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Hambacher Forst
"Es geht hier nicht um eine Erweiterung des Tagebaus"

RWE will mit Rodungen Platz schaffen für den Braunkohle-Tagebau. RWE-Vertreter Michael Eyll-Vetter verteidigt die Auflösung von Protestcamps im Hambacher Forst. Man sei von den Behörden aufgefordert worden, "waldfremdes Material aus dem Wald zu entfernen", sagte Eyll-Vetter im Dlf.

Michael Eyll-Vetter im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    06.09.2018: Nordrhein-Westfalen, Kerpen: Zwei Räumungspanzer der Polizei stehen auf einer Straße im Hambacher Forst. Die Polizei und der Energiekonzern RWE führen die Räumungsarbeiten im Hambacher Forst fort.
    Der Energiekonzern RWE hat in den letzten Tagen unter starkem Polizeischutz Barrikaden und vieles mehr aus dem besetzten Wald abtransportiert (Christophe Gateau/dpa)
    Tobias Armbrüster: Es könnte krachen in den kommenden Tagen im Hambacher Forst, in diesem Waldstück ganz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der Stromkonzern RWE will dort in den kommenden Wochen mit der großflächigen Rodung von Bäumen beginnen, um Platz zu schaffen für den Braunkohleabbau in der Region. Das Ganze ist rechtlich genehmigt, politisch gebilligt, aber trotzdem hochumstritten. RWE hat nun in dieser Woche mit ersten Vorarbeiten im Wald begonnen. Mit dabei waren auch mehrere Hundertschaften der Polizei in NRW. Der Konzern hat damit viele Initiativen und auch viele Aktivisten gegen sich aufgebracht. Sie haben für heute und morgen zu einem sogenannten Wochenende des Widerstands aufgerufen. Wir wollen das etwas genauer besprechen mit einem der zuständigen Vertreter von RWE. Am Telefon ist Michael Eyll-Vetter, er leitet bei dem Konzern die Sparte Tagebauentwicklung. Schönen guten Morgen!
    Michael Eyll-Vetter: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Eyll-Vetter, war das eine gute Woche für RWE?
    Eyll-Vetter: Dass es eine gute Woche war, kann ich jetzt so direkt nicht sagen. Es war auf jeden Fall eine interessante und aufregende Woche, die uns vor viele Herausforderungen gestellt hat.
    Armbrüster: Herausforderungen, das müssen Sie uns genauer erklären.
    Eyll-Vetter: Es geht, wie Sie gerade schon in der Anmoderation gesagt haben, in diesem Jahr darum, die Rodung im Tagebau Hambach fortzusetzen. Es ist nicht eine neue Rodung, es geht nicht darum, hier jetzt komplett den Wald zu roden, sondern es geht darum, dass wir für die Kohlegewinnung der nächsten Jahre hier die Rodung fortsetzen in der Größenordnung von 100 Hektar. Der Grund für diese Größenordnung ist, dass wir im letzten Jahr hier nicht roden konnten.
    Armbrüster: Das Ganze, Braunkohlegewinnung gerade ganz besonders, ist ja nach wie vor hochumstritten, auch in diesen Tagen, in diesen Wochen. War das jetzt eine kluge Entscheidung, da auch vor einem letzten Gerichtsurteil in dieser Woche schon mal ein Zeichen zu setzen und in dem Wald Protestcamps aufzulösen und dort aufzuräumen, so wie RWE sagt?
    Eyll-Vetter: Was wir in dieser Woche gemacht haben, war nicht ein Zeichen setzen, sondern dabei ging es darum, die Rodungsarbeiten vorzubereiten. Ich sagte gerade schon, dass wir in diesem Jahr etwas mehr roden müssen aufgrund der ausgefallenen Rodungssaison im letzten Jahr. Es ist deswegen notwendig, frühzeitig auch mit der Vorbereitung zu beginnen. Es ist in dieser Woche hier noch nicht mit den Rodungen begonnen worden. Diese können erst zu Beginn der Saison, das heißt im Oktober und dann bis einschließlich Februar durchgeführt werden.
    "Arbeiten waren notwendig"
    Armbrüster: Also Sie müssen auf jeden Fall noch bis Mitte Oktober warten, bis ein weiteres, ein letztes Gerichtsurteil in dieser Sache fällt. Wäre es da nicht klug gewesen zu sagen, gut, wir warten komplett bis zu diesem Tag ab und machen vorher gar nichts?
    Eyll-Vetter: Es sind vorlaufende Arbeiten erforderlich, um dann, wie von Ihnen gerade ausgeführt, im Oktober die Rodungen durchführen zu können. Daher waren die Arbeiten in dieser Woche notwendig.
    Armbrüster: Sie reden jetzt immer von Arbeiten. Da wurden ja ganze Protestcamps aufgelöst. Die Menschen, die Demonstranten, die dort seit einiger Zeit leben, viele von denen haben ihre Hütten verloren, in denen sie dort leben. Noch einmal die Frage: Ist das tatsächlich eine kluge Entwicklung, so einen drastischen Schritt zu tun, ohne die letztendliche Gerichtsentscheidung abzuwarten?
    Eyll-Vetter: Wir sind von den Behörden aufgefordert worden, waldfremdes Material aus dem Wald zu entfernen. Dazu sind wir auch als Eigentümer verpflichtet, und dies haben wir gemacht in dieser Woche.
