Das vorläufige Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl fällt für die CDU mager aus: 15,9 Prozent, das sind sechs Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. So wenige Stimmen haben die Christdemokraten in keinem anderen Länderparlament. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt das schwache Abschneiden und die deutlichen Verluste mit der hohen Volatilität: Die Stammwählerschaft sei in Hamburg sehr klein; dagegen hätten die Wähler sehr stark auf die Machtoption geschaut - und die sei als sehr eingeschränkt gesehen worden, weil "der Amtsinhaber keinerlei Fehler" gemacht habe. Wegen der guten Stimmung in der Hansestadt sei auch die "Wechselstimmung nicht so stark ausgeprägt, wie wir uns das gewünscht hatten". Doch von einer Krise mag die Kanzlerin nicht sprechen: Gefragt nach den Lehren, die die CDU aus dieser Wahl ziehen müsse, sagte die Parteivorsitzende, Hamburg sei sehr speziell und nicht vergleichbar.
CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich sprach von einer "historisch niedrigen Wahlbeteiligung unserer Wählerschaft". Hamburg schieße "deutschlandweit den Vogel ab", was die Flexibilität der Wähler angehe. Außerdem hätten sich die Medien weniger für die Themen interessiert, sagte Wersich. "Die öffentliche Aufmerksamkeit drehte sich um Umfragen."
Deutliche Kritik kam dagegen von dem CDU-Vizevorsitzenden Volker Bouffier. "Ganz offenkundig haben wir dort kein Thema gefunden, das unsere Wähler wirklich auf die Beine gebracht hätte." Das Ergebnis sei "eine ordentliche Klatsche" gewesen, die Niederlage habe sich aber über längere Zeit angedeutet, sagte der hessische Ministerpräsident. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sagte, die CDU habe in Hamburg keine Perspektive für eine Regierungsbeteiligung bieten können. "Man muss aufzeigen, dass wir auch in den Ländern gute Leute haben."
Grüne wollen sich teuer verkaufen
Die Grünen sind mit 12,3 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Sie wollen nicht um jeden Preis in eine Koalition mit der SPD und Bürgermeister Olaf Scholz eingehen. "Wir werden uns nicht billig verkaufen", sagte die Bundesvorsitzende Simone Peter in Berlin. Eine rot-grüne Koalition in der Hansestadt werde es nur geben, "wenn die Inhalte stimmen". Als Kernforderung nannte Peter eine humane Flüchtlingspolitik.
Die Hamburger Spitzenkandidatin Katharina Fegebank betonte, zur Hamburger Olympiabewerbung für 2024 sagten die Grünen "Ja, aber". Die Bewerbung sei eine großartige Chance, es dürfe aber nicht zu einer Kostenexplosion wie beim Bau der Elbphilharmonie kommen. Die Grünen fordern eine Volksabstimmung. Zum zwischen SPD und Grünen strittigen Thema Elbvertiefung wollte sich Fegebank nicht äußern.
Scholz warnt vor zu starkem Auftrumpfen
Der Wahlsieger und Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) warnte seinen Wunschpartner vor zu großen Ansprüchen. Die SPD habe mit 45,7 Prozent nur knapp eine erneute absolute Mehrheit verpasst, sagte Scholz. "Damit ist auch eine inhaltliche Botschaft verbunden, wie die Stadt sich weiter entwickeln soll." Eine Botschaft, die auch für andere von Bedeutung ist, gehe von diesem Hamburger Votum aus.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte mit Blick auf die Umfragewerte von rund 25 Prozent im Bund, zwar sei die SPD im Norden stark, aber im Süden und Osten noch zu schwach. Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagte der "Rheinischen Post": "Das Hamburger Ergebnis ist in erster Linie ein großer persönlicher Erfolg von Olaf Scholz, aber damit macht er auch der gesamten SPD Mut."
Der Politologe Everhard Holtmann nennt den Erfolg der SPD und das Ergebnis der FDP im Deutschlandfunk "ein Hamburger Phänomen".
Richtungsstreit in der AfD
Die Alternative für Deutschland (AfD) holte aus dem Stand 6,1 Prozent. Der Vize-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel wertete das Wahlergebnis als Bestätigung für seinen wirtschaftsliberalen Kurs. Der rechtskonservative Flügel übte Kritik: Die Co-Vorsitzende Frauke Petry sagte der Zeitung "Die Welt", die AfD hätte besser abgeschnitten, wenn sie stärker auf "originäre AfD-Inhalte wie innere Sicherheit, Islam und Zuwanderung gesetzt hätte". Henkel erklärte dagegen, ohne die in der öffentlichen Wahrnehmung zu große Nähe der AfD zur islamkritischen Dresdner Pegida-Bewegung hätte die Partei mehr Sitze errungen. Parteichef Bernd Lucke sagte, künftig müsse seine Partei attraktiver für FDP-Wähler werden.
Viele CDU-Anhänger wählten FDP
Die FDP profitierte am stärksten von ehemaligen CDU-Wählern. Nachdem der Wiedereinzug der Liberalen in die Bürgerschaft lange auf der Kippe gestanden hatte, wechselten 9.000 ehemalige CDU-Wähler zur FDP. Am Ende verbuchten die Freidemokraten mit 7,4 Prozent ein leichtes Plus. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sagte im Deutschlandfunk, er habe festgestellt, dass der Zulauf zur FDP dramatisch zugenommen habe, ebenso die öffentlichen Bekenntnisse zur Partei. Die Häme sei weg, das Interesse da, daraus könne man Zustimmung machen.
Weitere Informationen zur Bürgerschaftswahl in Hamburg.
(sdö/tj)