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Hamburger Unternehmen
Klavierflügel zur Miete und als Wertanlage

Die Klangmanufaktur in Hamburg restauriert gebrauchte Steinway-Flügel. Das Unternehmen verkauft diese Instrumente nicht nur, sondern vermittelt bei Bedarf auch einen Mieter. Ein Geschäftsmodell, von dem Pianisten und Anleger profitieren sollen.

Von Manuel Rademacher |
    Ein Klavier.
    Das Hamburger Unternehmen versucht bei der Restaurierung auch den Klang des Instruments zu optimieren (imago/imagebroker)
    Es ist eine alte Keksfabrik im Hamburger Ortsteil Hammerbrook, in der die Klangmanufaktur ideale Arbeitsbedingungen gefunden hat. In hellen, großen Räumen und breiten Gängen, durch die man problemlos auch einen D-Flügel schieben kann, arbeiten die rund 15 Mitarbeiter des noch jungen Unternehmens. Beinahe alle von ihnen bringen aber langjährige Erfahrungen mit den Instrumenten der Firma Steinway & Sons mit. Geschäftsführer Oliver Greinus etwa war jahrelang Leiter der Konstruktionsabteilung bei Steinway in Hamburg, bevor er mit drei Kollegen die Klangmanufaktur gründete, eine Werkstatt für Generalüberholung und Klangoptimierung von Flügeln.
    In dieser Zeit erlangte Greinus zwei wichtige Erkenntnisse: zum einen, dass Steinway zwar Flügel auf höchsten Niveau herstellt, aber aufgrund seiner Serienfertigung in vielen Bereichen Kompromisse eingehen muss. Er war überzeugt, bei individueller Betrachtung der Instrumente noch mehr von ihrem klanglichen Potenzial hervorbringen zu können. Zum anderen wurde Greinus bewusst, dass die hohen Preise von häufig mehr als 100.000 Euro, die allermeisten Musiker vom Kauf eines Steinways ausschließen.
    "Der Steinway-Absatz findet einfach zu immer stärkeren Maße im Prestigesegment statt. Das heißt, man hat diese Instrumente wirklich nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht und dann stehen sie in irgendwelchen vornehmen Wohnzimmern, wo es eigentlich nur auf den Schriftzug 'Steinway' in der offen stehenden Tastenklappe ankommt."
    Flügel, die Gänsehaut erzeugen
    Der Steinway als Prestigesymbol, als Luxusgut. Dieses Bild hat sich tatsächlich in Teilen verfestigt - doch das war nicht immer so, ergänzt Oliver Greinus.
    "In den 70er-, 80er-Jahren zum Beispiel war der Steinway-Flügel der Flügel der Klavierlehrer. Heutzutage, junge Klavierlehrer, die anfangen, das sind einfachste Instrumente, auf denen die unterrichten. Und das ist aus meiner Sicht einfach grundverkehrt. Da gehören die besten Instrumente hin! Wenn ich aber ein Flügel habe, bei dem ich eine Gänsehaut bekomme, wenn ich den anspiele, dann ist das was anderes: Das reizt und das lockt!"
    Instrumente, die begeistern und in ihrem Klang einzigartig sind, sind erklärtes Ziel der Klangmanufaktur. Ihre alte Seele herausholen - nennt Greinus das - und sie zugleich den individuellen Bedürfnissen von Pianisten anpassen. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er eine eigene Klangphilosophie entwickelt. Klar und direkt soll die Ansprache sein, unverhüllt, ohne Trägheit, Reibung und Energieverluste. In der Tat werden diese Flügel von Pianisten in höchsten Tönen gelobt. Doch fordert dies neben Erfahrung und Wissen, viel zeitlichen Aufwand und Geduld - und das wiederum seinen Preis. Die gebrauchten und klangoptimierten Flügel aus der Klangmanufaktur kosten noch immer rund 70 Prozent des Neupreises. Die zündende Idee, wie die Instrumente dennoch ihren Weg aus der Luxusecke finden könnten, lieferte Oliver Greinus schließlich das Telefonat mit einem Bekannten.
