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Hamburgs SPD-Kultursenator Carsten Brosda
"Bestmögliche Bedingungen für Kunst und Kulturproduktion"

Vor der Bundestagswahl will die SPD Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern, um Etatkürzungen in der Pandemie zu erschweren, so Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda im Dlf. Es sei ein Argument für die, die sagten: "Gefährdet nicht die Infrastruktur, nur weil wir in eine staatliche Finanzierungs-Schwierigkeit kommen."

Carsten Brosda im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien in Hamburg, trägt einen Mundschutz mit der Aufschrift "Kultur" nach seiner Vereidigung wärend einer Sitzung der Bürgerschaft im Großen Festsaal im Rathaus. 108 Tage nach der Bürgerschaftswahl haben die Abgeordneten einen neuen Bürgermeister gewält und einen neuen Senat, dem elf Senatorinnen und Senatoren angehören - vier Frauen und acht Männer.
Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien in Hamburg (dpa/Pool/ picture alliance)
Die Corona-Pandemie hat die Kultur ins Mark getroffen. Künstlerinnen und Künstler wurden besonders hart von den Auswirkungen der Corona-Pandemie getroffen. Sie sind nicht ausreichend abgesichert, viele Institutionen stehen vor dem Aus oder werden nach dem Ende der Pandemie nicht so weitermachen können wie zuvor. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ein milliardenschweres Hilfspaket geschnürt, das allerdings vielfach nicht abgerufen werden kann. Nun will die SPD die Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern und das komplizierte Verhältnis von Bund, Ländern und Kommunen mit einem "kooperativen Kulturföderalismus" neu beleben. Das sieht das Konzept "Kultur stärken!" vor, der Parteivorstand hat es verabschiedet. Entstanden ist es unter Federführung von Hamburgs Kultursenator und dem Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins, Carsten Brosda. Auf die Frage, wie sich der Blick auf die Kultur mit der Corona-Krise verändert hat, erklärt Brosda:
Brosda: Dass Kultur als Staatsziel, genauer der Satz: "Der Staat schützt und fördert die Kultur" ins Grundgesetz aufgenommen werden soll, ist tatsächlich nicht neu. Es wird auch immer wieder darüber diskutiert. Doch bisher ist aber nie etwas geschehen. Ich glaube schon, dass es zum einen auf einer symbolischen Ebene ein wichtiges Signal ist, sich auch gerade nach den Erfahrungen des letzten Jahres nochmal als Gesamtstaat explizit zur Verantwortung für den Schutz und für die Förderung der Kultur zu bekennen. Zum anderen hat das dann natürlich nicht unmittelbar praktische Auswirkungen, aber mittelbar. Wenn es beispielsweise vor Ort in der Kommune darum geht, darüber zu sprechen, ob man jetzt bei den Kulturausgaben leichter kürzen kann, als bei anderen, ist das zumindest ein Argument mehr für diejenigen, die sagen: "Passt auf, gefährdet nicht die Infrastruktur, nur weil wir in eine staatliche Finanzierungs-Schwierigkeit kommen, sondern sorgt dafür, dass wir die Bereiche, die für Sinn und Perspektive in unserer Gesellschaft sorgen, auch ausreichend zukünftig finanziert sind und weiter gestalten können." Insofern glaube ich, dass das mehr als nur ein Symbol ist, sondern tatsächlich ein echtes Pfund in der politischen Debatte sein kann. Unbedingt eins, das nötig ist.

