    UNO hofft auf schnelle Verbesserungen bei der Hilfe
    Doch auch UNO-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos erklärte, die Hilfe für die Taifun-Opfer laufe zu langsam an. Die UNO-Mitarbeiter seien frustriert, dass die Hilfe auch sechs Tage nach dem Sturm "Haiyan" noch in der Hauptstadt Manila feststecke, sagte Amos. "Eine schnellere Auslieferung sicherzustellen, ist unsere erste Priorität." Sie hoffe auf deutliche Verbesserungen in den kommenden 48 Stunden.
    Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist noch immer nicht klar. Die Zahl der Toten liegt offiziell bei etwa 2275. Allein auf der am schlimmsten betroffenen Insel Leyte wurden bisher etwa 1790 Tote gezählt. Behörden vermuten aber weitaus höhere Opferzahlen. Noch gelten zahlreiche Menschen als vermisst.
    Die philippinische Regierung versicherte, inzwischen seien alle Straßen passierbar. Dennoch melden Rettungs- und Hilfskräfte weiterhin, sie könnten wegen zerstörter Verkehrswege noch längst nicht zu allen Betroffenen vordringen. Der Taifun hatte am vergangenen Freitag riesige Schneisen der Zerstörung geschlagen. Nach Angaben der UNO sind von den Folgen von "Haiyan" mehr als elf Millionen Menschen betroffen. 660.000 Bewohner hätten ihr Zuhause verloren.
    Bitte um mehr Spenden
    Die Hilfe kommt inzwischen an
    Helfer bringen Versorgungsgüter ins Katastrophengebiet (picture alliance / dpa / Ritchie Tongo)
    Die Vereinten Nationen baten die Mitgliedsstaaten um Spenden von 301 Millionen Dollar (225 Millionen Euro). Die Europäische Union und Länder wie Deutschland stockten ihre Hilfen weiter auf. Auch China erklärte sich nach Kritik an der bisher zurückhaltenden Hilfe für die Philippinen bereit, bisherige Hilfszusagen aufzustocken. Peking hatte bisher 100.000 Dollar an Zuwendungen zugesagt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte dem philippinischen Präsidenten Benigno Aquino telefonisch die Unterstützung Deutschlands. "Die Philippinen können in dieser schweren Zeit auf die Hilfe Deutschlands zählen", sagte ein Regierungssprecher. Der scheidende Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), stellte zudem langfristige Hilfe beim Wiederaufbau von Straßen, sanitären Anlagen oder der Stromversorgung in Aussicht. Deutschland sagte den Philippinen bisher 1,5 Millionen Euro Nothilfe zu.
    Hilfslieferungen laufen auf Hochtouren
    Zahlreiche internationale Organisationen machten sich mit Lebensmitteln, Trinkwasser und technischem Gerät auf den Weg zu den Philippinen. Auch aus Deutschland flogen viele Helfer und Experten in den südostasiatischen Inselstaat. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der UNO konnten in der schwer zerstörten Stadt Tacloban und der Umgebung bereits etwa 50.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser, Reis und Energienahrung versorgt werden.
    Die Verzweiflung der Betroffenen ist dennoch weiter groß. Es wird von zunehmenden Plünderungen berichtet. Tausende Menschen sollen etwa ein Reisdepot in Alangalan geplündert haben. Wie der Sprecher der nationalen Nahrungsmittelbehörde, Rex Estoperez, berichtete, seien dabei 129.000 Säcke mit jeweils 50 Kilogramm Reis entwendet worden. Estoperez appellierte an "diejenigen, die Reissäcke mitgenommen haben, sie mit anderen zu teilen und nicht zu verkaufen".
    Kampf ums Überleben
    Beobachter sprechen auch von immer mehr Gewalt. Der Leiter der Katastrophenforschungsstelle der FU Berlin, Martin Voss, versuchte in Deutschlandradio Kultur, das menschliche Verhalten in Katastrophenfällen zu erklären. Er kritisierte die Verwendung des Begriffs Plünderung als "völlig unpassend". Dies sei ein Begriff, der "aus unserem hiesigen Verständnis eines normalen Alltags" herrühre und der etwas "Kriminalisierendes" mitführe. Auf den Philippinen herrsche aber das Gegenteil des Alltags, nämlich eine Katastrophe. Nichts sei dort mehr geregelt, die Menschen kämpften um das Überleben.
    Viele Philippinen versuchen deshalb, aus den Katastrophengebieten wegzukommen. Sie stehen etwa in Tacloban zu Tausenden Schlange, um einen Platz in Militärflugzeugen zu ergattern, die Hilfsgüter bringen, wie der ARD-Korrespondent Udo Schmidt im Deutschlandfunk berichtete. Mehrere Wartende erzählten ihm, sie hätten seit dem Sturm nichts Richtiges mehr zu essen und keine Hilfe bekommen. Deshalb wollten sie nun nur noch weg.
    Zu den drängendsten Aufgaben nach dem Sturm gehören auch die Bergung und Beerdigung der Toten. So will man die Ausbreitung von Krankheiten verhindern. Gesundheitsminister Enrique Ona rief die örtlichen Behörden auf, für ein würdiges Begräbnis und eine verlässliche Identifikation der Toten zu sorgen.
    Seuchen wurden nach Angaben des philippinischen Gesundheitsministerium bislang nicht gemeldet. Das Risiko für Durchfall- und Atemwegserkrankungen und Grippeepidemien bleibe jedoch hoch. Das Ministerium rief zu einer raschen Wundversorgung, Tetanusimpfungen und der Beachtung grundlegender Hygienemaßnahmen auf.