Linz an der Donau, ein gesichtsloses Bürohaus in einem Industriegebiet. Hier, zwischen Lagerhallen, Bahngleisen, Fabriken und viel Lieferverkehr, betreibt Günther Ahmed Rusznak sein Islamisches Informations- und Dokumentationscenter, kurz IIDC. Rusznak ist ein oberösterreichischer Konvertit, seit 22 Jahre ist er Muslim.
Rusznak empfängt in einem Großraumbüro mit zwölf Mitarbeitern. Hinter dem Schreibtisch des Chefs eine Weltkarte, das Porträt des früheren oberösterreichischen Landeshauptmanns Pühringer und das Foto einer Delegation aus Dubai. Darauf bekommt Rusznak gerade ein wichtiges Dokument überreicht: die Akkreditierung, um Firmen halal zertifizieren zu dürfen. Der Prozess dauerte über ein Jahr, die Kosten waren enorm, der Aufwand auch.
"Das ist gegangen bis hin zur Prüfung der Bilanzen, also da ist alles auf Herz und Nieren geprüft worden Und natürlich auch, ob wir keine Kontakte haben zu radikalen oder islamistischen Kreisen et cetera. Die Kosten für die Flüge, der Flug von Texas, das haben alles wir getragen, das geht Business Class, das geht Fünf-Sterne-Hotel, natürlich, die Leute sind ein bissel verwöhnt, aber ich vergönn's ihnen auch, und die ganzen Akkreditierungskosten, die ganze Arbeit der Dokumentenprüfung, das wird nach Zeit berechnet, das haben wir alles tragen müssen. Und wir sind dann im Endeffekt auf runde 100.000 Euro gekommen."
Dubai hat die strengsten Zertifikatsnormen
Eine weltweite Halal-Norm gibt es nicht, eine deutsche oder europäische auch nicht. Ein umkämpfter Markt ist entstanden. Die Auslegungen des Korans variieren; einig sind sich die Zertifizierer bloß darin, dass kein Nicht-Muslim sich einmischen soll. Die Auszeichnung aus Dubai war geschäftsentscheidend für das IIDC, sagt Rusznak. Ein Unternehmen, das Rusznaks Zertifikat vorweist, kann überallhin exportieren. Nach Malaysia, Indonesien, Pakistan, Saudi-Arabien, Katar oder Kasachstan. Es gibt unterschiedliche Anforderungen an halal je nach Exportland. Klar ist nur, dass Alkohol und Schweinefleisch "haram" - also dem Gläubigen verboten - sind. Doch der Teufel steckt im Detail: Gelatine kann Schweinefleisch enthalten, Obst in Joghurt kann gären und Alkohol bilden. Produktionslinien in Schlachtbetrieben könnten Spuren von Schweine-DNA aufweisen. Und nicht jede Art der Betäubung - wie sie das Tierschutzgesetz verlangt - ist halal, erklärt Ruznak:
"Weil durch die Gasbetäubung ein Gehirntod für die Tiere eintritt, und damit sind sie tot, und tote Tiere dürfen nicht zertifiziert werden. Und da haben wir dann sofort unsere Zertifizierung aufgehoben und haben gesagt: Nein, das geht nicht!"
Ein paar Tausend Euro kostet so eine Zertifizierung, je nach Aufwand. Das Zertifikat muss jährlich erneuert werden. Rusznak hat Kunden in ganz Europa. Er sucht ständig neue Leute: Lebensmittelexperten, Religionswissenschaftler, Ingenieure. Aufgebaut hat er seine Firma vor zwölf Jahren als Verein für Integration und Spracherwerb. Auf Anfrage der Wirtschaftskammer, dem österreichischen Pendant zur deutschen Handelskammer, fing er mit dem Zertifizieren an. Arbeitete sich ein in die Welt der Lebensmittelherstellung, Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe und E-Nummern. Er deutet auf technische Hilfsmittel, die zu seiner täglichen Arbeit gehören: Per EKG wird etwa nachgemessen, ob Gehirn- und Herztätigkeit nach der Betäubung noch intakt sind.
"Wir müssen jedes kleine Detail prüfen, da gibt es ja auch wieder verschiedene Ansichten im Islam, zum Beispiel wenn Sie E 120 nehmen. Das ist ein Farbstoff, der aus den Läusen gewonnen wird, aus dem Chitinpanzer der Läuse. Und manche Zertifizierer sagen, das ist ekelerregend, das wollen wir nicht, manche sagen, da ist ja eh nix dabei, weil ja nur der Chitinpanzer genommen wird. Da müssen wir länderspezifisch unterscheiden. Oder zum Beispiel bei Süßstoff, da gibt's gewisse Grenzen für Aspartam, weil's angeblich erbgutschädigend sein kann. Das ist noch gar nicht erwiesen."
Große Handelsketten mischen beim Halal-Geschäft noch nicht mit
Während das Geschäft mit exportwilligen Firmen brummt, ist das Zertifizieren für Handelsketten in Österreich ein hartes Brot.
"In Österreich gehen die Muslime zum - wie man so schön sagt auf Deutsch - Onkel-Mehmet-Laden. Also zum Türken - und sind dort der Meinung, dass alles halal ist. Ob's stimmt oder nicht, lassen wir dahingestellt. Es soll so sein. Wenn sich natürlich die großen Ketten - es gibt ja eh nur eine Handvoll großer Ketten, die den Markt beherrschen - entschließen würden, diesen Markt zu bedienen, dann wären diese Leute in den Supermärkten mit den anderen. So tut man praktisch eine Isolierung auf die eigenen Geschäfte machen, das ist in Österreich gang und gäbe, und ich wundere mich immer wieder, dass die großen Ketten sich das gute Geschäft entgehen lassen."
So wird das IIDC wohl auch in Zukunft vor allem mit dem Zertifizieren für den Export Geld verdienen - und weiter wachsen.