Schnittstelle Bund und Länder

Reinhardt: Sie haben es ja auch schon zwischen den Zeilen gesagt: Kultur ist Ländersache. Überhaupt, könnte man jetzt auch sagen, haben wir nur so viel Kultur, weil Deutschland eine lange Geschichte des Föderalismus hat, beziehungsweise der Vielstaaterei. Aber funktioniert diese Länderhoheit nicht mehr?
Brosda: Doch die funktioniert an vielen Stellen noch sehr gut. Und das Grundgesetz würde ja in dem Sinne auch nicht nur den Bund binden, sondern es richtet sich ja im Prinzip an den Gesamtstaat und das ist auch ein vernünftiger Hinweis. Und ansonsten geben wir in dem Papier ja eine ganze Menge Hinweise, die immer wieder sagen: Wir müssen darauf achten, dass die jeweiligen staatlichen Ebenen, die die kulturpolitische Verantwortung tragen, auch in der Lage sind, das zu tun. Es darf jetzt nicht passieren, dass wir in Finanzierungs-Klemmen auf kommunaler Ebene in den kommenden Jahren kommen und der Bund dann quasi kompensatorische Ersatzprogramme auflegt und sich so klammheimlich immer mehr kulturpolitische Zuständigkeiten "herbeisubventioniert", wenn man das Böse formulieren will, sondern Bundeskunstpolitik heißt auch Rahmenbedingungen gestalten in der Finanzverfassung des Landes, in den ordnungspolitischen Maßgaben, die auch für eine privatwirtschaftliche Kulturproduktion da sind und in dem Geflecht der verschiedenen Akteurinnen und Akteure, die Kulturpolitik und -förderung gestalten. Als Moderator unter Umständen auch tätig zu werden für einen besseren Verständigungsprozess.
Wir haben eine ganze Menge hinbekommen in den letzten zwanzig Jahren, seitdem es den Beauftragten für Kultur und Medien im Bundeskabinett gibt. Aber es ist jetzt nicht so, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern schon reibungslos funktioniert. Da können wir sicherlich noch besser werden und dann müssen wir auch noch besser werden, weil wir diese ritualhaften Abgrenzungsspielchen, wo der eine sagt:" Ihr seid zu unkoordiniert" und die anderen sagen: "Aber wir sind zuständig und du nicht" wieder aufhören, das bringt ja nichts. Es kommt darauf an, dass wir gemeinsam unsere Kräfte bündeln und miteinander in einer kooperativ gelebten föderalistischen Struktur die bestmöglichen Bedingungen für Kunst und Kulturproduktion und -rezeption schaffen.

Restitution ohne Ausreden

Reinhardt: Dieses Papier dreht sich ja nicht nur um Corona, es geht ja weit darüber hinaus. Es geht um gesellschaftliche Debatten, um mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Sie wollen eine Quotierung sichern, auch einen veränderten Umgang mit dem kolonialen Erbe. Das Berliner Humboldt-Forum soll dabei Maßstäbe entwickeln und setzen. Wie kann das ausgerechnet mit diesem viel kritisierten Haus geschehen?
Brosda: Es muss da geschehen, nicht ausschließlich da, sondern wir haben ja mehrere Häuser, die sich mittlerweile auf den Weg gemacht haben. Die Bundeskulturstiftung fördert ja auch drei weitere Häuser in Leipzig, in Hamburg und in Stuttgart, die sich ebenfalls intensiv in der Frage der Ausgestaltung ihrer Sammlungen mit Blick auf das koloniale Erbe begegnen. Wir haben zwischen Bund und Ländern eine Kontaktstelle etabliert. Wir haben gemeinsame Eckpunkte entwickelt, wie wir mit diesen Verfahren umgehen wollen. Aber der Ort, auf den viele schauen, ist das Humboldt-Forum.
Insofern wird es auch darum gehen, dort exemplarisch Antworten zu entwickeln, wie wir damit umgehen. An der Stelle ist für mich vollständig klar: Es wird nicht anders gehen, als dass wir auch staatlich deutlich sagen: Wir wollen ordentlich restituieren, wenn Ansprüche bestehen. Und wir wollen auf der Basis dieser Bereitschaft in eine veränderte Kooperationsbeziehung mit den Herkunfts-Gesellschaften kommen. Das wird eine andere Form des Umgangs damit sein.
Diese ganzen Schutzbehauptungen, die da momentan teilweise noch in der Debatte sind, so nach dem Muster: "Na ja, dann wissen wir ja nicht, was damit passiert, wenn wir das zurückgegeben haben. Gibt's denn da überhaupt Museen und dergleichen?" Die sind Gott sei Dank in den letzten Jahren schon erheblich zurückgedrängt worden. Wir haben dann eine Chance, wirklich zu einem veränderten Gespräch weltweit über die Frage: Wo liegt eigentlich, welches kulturelle Erbe und wo gehört es hin, zu kommen. Das wird aber bedeuten, dass wir Dinge zurückgeben. Das wird bedeuten, dass wir dann künftig in den Häusern Geschichten rund um die Lücken in den Sammlungen, die dort sein werden, erzählen, weil die auch eine ganze Menge über die Art und Weise, wie wir global miteinander umgehen, sagen können.