Jürgen Liminski: Guten Morgen, Frau Farhat-Naser!
Sumaya Farhat-Naser: Guten Morgen!
Liminski: Frau Farhat-Naser, Ramallah, da wo sie jetzt sind und wohnen, gilt als ausgesprochen freie und freizügige Stadt, in deren Bars und Restaurants auch Alkohol ausgeschenkt wird und in deren Straßen Frauen mit engen Jeans und jedenfalls ohne Kopftuch flanieren. Nun ist die Hamas an der Regierung, die in ihrer Charta den Frauen nur bestimmte Funktionen erlaubt. Haben die Frauen etwas zu befürchten?
Farhat-Naser: Es gibt ein Risiko, aber nicht so, wie man es sich vorstellt. Hamas wird niemals diese Frage als Priorität machen und wir müssen sehr vorsichtig sein. Sie werden versuchen, nicht durch Zwang, sondern durch langfristige Beeinflussung das zu erreichen per Medien, Informations- und Erziehungspolitik. Aber die Menschen sind wach genug und hier kann man nicht eine lange Geschichte und Tradition innerhalb von kurzer Zeit ändern.
Liminski: Also eine Art Religionspolizei, eine Mutawa, wie in Saudi-Arabien wird es nicht geben?
Farhat-Naser: Keineswegs. Und ich möchte sagen, Hamas ist sehr pragmatisch, ist anders als Taliban oder die ganz Fanatischen. Sie erkennen, was schon da ist, wenn sie sagen, sie akzeptieren und sind verbindlich zu allen Verträgen und Obligationen, die davor waren. Sie haben jetzt in der letzten Woche in den Moscheen bei der Freitagspredigt allen versichert, dass das Leben weitergeht. Sie sind nicht daran interessiert jetzt etwas umzukrempeln. Sie werden, wie gesagt, ihre Vorstellungen von Moral und Recht verbreiten, aber wir haben einen soliden Kern, gerade in diesem Gebiet, wo wir auch dafür einstehen werden. Sie werden versuchen Trennung zwischen Mädchen und Jungen in den Schulen zu machen, in den weinigen Schulen, die noch gemischt sind, aber soviel wird es nicht erreichen.
Liminski: Die Hamas ist ja völlig legal und demokratisch an die Macht gekommen, aber die Frauenfrage wirft ja auch die Frage nach der Demokratiefähigkeit der Hamas auf, Demokratie jedenfalls verstanden als Raum der Menschenrechte gemäß der Charta der Vereinten Nationen und nicht nur als mechanistische Methode der Mehrheitsfindung. Wird es eine Demokratie ohne gleiches Recht für alle geben?
Farhat-Naser: Keineswegs. Gleiches Recht muss sein, und das wird jetzt immer wieder gesagt seitens Hamas, und sie sagen, mit ihrem Sieg geht vorbei eine Regierung einer Partei. Und das ist eine Chance. Sie wollen nicht allein regieren, sie wollen die anderen beteiligen. Vor allem Al-Fatah muss sich beteiligen auch im Interesse der Palästinenser...
Liminski: ... aber die Fatah will ja nicht ...
Farhat-Naser: Sie werden es tun. Also, jetzt gehen weiter die Verhandlungen, es gibt keine Möglichkeit, Hamas kann niemals alleine regieren. Die Tatsache, dass Präsident Abbas von der PLO der Vorsitzende ist und zuständig für die Verhandlung mit Israel, das zwingt sie, dass sie mit Al-Fatah arbeiten und vor allem, Präsident Abbas wird der Verantwortliche für alle Sicherheitskräfte sein inklusive der von Hamas und das bedeutet, endlich dieses Problem zu lösen, dass keine Sicherheitskräfte außerhalb der offiziellen Staatswesen da sind. Und da ist die Chance. Hamas ist damit einverstanden.
Liminski: Zur Demokratie gehört auch der Primat des Rechts. Ist die Scharia, die die Hamas anstrebt, kompatibel mit den Rechtsprinzipien, wie man sie in Europa kennt. Natürlich werden sie auch hier mal gebeugt, aber im Prinzip doch eingehalten.
