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Hamburg
Proteste gegen die Art der Umsetzung der Inklusion

Von Axel Schröder |
    "Wir sollen zwar die Kinder inkludieren, in die Klassen integrieren. Aber wir haben die entsprechenden Ressourcen nicht. Uns fehlen die Lehrerstellen, es fehlt uns an allem! Und unser Schulsenator geht davon aus, dass wir ein Kind pro Klasse haben. Es sind aber manchmal bis zu acht Kinder, die wir fördern sollen. Das muss eine Person machen. Alleine. Das funktioniert nicht."
    1.000 Menschen, viele von ihnen Lehrer, ziehen bei kaltem Nieselregen durch Hamburg, halten ihre Transparente hoch. Ein Spruch darauf:"Inklusion ja, Sparmodell nein!"
    Rund 300 zusätzliche Lehrer sollen in Hamburg neu eingestellt werden: Das ist die zentrale Forderung der Schulleiterverbände der Grund- und Stadtteilschulen. Eine Forderung die Hamburgs Schulsenator Ties Rabe – nach wie vor - kategorisch ablehnt:
    "Schon jetzt ist es so, dass Hamburg für die Inklusion mehr Lehrer bereitstellt als jedes andere Bundesland. Zudem haben wir den Schulen in den letzten Jahren 1.600 zusätzliche Lehrer gegeben. Das heißt, die Schulen haben heute 1.600 Lehrer mehr als noch zu Beginn meiner Amtszeit."
    Und zu diesen 1.600 bereits neu eingestellten Lehrern kommen im Sommer noch einmal 60 weitere Stellen dazu. An der über Hamburgs Landesgrenzen hinaus bekannte Erich-Kästner-Schule geht der Plan auf. Vor einem Jahr wurde die Schule mit dem Jakob-Muth-Preis für Inklusion ausgezeichnet. Die junge Lehrerin Janna von Stein unterrichtet hier. Sie hat sich die Schule bewusst ausgesucht.
    "Wir sehen bei unseren Schülern: Die sind sozial komplett integriert. Ich weiß nicht, ob Sie feststellen konnten, wer denn hier überhaupt betroffen ist. Das ist supertoll zu sehen. Die sind beim Lernen dann ein bisschen langsamer, aber auf dem Schulhof sind sie dann wieder die tollsten Fußballer. Das ist das, was wir so gut finden."
    Aber auch die vorbildhafte Situation an der Erich-Kästner-Schule wird sich, so ihr Leiter Pit Katzer, auf lange Sicht nicht halten lassen. Der Kampf um die Inklusion ist in Hamburg vor allem ein Kampf um Zahlen, Statistiken und Gutachten. Zuletzt kam eine Untersuchung der Schulbehörde zum Ergebnis: An den Schulen gebe es zwar mehr Kinder mit besonderem Förderbedarf als gedacht. Aber nicht so viele, wie von den Lehrer- und Schulleiterverbänden behauptet. Deshalb sollen im Sommer 60 neue Lehrer aber nicht die von den Verbänden geforderten 300. Der Senator hält dagegen:
    "Wir glauben umgekehrt, die vielen, vielen Stellen, zum Beispiel durch die Verkleinerung der Schulklassen, die wir in den Grundschulen vorgenommen haben oder die Unterrichtsentlastung für Stadtteilschullehrer, die heute weniger unterrichten müssen, damit sie mehr Zeit für gute Vorbereitung haben – das alles muss man in einem Paket zusammen sehen."
    Die Lehrer, die gestern bei kaltem Nieselregen protestierend durch Hamburg zogen, überzeugen die Argumente von Hamburgs Schulsenator nicht. Weder sein Verweis auf die 1.600 neu geschaffenen Stellen, noch die im Vergleich zu anderen Bundesländern angeblich viel bessere personelle Ausstattung. Die Realität, so ein junger Lehrer im Demo-Zug, sehe anders aus:
    "Zum Beispiel haben wir bei uns an der Schule auch das Problem: Wir sind vierzügig geplant, also für vier Klassen – a, b, c, d – und sind fast durchgängig sechszügig. Das heißt, uns fehlen 50 Prozent der Räume. Und jetzt kommt die Inklusion noch obendrauf. Ich heule tatsächlich nicht rum. Ich mache das alles gern. Aber man kann so etwas nicht machen, ohne dafür Geld auszugeben, das funktioniert einfach nicht. Und nur, weil die anderen Bundesländer noch beschissener aufgestellt sind als wir, macht es das ja nicht besser, wie das unser Senator so sagt."