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Haiytis Album "Montenegro Zero"
Noch nicht normal genug

Das neue Album der Hamburgerin Haiyti ist Pop, New Wave und auch Großraumdisko, aber im Kern ein bisher nicht erreichtes, konsequentes Weiterdenken von Rap-Musik. "Montenegro Zero" zeigt: Süßer Herzschmerz und unverhohlene Drohungen passen hervorragend zusammen.

Von Axel Rahmlow |
    Die Rapperin Haiyti (Ronja Zschoche)
    Die Rapperin Haiyti (Ronja Zschoche) (picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa)
    "Montenegro Zero" hat eine gewisse Rummelplatzatmosphäre. Überall grelle bunte Lichter.
    "Ich hab 100.000 Fans, die mich alle noch nicht kennen."
    Es ist laut, schrill und ein paar komische Typen sind auch immer da.
    "Mein Vater war ein Mafioso. Mein Vater war ein Mafioso. Mafioso, Mafioso."
    Oben auf dem Riesenrad ist aber auch Zeit für kitschig-schöne Liebesmomente.
    "Was soll ich mit allem Geld der Welt? Ich will nur ein bisschen Zeit mit dir. Komm wir bleiben hier."
    Offener Herzschmerz und unverhohlene Drohungen. Unschuldiger Gesang und übersteuerter Rap. Süßer Pop und brachialer Bass. Alles in 40 Minuten.
    "Normaler kann ich auch nicht werden."
    Ronja Zschoche, Hamburgerin von Geburt an, Alter: geheim, aber jung. Schon immer ein Fan von lautem, dröhnendem Rap mit viel Bass gewesen. Als Haiyti hat sie schon ein Album und etliche EPs und Mixtapes veröffentlicht - jeweils nach dem Motto: "Einmal aufnehmen und dann raus damit". "Montenegro Zero" ist in drei Wochen entstanden. Und das ist lang für ihre Verhältnisse.
    "Dieses Mal ist es ein konzentriertes Produkt. Der Sound ist einfach so ein, weiß ich nicht, funkelndes sauberes Gerüst."
    Die Hamburger Rapperin Haiyti im Studio des Deutschlandfunk
    Die Hamburger Rapperin Haiyti im Deutschlandfunk-Studio (Kerstin Janse/ Deutschlandfunk)
    Zu diesem Gerüst gehören zwar so unterschiedliche Einzelteile wie 80er-Jahre New Wave, Lagerfeuergitarren und Dancehall - aber das Produzententeam Kitschkrieg hat sich die nötige Zeit gelassen, alles so zu "glätten", dass Haiyti und ihre quengel-launige Stimme das Ganze nicht einstürzen lassen.
    "Ich bin so anders, ganz speziell. Ich bin ein Serienmodell."
    Früher klang sie gelegentlich wie ein verstimmtes Schiffshorn. So hat Haiyti genau die richtige Menge Platz um sich etwa auf "Serienmodel" in verzerrter Tonlage darüber aufzuregen, wie viele harmlose Mitläufer es gibt. Oder sich wie auf "Kate Moss" rap-typisch selbst als die Ausnahme zu feiern:
    "Ich smoke die Kippen wie Kate Moss. Ich smoke die Kippen wie Kate Moss. Ich smoke die Kippen wie Kate Moss. Ich smoke die Kippen wie Kate Moss."
    Der eigene Status wird genauso zelebriert wie der nicht vorhandene Reichtum. Das sind keine neuen Themen im Rap. Auch das endlose Wiederholen von Schlüsselwörtern hat nicht Haiyti erfunden, genauso wenig wie den Stimmeffekt Autotune. Beides hat sie wie viele deutsche Künstler aus den USA übernommen.
    Auch Trash kann authentisch sein
    Aber niemand in Deutschland hat es bisher auf Albumlänge geschafft, die traditionellen Regeln von Rapmusik konsequent in alle Richtungen wegzusprengen. Haiyti beweist: Auch Trash kann authentisch sein. Und damit legitimer Rap.
    "Es ist gewagter als die meisten anderen Sachen, die draußen sind. Aber ich finde, das Album hat Chancen. Es könnte richtig durch die Decke gehen, aber es könnte auch floppen. Also für mich ist es schwerer, den Mainstream zu berühren als die kompletten Freaks."
    "Major Labels gehen Pleite. Schnelles Geld andere Zeiten. Haare wie brennende Reifen. Doch der Highway nicht der Gleiche."
    Haiyti bei der Verleihung des Musikpreises "Hans" für den "Nachwuchs des Jahres" 2016. Haiyti  hebt den Preis in die Höhe und lächelt
    Haiyti bei der Verleihung des Musikpreises "Hans" für den "Nachwuchs des Jahres" 2016 (Axel Heimken/dpa)
    In kluger Voraussicht hat Haiyti das mögliche Scheitern schon mal im letzten Lied "American Dream" vorweggegriffen. Denn das breite Interesse der Medien ist ehrlicherweise auch ein Stück weit mit dem Wunsch erklärt, dass endlich eine Frau im deutschen Rap ganz oben mitspielen soll - auch wenn Rap als Männerdomäne zu keinem Zeitpunkt Haiytis Thema ist.
    "Pff. Also ich kann es ja nicht verleugnen, aber ich interessiere mich für andere Dinge. Nicht was ich bin oder wie ich rappe. Ich interessiere mich für ganz andere Sachen."
    Weder die Feuilletons noch ein großes Label als Partner haben dafür sorgen können, dass Haiytis Videos und Songs jetzt öfter angeklickt werden. Mit "Montenegro Zero" beweist sie trotzdem, dass deutscher Rap immer dann am Besten ist, wenn er am wenigsten danach klingt. Aber um die Pop-Revolution auch an das breite Volk zu bringen, muss Haiyti noch normaler werden.
    "Es tut mir leid, mein Baby. Es ist vorbei, mein Baby. Wir hatten schöne Momente. Doch der Traum hat auch ein Ende."