Farhat-Naser: Also ich glaube, man kann nicht eine Demokratie haben, wenn man nur auf die Scharia sich bezieht. Scharia ist eine der wichtigsten Quellen für unsere Region, aber wir müssen die anderen internationalen Konventionen für Menschenrechte, Individualrechte und so weiter einbeziehen. Und das ist ein Kampf, was wir intern schon durchgegangen sind im Rahmen der letzten Regierungen - und legislativ und unsere Gesetze. Noch sind wir nicht zu Ende, es geht nicht drum, also Hamas muss einlenken, sonst bleibt der interne Kampf in unser unserem Land. Und Demokratie ist nicht etwas, was man von heute auf morgen schafft, es ist ein Prozess, der reifen muss.
Liminski: Was bedeutet denn der Sieg der Hamas für die radikalen Kräfte in der Region, wie die Hisbollah oder auch für Staaten wie Iran, Syrien, Ägypten und den Libanon? Ist der Sieg der Sieg der Hamas nicht ein Präzedenzfall in dem Sinn, dass die Muslimbrüder, von denen die Hamas ja abstammt, oder andere radikale Gruppen jetzt überall versuchen könnten, legal an die Macht zu kommen und ein, ja wenn man so will, faschistisches Regime zu errichten?
Farhat-Naser: Also zunächst einmal, Hamas ist an die Macht gekommen, weil die bisherige Politik versagt hat, seitens der Amerikaner, seitens Israel, seitens der Al-Fatah. Solange gewartet, dass Frieden kommt, und es war einfach nicht möglich, die PLO hat 20 Jahre gedauert, bis sie Israel anerkannt hat, Israel hat die Rechte der Palästinenser nicht anerkannt, man darf nicht das Unmögliche verlangen von Hamas. Sie werden Israel anerkennen, sie müssen mit Israel arbeiten, es nimmt Zeit. Ihr Sieg bedeutet eine große Ermutigung für die Moslembrüderschaft in der ganzen Welt. Würde man in Jordanien, Ägypten, in anderen arabischen Staaten Moslembrüderschaft richtig erlauben, sie würden auch gewinnen, wegen der Armut, der Unterdrückung, der schlechten Lebensbedingungen der Menschen.
Liminski: Die Hamas und die demokratische Gewaltenteilung. Das war Sumaya Farhat-Naser.
Sumaya Farhat-Naser: Guten Morgen!
Liminski: Frau Farhat-Naser, Ramallah, da wo sie jetzt sind und wohnen, gilt als ausgesprochen freie und freizügige Stadt, in deren Bars und Restaurants auch Alkohol ausgeschenkt wird und in deren Straßen Frauen mit engen Jeans und jedenfalls ohne Kopftuch flanieren. Nun ist die Hamas an der Regierung, die in ihrer Charta den Frauen nur bestimmte Funktionen erlaubt. Haben die Frauen etwas zu befürchten?
Farhat-Naser: Es gibt ein Risiko, aber nicht so, wie man es sich vorstellt. Hamas wird niemals diese Frage als Priorität machen und wir müssen sehr vorsichtig sein. Sie werden versuchen, nicht durch Zwang, sondern durch langfristige Beeinflussung das zu erreichen per Medien, Informations- und Erziehungspolitik. Aber die Menschen sind wach genug und hier kann man nicht eine lange Geschichte und Tradition innerhalb von kurzer Zeit ändern.
Liminski: Also eine Art Religionspolizei, eine Mutawa, wie in Saudi-Arabien wird es nicht geben?
Farhat-Naser: Keineswegs. Und ich möchte sagen, Hamas ist sehr pragmatisch, ist anders als Taliban oder die ganz Fanatischen. Sie erkennen, was schon da ist, wenn sie sagen, sie akzeptieren und sind verbindlich zu allen Verträgen und Obligationen, die davor waren. Sie haben jetzt in der letzten Woche in den Moscheen bei der Freitagspredigt allen versichert, dass das Leben weitergeht. Sie sind nicht daran interessiert jetzt etwas umzukrempeln. Sie werden, wie gesagt, ihre Vorstellungen von Moral und Recht verbreiten, aber wir haben einen soliden Kern, gerade in diesem Gebiet, wo wir auch dafür einstehen werden. Sie werden versuchen Trennung zwischen Mädchen und Jungen in den Schulen zu machen, in den weinigen Schulen, die noch gemischt sind, aber soviel wird es nicht erreichen.
