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Hamburg
Linkes Kollektiv vor der Niederlage

Auf einem kleinen Areal zwischen Ausfallstraßen und Eisenbahngleisen hatten Hamburger Aktivisten einen leerstehenden Kindergarten besetzt. Dort wollten sie auch Flüchtlinge unterbringen. Mit mehreren Hundertschaften wurde das Gelände Anfang des Monats geräumt.

Von Axel Schröder |
    Polizeieinsatz am Hamburger Kulturzentrum "KoZe": Mit zwei Hundertschaften, Wasserwerfern und Räumfahrzeugen wurden Bauarbeiten geschützt; Aufnahme vom 27. Juli 2015
    Polizeieinsatz bei der Räumung des Hamburger Kulturzentrums "KoZe" (picture alliance / dpa)
    KoZe-Aktivistin Julia: "Wir sind eine sehr bunte Gruppe an Menschen! Die von klein auf, klitzekleine Kinder, bis hin ins hohe Alter, aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft auch kommend, hier her kommen und hier sich entfalten und aktiv kreativ werden, sich selbst Dinge beibringen."
    Zum Beispiel, erzählt Julia, eine junge Aktivistin, in der Fahrrad- oder Nähwerkstatt oder beim Schweiß-Workshop, im kleinen Gewächshaus. Auch Rückzugsräume für Flüchtlinge stünden zur Verfügung. Freiraum für Nachbarinnen, Nachbarn und ihre Kinder. In einem ansonsten ziemlich trotzlosen Viertel.
    Zwei Monate liegt diese idyllische Zeit zurück. Auf dem weiten Hof einer längst geschlossenen Schule, gleich neben dem Kollektiven Zentrum, kurz "KoZe", standen zusammengenagelte Skulpturen, auf dem alten Kindergarten-Spielplatz buddelten Kinder im Sand. Dann eskalierte die Situation. Im Juli kam der Investor Dietrich von Stemm zum Ortstermin. Und wurde wenig herzlich empfangen:
    Dietrich von Stemm, ein älterer Herr mit Hemd und Bügelfalte in der Hose, bahnte sich damals tapfer den Weg durch die Räume, umringt von Aktivisten, Schweißperlen auf der Stirn. Und atmete nach dem Ortstermin, auf dem Bürgersteig vor dem KoZe tief durch:
    Von Stemm:"Das ist wohnungspolitisch natürlich ein kleines Fiasko. Und da muss man sich wirklich fragen als Staatsbürger: Wo liegt da der Gemeinsinn? Und da muss man diese Interessen gegeneinander abwägen, ganz normal. Und wenn man dann sagt: Nee, 70, 80 KoZe-Mitglieder sind wichtiger als 400 Wohnungen. Wenn man das tut, dann ist das so. Dann wird dieses Projekt beerdigt. Dann!"
    Mittlerweile ist die Situation klar. Die Abrissbagger rollen. Die Hamburger Finanzbehörde ließ das Gelände räumen, mehrere Hundertschaften wurden Anfang des Monats dafür aufgefahren. Das Zentrum hat keine Zukunft. Dass die Koze-Leute hier auch Flüchtlingen unterbringen wollten, ist aktuell kein Argument – denn der Senat will hier Wintercontainer für Obdachlose aufbauen.
    Der weite Platz hinter dem ehemaligen Kindergarten ist abgeriegelt von einem zweieinhalb Meter hohen Sperrgitter, zusätzlich vernagelt mit massiven Holzplatten, sicher ist sicher. Martin gehört zu den KoZe-Aktivisten, er steigt auf einen Holzpoller, wirft einen Blick rüber zu den Abrissarbeiten. Erzählt vom Bau des Zauns:
    Martin:"Und ohne vorherige Durchsage ist es dann so gewesen, dass die Polizei alle Leute, die hier waren, ins Haus geprügelt haben und getreten haben. Sind dabei äußerst brutal vorgegangen. Gab es auch Verletzte! Haben dann den Bauzaun hier neu errichtet. Jetzt sind das quasi noch drei, vier Meter Abstand zum Haus. Völlig unabhängig von den mietvertraglichen Vereinbarungen!"
    Denn tatsächlich zahlen die vermeintlichen Besetzer jeden Monat Miete. Den Vertrag hat die Stadt im letzten Jahr geschlossen, mit dem Verein KuNaGe, dem Kunstlabor naher Gegenden. Und der Verein hat es den Aktivisten überlassen. Martin schaut über den Zaun, auf den planierten Spielplatz, zum Container für die Wachmannschaft. Die Flutlichtstrahler, die nachts das Gelände ausleuchten, damit die Linksautonomen nicht auf dumme Gedanken kommen. Am Ende noch die leerstehende, denkmalgeschützte Schule besetzen. Dort wollten sie mal einziehen. Den Kindergarten freiwillig räumen und rüber in die alte Schule. Das war der Plan.
    Martin: "Und man muss ja auch schauen, was hier passiert ist in den letzten Wochen. Da fällt es einem auch sehr schwer, überhaupt an eine Verhandlungsbasis zu denken mit der anderen Seite. Es ist für uns eigentlich schwer vorstellbar. Zumal man ja sagen muss: das wird ja hier komplett zugebaut und da ist auch schwer vorstellbar, in einem Wohnkomplex ein Kollektives Zentrum zu machen, unserer Meinung nach."
    Und auch die Hamburger Finanzbehörde hat kein Interesse an weiteren Verhandlungen. Am Ende, so die Aktivisten, werden sie ihr Zentrum kampflos räumen. Aber erst, wenn der Mietvertrag ausläuft, im Frühjahr, im Sommer nächsten Jahres. Dann ist sie vorbei, die kurze Zeit der Anarchie im Schatten der Abrissbagger. Eine neue "Rote Flora" wird es an diesem Ort jedenfalls nicht geben.