    "Der rief dann an und meinte, er wollte sich gerade eine Immobilie kaufen, das Geschäft ist aber leider geplatzt und er hat mal was in der Zeitung gelesen von Steinway und Wertanlage, ob wir ihm dazu was sagen können. Daraufhin haben wir gesagt: Können wir dir sagen. Du kannst dir bei uns einen Flügel kaufen, da freuen wir uns und den kannst du zehn Jahre in dein stilles Kämmerlein stellen und dann, wenn du ihn verkaufst, dann wirst du herbe ernüchtert sein, weil das ist nicht das, was du dir unter einer Wertanlage vorgestellt hast. Da stellt man sich ja auch vor, dass man danach irgendwie mehr hat als vorher. Was du aber machen kannst: Du kannst ihn vermieten. Und dann war’s ruhig am Telefon und dann sagte er: Ja, aber ich kenne doch niemanden, wen soll ich den vermieten? Und das war endlich der Zeitpunkt, wo bei uns der Groschen fiel, weil wir gedacht haben: Ja, die kennen wir doch!"
    Käufer und Mieter zusammenbringen
    Käufer und Mieter von Steinway-Flügeln zusammenzubringen ist seitdem ein wesentliches Fundament des Unternehmens. Das Prinzip ist dabei recht simpel: Mit dem Kauf des Instruments schließt der Käufer zusätzlich einen zehnjährigen Verwaltervertrag mit der Klangmanufaktur ab. Diese kümmert sich in den zehn Jahren um die Pflege und Vermietung des Flügels. Vermietet wird stets zu vier Prozent des Kaufpreises, welche die Klangmanufaktur direkt an den Käufer weiterreicht. 200 bis 300 Euro beträgt in den meisten Fälle die Miete, bzw. für den Wertanleger die Rendite. Zudem ist er Eigentümer eines Flügels, der bei guter Pflege keinerlei Wert verliert.
    Finanziell also für alle Beteiligten ein interessantes Modell und doch sind alle bisherigen Wertanleger der Klangmanufaktur Überzeugungstäter, wie etwa die Rechtsanwältin Eva Romatzeck.
    "Das Musikerleben ist knallhart. Und viele Musiker verdienen wenig Geld, insbesondere wenn sie jung, aufstrebend, in der Ausbildung, in den Anfängen stehen. Und wenn die dann noch mit schlechten Instrumenten arbeiten müssen, ist es natürlich nicht unbedingt die gelungene Kombination. Wenn dann ein Flügel, also ein richtig gutes Instrument zur Verfügung gestellt werden kann, für verhältnismäßig wenig Geld, da habe ich gesagt: Das muss man fördern. Ich finde das Gesamtkonstrukt ist eigentlich so das ausschlaggebende und dass man dann auch noch Geld damit verdient, das ist so das Bonbon dazu."
    20 Insturmente in zwei Jahren vermittelt
    Knapp 20 Instrumente wurden in den letzten zwei Jahren generalüberholt, verkauft und vermietet. Unter den Mietern sind ebenso ein Klavierlehrer wie Studierende aber auch der Klassik-Streaming-Dienst IDAGIO. Auch mehrere Veranstaltungsorte wie der Tschaikowsky-Saal in Hamburg und das Zeiss-Großplanetarium in Berlin zählen dazu. Hier ist der Komponist und Pianist Arno Lücker als Veranstalter und Moderator von Konzerten tätig. Für ihn liegen die Vorteile der Flügelmiete auf der Hand.
    "Naja, also wir geben viele tausende Euro weniger aus, weil wir eben einen Flügel fest dastehen haben und der steht auf der kleinen Bühne des Planetariums und der wird eigentlich jede Woche bespielt von verschiedenen Pianisten."
    Vor der dauerhaften Anmietung musste Arno Lücker für seine monatliche Konzertreihe zu jeder einzelnen Veranstaltung einen Flügel anliefern lassen. Dies schuf hohe Miet- und Transportkosten. Für weniger als die Hälfte dieses Geldes steht Lücker und anderen Nutzern nun jeder Zeit ein Instrument zur Verfügung. Orten dieser Größe schafft das ganz neue Möglichkeiten.
    "Für Spielstätten, die eben einen Flügel gebrauchen können, weil eben Ideen schon da sind: Lass uns doch hier mal eine Klavierreihe machen; in kleineren, mittleren Städten dafür ist das eben eine ganz hervorragende Sache. Ich meine, ich kenn es als Pianist ja auch: Man kommt hin und es steht wirklich in so einer Schulaula das heruntergekommenste Instrument, wo nichts mehr stimmt. Wenn sich das Modell durchsetzt, dann stehen in Zukunft an mehreren Orten bessere Instrumente für wenig Geld."