    Armbrüster: Aber die öffentliche Kritik, die öffentliche Debatte darüber, die kommt bei Ihnen schon an.
    Eyll-Vetter: Das ist die eine Seite der Medaille. Wir erfahren aber auf der anderen Seite auch viel Zuspruch aus der Region von den verantwortlichen Politikern und auch Menschen. Was wir hier machen, ist ja etwas, was notwendig ist, um den Tagebau Hambach weiter betreiben zu können. Es geht hier nicht um eine Erweiterung des Tagebaus, sondern es geht darum, den Betrieb, der seit vielen Jahren läuft, kontinuierlich weiterführen zu können, und dafür sind diese Arbeiten leider notwendig. Auf der anderen Seite des Tagebaus wird natürlich auch in großem Umfang rekultiviert. Wir stellen in gleichem Maße, wie wir Land in Anspruch nehmen, in der Wiedernutzbarmachung Land her, und das ist auch ein Ausgleich neben vielen anderen Dingen, die wir machen, die gerade für die im Wald lebenden Arten umfangreichen Schutzmaßnahmen, die sich auf 1.500 Hektar außerhalb erstrecken.
    Armbrüster: Sie reden da jetzt vom Braunkohletagebau, den Sie da im Hambacher Forst fortsetzen möchten, so wie Sie das sagen. Die Energiegewinnung in Deutschland, die soll ja eigentlich in Zukunft anders aussehen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Ist die Energiewende denn bei RWE schon angekommen?
    Eyll-Vetter: Ja, die Energiewende ist in hohem Maße bei RWE angekommen, und wir sehen auch in dem fortgeführten Ausbau der erneuerbaren und der Fortführung des Braunkohlentagebaus und der Braunkohlenutzung überhaupt keinen Widerspruch. Braunkohle hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zum Partner der Erneuerbaren entwickelt. Unsere Kraftwerke sind so flexibel, dass sie die Schwankungen, die aus der Einspeisung der Erneuerbaren resultieren, ausgleichen können. Braunkohle ist auch dann verfügbar, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
    Armbrüster: Das heißt, Sie wollen Braunkohle auch dann weitermachen, wenn in Deutschland alle Zeichen auf regenerative Energien stehen?
    Eyll-Vetter: Was wir mit der Braunkohle machen, ist, dass wir sie deutlich reduzieren werden in den nächsten Jahren. Wir haben hier einen sogenannten Braunkohlefahrplan entwickelt, der bedeutet, dass wir unsere CO2-Emmissionen gegenüber 2015 schon im Jahr 2030 um 40 bis 50 Prozent reduziert haben werden. Das ist eine gigantische Anpassungsleistung, die wir hier machen, und das versuchen wir, ohne Brüche hinzubekommen, ohne Brüche im System der Energieversorgung und auch ohne Brüche hier in dieser Region.
    "Tagebau ist für 15 Prozent des Stroms in NRW die Quelle"
    Armbrüster: Herr Eyll-Vetter, ich muss da noch mal auf die politische Debatte in Berlin ganz kurz zu sprechen kommen. Da tagt ja seit einiger Zeit die Kohlekommission, die sich mit der Zukunft der Kohle und der gesamten Energiegewinnung in Deutschland beschäftigt, auch mit der Energiewende und wie das organisiert werden soll. Darin sitzt unter anderem auch ein Vertreter des Bundes Umwelt- und Naturschutz Deutschland, BUND, und der BUND, der hat bereits angekündigt, aus der Kohlekommission auszusteigen, wenn RWE jetzt tatsächlich ernst macht mit dieser Rodung. Was würde ein solcher Austritt für Sie, für RWE, bedeuten?
    Eyll-Vetter: Ich glaube, zunächst mal muss man die verschiedenen Zeithorizonte betrachten, um die es hier geht. Bei der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, die in Berlin tagt, geht es um die langfristige Entwicklung der Energieversorgung in Deutschland und damit auch der Kohlenutzung. Hier sind langfristig Veränderungen vorgesehen. Das steht im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen so drin. Hier bei diesem jetzt anstehenden Roden geht es darum, wie können wir kurzfristig schon in den nächsten zwei, drei Jahren hier weitermachen. Die Kohle, die hier jetzt im Tagebau Hambach gewonnen werden soll in den nächsten Jahren, die kann nur dann gewonnen werden, wenn der Tagebau fortgeführt wird, wenn die erste Sohle weiterentwickelt werden kann, und dies ist wiederum nur möglich, wenn auch der Wald vorher gerodet wird. Bitte übersehen Sie nicht, alleine der Tagebau Hambach ist für 15 Prozent des Stroms in Nordrhein-Westfalen die Quelle. Hier wird in hohem Maße Versorgungssicherheit aus dem Tagebau Hambach heraus sichergestellt, und dies kann kurzfristig überhaupt nicht durch einen anderen Energieträger ersetzt werden.
    Armbrüster: Michael Eyll-Vetter war das hier live bei uns in den "Informationen am Morgen", der zuständige Leiter für den Tagebau bei RWE. Ich danke Ihnen vielmals, Herr Eyll-Vetter, für das Gespräch heute Morgen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.