Liminski: Die Hamas ist ja völlig legal und demokratisch an die Macht gekommen, aber die Frauenfrage wirft ja auch die Frage nach der Demokratiefähigkeit der Hamas auf, Demokratie jedenfalls verstanden als Raum der Menschenrechte gemäß der Charta der Vereinten Nationen und nicht nur als mechanistische Methode der Mehrheitsfindung. Wird es eine Demokratie ohne gleiches Recht für alle geben?
Farhat-Naser: Keineswegs. Gleiches Recht muss sein, und das wird jetzt immer wieder gesagt seitens Hamas, und sie sagen, mit ihrem Sieg geht vorbei eine Regierung einer Partei. Und das ist eine Chance. Sie wollen nicht allein regieren, sie wollen die anderen beteiligen. Vor allem Al-Fatah muss sich beteiligen auch im Interesse der Palästinenser...
Liminski: ... aber die Fatah will ja nicht ...
Farhat-Naser: Sie werden es tun. Also, jetzt gehen weiter die Verhandlungen, es gibt keine Möglichkeit, Hamas kann niemals alleine regieren. Die Tatsache, dass Präsident Abbas von der PLO der Vorsitzende ist und zuständig für die Verhandlung mit Israel, das zwingt sie, dass sie mit Al-Fatah arbeiten und vor allem, Präsident Abbas wird der Verantwortliche für alle Sicherheitskräfte sein inklusive der von Hamas und das bedeutet, endlich dieses Problem zu lösen, dass keine Sicherheitskräfte außerhalb der offiziellen Staatswesen da sind. Und da ist die Chance. Hamas ist damit einverstanden.
Liminski: Zur Demokratie gehört auch der Primat des Rechts. Ist die Scharia, die die Hamas anstrebt, kompatibel mit den Rechtsprinzipien, wie man sie in Europa kennt. Natürlich werden sie auch hier mal gebeugt, aber im Prinzip doch eingehalten.
Farhat-Naser: Also ich glaube, man kann nicht eine Demokratie haben, wenn man nur auf die Scharia sich bezieht. Scharia ist eine der wichtigsten Quellen für unsere Region, aber wir müssen die anderen internationalen Konventionen für Menschenrechte, Individualrechte und so weiter einbeziehen. Und das ist ein Kampf, was wir intern schon durchgegangen sind im Rahmen der letzten Regierungen - und legislativ und unsere Gesetze. Noch sind wir nicht zu Ende, es geht nicht drum, also Hamas muss einlenken, sonst bleibt der interne Kampf in unser unserem Land. Und Demokratie ist nicht etwas, was man von heute auf morgen schafft, es ist ein Prozess, der reifen muss.
Liminski: Was bedeutet denn der Sieg der Hamas für die radikalen Kräfte in der Region, wie die Hisbollah oder auch für Staaten wie Iran, Syrien, Ägypten und den Libanon? Ist der Sieg der Sieg der Hamas nicht ein Präzedenzfall in dem Sinn, dass die Muslimbrüder, von denen die Hamas ja abstammt, oder andere radikale Gruppen jetzt überall versuchen könnten, legal an die Macht zu kommen und ein, ja wenn man so will, faschistisches Regime zu errichten?
Farhat-Naser: Also zunächst einmal, Hamas ist an die Macht gekommen, weil die bisherige Politik versagt hat, seitens der Amerikaner, seitens Israel, seitens der Al-Fatah. Solange gewartet, dass Frieden kommt, und es war einfach nicht möglich, die PLO hat 20 Jahre gedauert, bis sie Israel anerkannt hat, Israel hat die Rechte der Palästinenser nicht anerkannt, man darf nicht das Unmögliche verlangen von Hamas. Sie werden Israel anerkennen, sie müssen mit Israel arbeiten, es nimmt Zeit. Ihr Sieg bedeutet eine große Ermutigung für die Moslembrüderschaft in der ganzen Welt. Würde man in Jordanien, Ägypten, in anderen arabischen Staaten Moslembrüderschaft richtig erlauben, sie würden auch gewinnen, wegen der Armut, der Unterdrückung, der schlechten Lebensbedingungen der Menschen.
Liminski: Die Hamas und die demokratische Gewaltenteilung. Das war Sumaya Farhat-Naser.