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Halbjahresbilanz der deutschen Luftverkehrswirtschaft
Flugbranche über Jahre hinaus nicht auf Vor-Corona-Niveau

Die Corona-Pandemie hat den weltweiten Luftverkehr in eine tiefgreifende Krise gestürzt. Auch im kommenden Jahr wird die Branche nicht in die Gewinnzone zurückkehren, lautet die Prognose des Bundesverbands bei der Halbjahresbilanz. Frühestens 2024 könnten demnach die Zahlen von 2019 erreicht werden.

Von Dieter Nürnberger | 19.08.2020
Flugzeuge am Boden
Der internationale Luftverkehr ist wegen der Coronakrise von März bis April fast vollständig zum Erliegen gekommen. Seit Juni läuft er nur schleppend wieder an (picture alliance / Daniel Kubirsk)
Die Halbjahresbilanz des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft ist tiefrot – und auch wenn es nun wieder schleppend nach oben geht, bleibe die internationale und auch nationale Bilanz verheerend, so BDL-Präsident Peter Gerber: "Die Fluggastzahlen weltweit sind eingebrochen: Im ersten Halbjahr auf einen Rückgang um 53 Prozent. In Europa ist es ein wenig mehr – ein Rückgang um 56 Prozent. Und in Deutschland gibt es Minus von 66 Prozent."
Grafik: Entwicklung der Nachfrage bei Fluggesellschaften im Vergleich zu 2019
Nur beim Luftfrachtverkehr sieht es besser aus, doch auch ist das hier registrierte Minus von 15 Prozent natürlich ein Negativrekord. "Hier muss man sagen, dass die Staaten relativ schnell erkannt haben, auch innerhalb der Pandemie die Lieferungen der Luftfracht möglich zu machen. Deswegen bezieht sich der Rückgang eigentlich nur auf die Menge an Fracht, die normalerweise in den Bäuchen der großen Passagierflugzeuge, den sogenannten Bellies, transportiert wird."
Jeder zweite Arbeitsplatz bedroht
Die Folgen sind dramatisch und ein Ende sei zumindest kurzfristig nicht in Sicht. Jeder zweite der rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze hierzulande, die direkt oder indirekt mit dem Flugverkehr verbunden sind, sei akut bedroht. Dass die Fluggesellschaften weltweit von den Staaten gestützt werden, sei unumgänglich und richtig. Allerdings verweist der BDL auch auf die zunehmend kritische finanzielle Lage der Flughäfen. Auch hier sei Hilfe notwendig, so Präsident Peter Gerber:
"Das Sonderkreditprogramm der KfW ist derzeit für die Flughäfen nicht offen. Hier ist für uns klar: Ohne staatliche Finanzierungsbrücken geht es nicht. Wir sind die Gesellschafter der Flughäfen und der Bund durchaus gefragt." Die im August erfolgte Genehmigung der EU-Kommission für deutsche Beihilferegeln ermögliche auch direkte Zuschüsse für Einnahmeausfälle der Flughäfen, so Gerber.
Regionalflughäfen unter der Lupe
Eine Forderung, die nicht überall Zustimmung erhält. Denn heute Vormittag stellte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zumindest für einige Regionalflughäfen eine andere Rechnung auf: Vor allem aus Klimaschutzgründen sollten sieben von 14 dieser untersuchten und hoch subventionierten Airports geschlossen werden, so Werner Reh, Verkehrsexperte des BUND. Sie seien zudem wenig attraktiv für die Fluggäste:
"Die restlichen sieben erfüllen kein einziges unserer Kriterien - nämlich Subventionsfreiheit, Fluggastzuwachs und gute Verbindungsqualität. Sie bekommen von uns deshalb die Rote Karte. Und sollten unserer Meinung nach geschlossen werden."
Überflüssige Regionalflughäfen: Laut BUND sind 7 von 14 nicht nötig (05:34) In Deutschland gibt es 21 Kleinflughäfen mit weniger als drei Millionen Fluggästen pro Jahr. Von ihnen würden nur zwei ohne staatliche Förderungen überleben. In vier Jahren sollen nach Willen der EU-Kommission die Regionalflughäfen ohne öffentliche Subventionen auskommen. Das geht dem BUND nicht schnell genug, denn nach einer Studie sei ein Teil von ihnen ökonomisch und ökologisch überflüssig. Die Betreiber der Flughäfen argumentieren hingegen, die Flughäfen seien ein Stück Daseinsvorsorge und müssten deswegen steuerlich unterstützt werden. Philipp Banse mit einem Überblick.
Eine Diskussion zur Unzeit, konterte daraufhin der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Hier hofft man nun auf einen weiteren Ausbau der internationalen Verbindungen, vor allem des Interkontinentalverkehrs. Denn trotz weiterhin bestehender staatlicher Reisebeschränkungen sei es inzwischen möglich, durch eingespielte Corona-Testverfahren und auch etablierte Hygiene-Maßnahmen einen solchen Schritt zu wagen.
Vor-Corona-Zahlen frühestens 2024
Die internationale Luftverkehrsvereinigung IATA geht für dieses Jahr von einem Verlust bei den Airlines von insgesamt rund 70 Milliarden Euro aus. Im nächsten Jahr werden es wohl immer noch 13 Milliarden sein, so BDL-Präsident Gerber:
"Dabei geht die IATA für das Jahr 2021 schon davon aus, dass es eben keine große zweite Welle gibt. Vor allem auch, dass es dann zu diesem Zeitpunkt auch einen Impfstoff gibt. Denn man dann entsprechend auch 2021 einsetzen kann."
Grafik: Mögliches Szenario für langfristige Entwicklung
Eine lange Durststrecke also für die Fluggesellschaften. Und frühestens 2024, so ein BDL-Szenario, könnten Werte der Vor-Corona-Zeit wieder erreicht werden.