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Hamburg
Muslime werben für ein anderes Bild vom Islam

In die Debatte, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht, geht die als liberal geltende muslimische Ahmaddiya-Gemeinde aus Hamburg in die Offensive. In einer Aktion gegen Vorbehalte und Sprachlosigkeit bieten Gemeindemitglieder den Passanten an, Fragen zu beantworten.

Von Axel Schröder |
    Tariq Ahmad vor dem Hambuger Hauptbahnhof. Er ist Mitglied der Ahmadiyyah-Gemeinde in der Stadt.
    Tariq Ahmad vor dem Hambuger Hauptbahnhof. Er ist Mitglied der Ahmadiyyah-Gemeinde in der Stadt. (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    Vor dem Hamburger Hauptbahnhof steht Tariq Ahmad. Auf seinem weißen T-Shirt über dem Pullover steht "Wir sind alle Deutschland", in schwarz-rot-goldenen Buchstaben. "Muslime für Frieden" steht eingestickt auf seinem schwarzen Baseball-Käppi. Vor sich hält Tariq Ahmad ein Plakat in den zugig-kalten Wind auf dem Bahnhofsvorplatz:
    "Ich habe hier ein Schild, wo drauf steht: 'Ich bin Muslim. Haben Sie etwas auf dem Herzen?' Das ist ein Schild, mit dem wir symbolisieren möchten, dass wir auf die Menschen zugehen und dass wir darauf warten, dass sie uns ansprechen und dass wir mit ihnen in Dialog kommen."
    Gewaltverbot, Gleichheit, Toleranz, Grundwerte
    Und am Ende, das ist sein Ziel, sollen die Vorurteile gegenüber Muslimen durch eine positive Botschaft ersetzt werden. Vier zentrale Grundideen der Ahmadiyya-Gemeinde sollen vermittelt werden: das Gewaltverbot, die Gleichheit von Mann und Frau und die Toleranz anderen Religionen gegenüber und die Anerkennung der Grundwerte der Gesellschaft, in der man lebt:
    "Und die positive Botschaft ist, dass der Islam eine friedliche Religion ist, dass der Islam zu Deutschland gehört und dass wir nicht nur ein Miteinander wollen in der Gesellschaft, dass wir ganz normale Bürger sind wie die anderen Bürger auch. Wir gehen auch zur Arbeit, wir zahlen auch unsere Steuern und wir sind loyal gegenüber unserem Land. Das ist unsere Botschaft."
    "Es ist einfach die Realität, dass der Islam hier ist"
    In Hamburg hat die Ahmadiyya-Gemeinde 3.000 Mitglieder, in ganz Deutschland 48.000. Angesichts von insgesamt vier Millionen Muslimen in der Bundesrepublik sei das nicht viel, erklärt der Sprecher der Gemeinde Fasal Ahmad. Trotzdem gehöre die Ahmadiyya gehöre zu den drei größten organisierten Gemeinden in Deutschland. Dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, wie es Bundesinnenminister Horst Seehofer formuliert hat, diese Aussage findet er absurd.
    "Ein Großteil der Muslime bringt sich auch in die Gesellschaft ein, um einen Mehrwert zu schaffen für die Gesellschaft. Und da ist eigentlich egal, ob ein Politiker sagt: 'Der Islam gehört zu Deutschland' oder 'Der Islam gehört nicht zu Deutschland'. Es ist einfach die Realität, dass der Islam hier ist, dass die Muslime hier sind und einfach ein Bestandteil der Gesellschaft sind."
    Von Ablehnung bis Begeisterung über die offene Atmosphäre
    Auch auf den Marktplätzen und Fußgängerzonen im Osten Deutschlands, dort, wo besonders wenige Muslime leben, seien die Mitglieder der Gemeinde schon unterwegs gewesen. Mit unterschiedlicher Resonanz:
    "Es gab auch einige Stimmen, die nicht so begeistert waren davon. Aber eine ganz, ganz große Mehrheit war davon positiv angetan."
    Auf dem Bahnhofsvorplatz schütteln einige Hamburgerinnen und Hamburger kurz den Kopf, wollen das Faltblatt der Aktivisten nicht mitnehmen, eilen geschäftig weiter. Viele bleiben aber auch kurz stehen, kommen ins Gespräch, freuen sich über die Aktion:
    "Ich denke, wir sind alle Menschen, wir haben alle ähnliche Probleme. Und welche Religion, ist mir im Endeffekt scheißegal."
    "Die Aktion, die finde ich sehr gut. Vor allem, weil man mit so einer guten Einstellung da rein geht. So eine offene Atmosphäre."
    "Die einen glauben an den Messias, die anderen warten noch darauf"
    "Diese Herangehensweise an die Deutschen, einfach diese Vorurteile zu durchbrechen und zu sagen: 'Ich bin Muslim, wenn sie mit mir sprechen wollen, sprechen Sie mit mir!' Besser geht nicht!"
    Wie wichtig die Aktion der Ahmadiyya-Gemeinde auch in Hamburg ist, zeigen die immer wiederkehrenden Debatten um die Staatsverträge, die die Stadt schon vor Jahren mit den muslimischen Gemeinden geschlossen hat.
    Als vor zwei Jahren herauskam, dass Mitglieder der vor allem türkisch geprägten DITIB-Gemeinde Erdogan-kritische Mitglieder ausspionierten, wurde der Ruf nach einer Kündigung der Staatsverträge laut. Das Verhältnis zwischen der Ahmadiyyah und den anderen muslimischen Gemeinden sei aber ohnehin unterkühlt, erklärt Sprecher Fasal Ahmad:
    "Das ist in der Theologie begründet, dass die anderen Muslime häufig sagen, dass wir keine Muslime seien, weil wir an den Messias glauben, die anderen warten noch darauf. Das ist der Hauptunterschied, der andere Muslime dazu bringt, mit uns nicht zusammen zu arbeiten."
    Noch bis November wollen Fasal Ahmad und seine Mitstreiter für ein anderes Bild vom Islam werben. An der Uni Hamburg wird es dazu Vorträge geben, dazu die alljährlichen Spendenläufe rund um die Alster oder die Blutspende-Aktion der Gemeindemitglieder. Denn darauf käme es an, erklärt der Sprecher: auf ein gemeinnütziges Engagement für die gesamte Gesellschaft.