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Halver: Europäische Banken haben derzeit ein Liquiditätsproblem

Aufgrund der Euro-Krise bekämen europäische Banken derzeit kaum Geld von US-Banken, erklärt Börsenanalyst Robert Halver. Daher sei der Schritt der EZB, kurzfristig Geld in die Märkte zu pumpen, richtig. Dies helfe Ländern wie Italien und Spanien bei der Bewältigung ihrer Probleme.

Robert Halver im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Bettina Klein: Banken leihen einander kein Geld, sie vertrauen sich nicht einmal mehr gegenseitig – ein Satz aus dem Herbst 2008, eines der Kennzeichen der damaligen Finanzkrise, und leider ist es offenbar wieder dabei, zu einem geflügelten Wort zu werden. Ein Hintergrund für die konzertierte Aktion der Zentralbanken, die gestern auch für Insider überraschend Geld in die Märkte pumpten.

    Bei aller Skepsis – sieht man sich die Börsenreaktionen an, ist die Operation zunächst gelungen. Auch die Wallstreet war begeistert.

    Und wir bleiben noch einen Augenblick beim Thema. Robert Halver ist Chefanalyst der Baader Bank, und mit ihm hat mein Kollege Martin Zagatta gestern Abend gesprochen und ihn gefragt, ob er auch zu denen gehört, die jetzt Beifall klatschen.

    Robert Halver: Ja, definitiv, weil das im Augenblick geliefert ist, was die Banken nicht haben, nämlich Liquidität, Geld, und ohne Geld können die Banken keine Kredite an zum Beispiel die freie Wirtschaft geben, an die mittelständische Wirtschaft, und damit hätten wir genau dasselbe Problem wie 2009, dass die deutsche Wirtschaft austrocknet. Von daher ist dieser Schritt zu begrüßen.

    Martin Zagatta: Aber Mitte September haben wir ja schon eine ähnliche Situation, ähnliche Aktionen erlebt. Da hat der Aktienmarkt auch nur kurzfristig gejubelt. Was soll diesmal anders sein?

    Halver: Es ist wichtig, dass diesem wichtigen Schritt weitere Schritte folgen werden. Das große Thema lautet ja Staatsschuldenkrise. Auch da muss die EZB ran. Es ist der einfachste Weg, wenn die EZB wirklich den Ländern wie Italien, Spanien, vielleicht auch Frankreich hilft, unter die Arme greift, damit diese Länder Zeit haben, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Wenn die Politik versagt, ist die Geldpolitik dran.

    Zagatta: Was hilft das jetzt beispielsweise einer Bank wie der Ihren? Was hilft Ihnen das jetzt konkret?

    Halver: Die Banken generell, die bekommen jetzt viel einfacher diese Dollar-Liquidität, Dollar-Geld. Im Augenblick ist es ja so, dass die US-Banken den europäischen Banken kaum Liquidität in Form von Dollar zur Verfügung gestellt haben. Die braucht man aber im weltweiten Handel. Gerade im Exportgeschäft braucht man genau diese Dollar-Liquidität. Die wird jetzt von der EZB bereitgestellt, zu einem sehr günstigen Zinssatz. Das heißt, alle sind froh.

    Zagatta: Ist das so schwierig, tatsächlich an Dollars heranzukommen? Das müsste doch eigentlich der Markt regeln. Als Privatmann kann ich das doch auch.

    Halver: Ja. Das Problem ist allerdings, dass die Euro-Krise so schlimm ist, dass europäische Banken von den US-Banken keine Dollar-Liquidität, kein Geld mehr bekommen. Und was will man machen? Man braucht ja Dollar einfach auch im Handel, im Exportgeschäft, im weltweiten Finanztransaktionsbereich, und wenn da die Dollar-Noten fehlen, kann man keine Geschäfte machen. Das ist sehr gefährlich.

    Zagatta: Gehen Sie davon aus, dass zum Beispiel die EZB diese Politik jetzt des frischen Geldes, den Markt mit frischem Geld fluten, dass man das überhaupt länger durchhalten kann? Das ist doch eigentlich eine Politik, die aus Deutschland abgelehnt wird.

    Halver: Die EZB-Politik ist natürlich aus Stabilitätsgesichtspunkten abzulehnen. Nur was ist die Alternative? Einen Stabilitätstod werden wir auf jeden Fall sterben müssen. Eurobonds genauso wie Rettungsschirme sind genauso stabilitätspolitisch bedenklich wie die EZB-Lösung. Nur die EZB-Lösung ist eine stabilitätspolitische kleinere Dimensionierung. Darüber können wir sehr schön die Märkte steuern, die Finanzmärkte können nicht mehr gegen Italien, gegen die Franzosen, gegen die Spanier wetten und damit auch nicht gegen die Banken, und damit wäre die Kuh ein bisschen vom Eis.

    Zagatta: Sie sagen jetzt, ein bisschen vom Eis. Glauben Sie, dass diese Aktion jetzt der Durchbruch sein kann, dass das mittelfristig, vielleicht sogar langfristig jetzt den Trend nach oben, zum Positiven hin bringen kann, oder ist das eine verfrühte Hoffnung?

    Halver: Es muss der Beginn sein. Ich denke mir, es ist sehr wichtig, dass man für alle in die Weihnachtspause geht mit der Gewissheit, dass zur Not die EZB dafür sorgen wird, dass die Euro-Zone nicht kollabiert. Wird die EZB weiterhin massiv unterstützen, kann das gelingen, und es muss gelingen. Würden wir das, was wir bisher hatten, weiterführen, reden wir im Jahr 2012 auch durchaus über die Gefahren eines Zusammenbruchs der Eurozone.

    Zagatta: Und wie ist das mit der Inflation? Heizt so eine Aktion wie jetzt der Notenbanken, heizt das nicht die Inflation gewaltig an?

    Halver: Längerfristig ist durchaus die Gefahr einer Inflationierung durchaus zu berücksichtigen, aber wir haben ja mittlerweile eine Konjunktur, die nicht mehr so rund läuft. Auch bei uns liegen ja schon durchaus Schatten. Das heißt, die Inflation ist von der konjunkturellen Front eher etwas bedächtig zu sehen, auch wenn man weiß natürlich, dass mehr Geld durchaus Inflation anheizt. Aber man muss auch eines sagen: Mehr Inflation ist auch durchaus gewollt für die Wirtschaft, denn Deflation wäre das deutlich schlimmere Übel.

    Zagatta: Herr Halver, jetzt werden uns zahlreiche Menschen zuhören, die sich fragen, wie sie ihr Vermögen bewahren, oder ihr Geld überhaupt noch vernünftig anlegen können. Was raten Sie denen?

    Halver: Klare Antwort: Sachkapital. Das heißt, Substanzaktien, also Aktien von Unternehmen, die durchaus ein vernünftiges Geschäftsmodell haben. Wir kennen ja alle die Grundbedürfnisse des Menschen: Essen, Trinken, Heizen, Tanken, Einkaufen gehen, zum Arzt gehen, Telefonieren. Das ist sehr wichtig. Es ist auch nichts gegen Gold und Silber einzuwenden in begrenztem Maße und der Rohstoffsektor hat durchaus auch Potenzial. Wir sprechen von Sachkapital. Staatsanleihen aus jedem Land, aus Deutschland, die hat man eh schon über Lebensversicherungen, über die gesetzliche Rentenversicherung. Man sollte deutlich stärker sachkapitalistisch denken.

    Klein: Die Einschätzung von Robert Halver. Er ist Chefanalyst bei der Baader Bank und mit ihm hat mein Kollege Martin Zagatta gestern Abend gesprochen.


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