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"Halb so schnell wie das Flugzeug“

Der "Intercity Express" sollte das Reisen bequemer und schneller machen. Doch bis heute laboriert der deutsche Hochgeschwindigkeitszug mit erstaunlich vielen Pannen.

Von Mirko Smiljanic |
    Hamburg-Altona, ein milder Frühlingsmorgen. Dicht gedrängt stehen einige hundert Gäste auf dem Bahnsteig, um den Intercity Express 1 auf seine erste fahrplanmäßige Reise zu schicken, …

    Richard von Weizsäcker: "Für den ersten Start am Sonntag, den 2. Juni morgens um 5:53 Uhr ab Hamburg-Altona in Richtung München, Ihnen, Ihrem Team und allen deutschen Eisenbahnern wünsche ich allzeit gute Fahrt!"

    Richard von Weizsäcker – damals Bundespräsident – hebt die Kelle mit dem grünen Punkt, während Lokführer Harry Pfaffe langsam den weißen ICE "Münchner Kindl" aus der Halle rollen lässt.

    Harry Pfaffe: "Ich bin von Dampf auf Diesel auf E-Lokomotiven auf diesen Triebzug, - und es ist eine große Umstellung, weil die Technik hier natürlich enorm ist."

    Außerdem fährt ICE 1 mit 250 Kilometern pro Stunde richtig schnell: Die Strecke Hamburg – München schafft er in sieben Stunden und 15 Minuten, andere Züge sind zwei Stunden länger unterwegs.

    Günter Krause: "Ein Schlagwort war: Doppelt so schnell wie das Auto, halb so schnell wie das Flugzeug","

    erinnert sich Günter Krause, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte in Werl. Seit Anfang der 80er-Jahre experimentierte die Deutsche Bundesbahn mit Hochgeschwindigkeitszügen. "Inter City Experimental" hieß ein Prototyp, der 1988 mit 406,9 Kilometern pro Stunde immerhin einen Weltrekord aufstellte!

    Möglich machte das ein neues Antriebskonzept: Statt einer Lok hatte der erste ICE sowohl vorne als auch hinten Motoren: Die einen zogen den Zug, die anderen schoben ihn.

    Günter Krause: ""Das heißt, fest gekuppelte Einheiten mit einer bestimmten Anzahl von Wagen und am Ende und am Anfang ein Triebgestell, beziehungsweise vorne und hinten waren Motoren angebracht, die Elektromotoren, und das Ganze immer fest gekuppelt und immer als Einheit zusammen fahrend, der sogenannte ICE 1."

    Der allerdings trotz allen Komforts und der kürzeren Reisezeit erstaunlich viele Pannen hatte: die Toiletten verstopften, Türen öffneten sich entweder gar nicht oder bei voller Fahrt, Klimaanlagen fielen aus, Brummgeräusche ließen das Geschirr im Bordrestaurant unüberhörbar klappern. Hinzu kam, …

    Günter Krause: "... dass das eigentliche Schienennetz eine Reihe von Langsamfahrstellen ausweist, die dann die Züge dazu zwingen, langsamer zu fahren, als sie könnten","

    wodurch ICE 1 gerade mal eine Pünktlichkeit von 55 Prozent erreichte.

    Günter Krause: ""Ich will jetzt nicht den Ausdruck gebrauchen, den man bei der Software benutzt manchmal, nämlich ‚Bananensoftware reift bei den Kunden’, aber es sind viele Dinge da, die bei einer längeren Testzeit hätten nicht auftreten müssen."

    Tragischer Höhepunkt war das Unglück von Eschede: Am 3. Juni 1998 entgleiste ICE "Wilhelm Conrad Röntgen", mehr als 100 Menschen starben. Wirklich gelernt hat die Deutsche Bahn daraus nicht, auch heute noch kommt es regelmäßig zu leichten und schweren Pannen: Steigen die Außentemperaturen über 40 Grad Celsius, fallen Klimaanlagen aus; kurz vor Köln brach im Jahre 2008 beim ICE eine Achse; aus Sicherheitsgründen fahren viele Züge langsamer und werden in kürzeren Intervallen inspiziert; dadurch stehen weniger Züge zur Verfügung, weshalb sie teilweise hoffnungslos überfüllt sind und immer mal wieder von der Polizei geräumt werden müssen. Trotzdem hält die heutige DB AG am ICE-Konzept fest. Ja, man möchte den weißen Flitzer sogar zum Exportschlager ausbauen.

    Günter Krause: "Angedacht ist ja auch schon, die Intercitys durch den Kanaltunnel bis nach London fahren zu lassen, man wird mit Sicherheit dann auch die Intercitys außerhalb Deutschlands öfters sehen, als es heute ist."

    Ein ehrgeiziges Ziel, das neue Züge erfordert: Nach den ICEs mit den Seriennummern 1, 2 und 3, kommt in vier Jahren der ICE 4 auf die Schiene: Er bietet mehr Platz, er bietet mehr Komfort und – das ist erstaunlich – ICE 4 fährt mit maximal 249 Kilometern pro Stunde eher langsam, was aber konsequent gedacht ist: Welchen Sinn machen Hochgeschwindigkeitszüge, die nur selten hohe Geschwindigkeiten fahren?