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Hamburg
Hanseatisch gelassen dem Brexit entgegen blicken

Angst vor einem ungeregelten Brexit? Davon ist im Hamburger Hafen und bei Unternehmen aus der Hansestadt nichts zu spüren. Grund dafür ist nicht nur die hanseatische Gelassenheit - sondern auch eine nüchterne Analyse von Daten und Fakten. Einige Unternehmen werden sogar sicher vom Brexit profitieren.

Von Axel Schröder |
    Ein Containerschiff nimmt Ladung auf im Containerhafen in Hamburg
    Hamburger Hafen: Die Anzahl von Containern nach oder aus Großbritannien ist verschwindenden gering im Vergleich zu der Menge aus China (imago/Winfried Rothermel)
    Unglaubliche neun Millionen Container werden pro Jahr über den Hamburger Hafen verschifft. Rund um die Uhr hieven die Kräne auf den Hafenterminals die Ladung aus den Schiffsbäuchen, laden sie um auf LKW, auf die Schiene. Ein harter Brexit wird daran wenig ändern, erklärt Arne Olbrisch, Außenhandelsexperte der Hamburger Handelskammer:
    "Der Zoll geht davon aus, dass sowohl einfuhrseitig als auch ausfuhrseitig die Zahl der Zollanmeldungen um circa drei Prozent steigen wird. Großbritannien ist einfuhrseitig der sechstwichtigste Handelspartner Hamburgs und ausfuhrseitig der fünftwichtigste. Mit Chaos im Hafen rechne ich nicht!"
    Ein paar Formblätter mehr ausfüllen
    Etwa 1.000 Hamburger Unternehmen treiben Handel mit britischen Firmen. Und 200 davon sind Teil eines deutsch-britischen Joint-Ventures oder haben Niederlassungen im Vereinigten Königreich. Unterm Strich werde sich nach einem harten Brexit einfach der zollrechtliche Status britischer Waren ändern. Ähnlich wie bei Importen aus China, Australien oder Südamerika würden dann Formblätter ausgefüllt und der Inhalt von Containern präzise deklariert werden müssen.
    Große Unternehmen wie Beiersdorf oder der Hamburger Chemikalien-Händler Helm kennen sich damit schon heute aus, kleine und mittelständische Betriebe seien dagegen oft nicht so gut vorbereitet, erklärt Handelskammer-Experte Olbrisch:
    "Es wird kritisch für Unternehmen, die auf Just-in-Time-Lieferungen aus Großbritannien angewiesen sind. Und für kleine Unternehmen, die damit noch überhaupt nichts zu tun hatten, mit Außenwirtschaftsverkehr mit Drittländern. Was noch überhaupt nicht absehbar ist, sind tatsächlich die Probleme, die sich in den britischen Häfen ergeben. Man hört ja - ich war selber noch nicht in Dover - wenn sich die Abfertigungszeit um zwei Minuten erhöht, dass wir dann LKW-Schlangen haben über 30 Kilometer. Das ist natürlich etwas, dass wir fürchten, dass es dort Chaos gibt."
    "Es gibt für diesen Fall keine Erfahrungswerte"
    Dieses Chaos in deutschen Häfen, an der deutschen Grenze sollen nach Angaben des Zolls rund 900 zusätzliche Zollbeamte in den Griff bekommen. Wie viele davon im Hafen der Hansestadt eingesetzt werden sollen, ist noch nicht klar.
    Aber wie gut sind die Hamburger Unternehmen tatsächlich auf einen "Hard Brexit" vorbereitet, sollte es dazu kommen und sollte bis Ende März kein anderes Szenario greifen? Darüber will kaum eine Firma Auskunft geben. Auf Presseanfragen kommt fast immer die gleiche Antwort: "Wir sind bestens vorbereitet!" Was das genau heißt, behalten die Presseabteilungen aber für sich. Die Beiersdorf AG teilt immerhin mit, dass "spezielle Teams" des Unternehmens die Lage im Blick behalten. Und dass die Lagerbestände erhöht wurden, um Lieferprobleme zu vermeiden.
    Einerseits, erklärt Henning Vöpel vom Hamburger Institut für Weltwirtschaft, wollen die Firmen sich nicht in die Karten gucken lassen. Andererseits ist aber eben auch noch völlig unklar, wie der Brexit tatsächlich aussehen wird: "Es gibt für diesen Fall keine Erfahrungswerte. Das heißt, es kann sein, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sofort aufgehoben ist. Es kann sein, dass man an der Grenze steht, dass man die Dinge nicht abfertigen kann. Das heißt, man tappt völlig im Dunkeln, wie man sich auf diesen Fall vorbereiten kann."
    Terminalbetreiber: Britische Container nicht entscheidend
    Zu einem Interview über das heikle Thema "Brexit" ist Hans-Jörg Heims bereit. Heims ist Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG, dem größten Terminalbetreiber im Hamburger Hafen. Vielleicht ist er auch deshalb so auskunftsbereit, weil der Logistik-Konzern die Auswirkungen eines harten Brexits nicht wirklich fürchten muss:
    "Ich habe mal die Zahlen für die Monate Januar bis November 2018. Wir haben insgesamt 91.650 Container aus dem Vereinigten Königreich abgefertigt. Aber im Vergleich zu den großen Mengen, die wir etwa aus China hier im Hamburger Hafen umschlagen, ist es eine verschwindend geringe Menge. Es ist wichtig, dass man sich trotzdem darauf einstellt, dass man das berücksichtigt. Aber für unser Geschäft ist es jetzt nicht entscheidend."
    Zollberater werden profitieren
    Nicht nur gelassen, sondern fast schon mit Vorfreude, erwartet Thorsten Porath den Brexit. Poraths Firma ist spezialisiert auf Unternehmensberatung in Zollfragen: "So schlimm, wie ich persönlich den Brexit finde, werden wir voraussichtlich wirtschaftlich davon profitieren, weil wir natürlich den Unternehmen helfen wollen. Gerade denen, die jetzt erstmalig mit Zoll in Berührung kommen. Ich nenne es immer: 'Das Tal der Ahnungslosen'. Weil viele Unternehmen das Thema, denke ich, auch unterschätzen in seiner Komplexität. Und es ist eben auch nicht damit getan, einen Versandmitarbeiter jetzt zu einem Zollseminar zu schicken."
    Im Handel mit britischen Firmen könnte zum Beispiel die Kennzeichnung von Waren zum Problem werden. Dürfen britische Produkte also in Zukunft das "CE"-Kennzeichen tragen, also den Hinweis, dass die Ware europäischen Vorschriften entspricht?
    "Oder bei Chemikalien, bei Waren, die unter REACH fallen. Das ist eine internationale Gefahrstoff-Verordnung. Wenn die in U. K. registriert sind, dann wird das schwierig, mit dem Handel in der EU. Da muss man sich drum kümmern, um zum Beispiel diese Registrierung in Deutschland nachzuholen."
    Aber wie der Brexit tatsächlich vonstattengeht, ob hart oder weich und ob er überhaupt kommt, all das ist nach wie vor gar nicht sicher. Nur so viel scheint sicher: Der angepeilte EU-Austritt der Briten wird von den Hamburger Unternehmen mit hanseatischer Gelassenheit und vor allem größtmöglicher Verschwiegenheit gemanagt.