Burkhard Müller-Ullrich: Die Berliner Schaubühne spielt zum ersten Mal in den palästinensischen Gebieten. In Ramallah im Westjordanland gastiert Thomas Ostermeiers Erfolgsinszenierung von Shakespeares "Hamlet" – ein Projekt, das schon seit Längerem geplant war, letztes Jahr aber erst mal verschoben wurde, nachdem der Chef des Freedom Theatre in Dschenin, Juliano Mer-Khamis, auf der Straße vor seinem Theater ermordet worden war. Ich habe vor der Sendung mit Thomas Ostermeier gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob denn inzwischen bekannt ist, wer der oder die Täter war oder waren.
Thomas Ostermeier: Nein. Es gibt verschiedene Spekulationen. Was, glaube ich, wichtig ist zu erzählen, ist, dass die palästinensische Autonomiebehörde, die ja für dieses Gebiet zuständig ist und auch die Polizeihoheit hat, sehr schnell die Ermittlungen niedergelegt hat und an die israelische Armee übergeben hat und dass seit dieser Übergabe an die israelische Armee mehrere Mitarbeiter dieses Theaters verhaftet wurden. Also, da kann man bestimmt sagen, dass die israelische Armee es nutzt, auch als ein Vorwand, um die Verhältnisse hier an dem Theater zu destabilisieren und das Theater auch auf eine subtile Art und Weise infrage zu stellen.
Müller-Ullrich: Es ist ja nicht ganz ohne, überhaupt dort Theater zu spielen. Es gibt auch Kräfte innerhalb der Palästinenser, die das natürlich nicht mögen. Fühlen Sie sich denn willkommen?
Ostermeier: Die palästinensische Gesellschaft ist genauso divers wie viele Gesellschaften, mit einem erweiterten Spektrum am fundamentalistischen und islamischen Rand, aber auch mit der anderen Seite des Spektrums von einem aufgeklärten, kunstinteressierten, engagierten Bereich der Bevölkerung, die versucht, die anderen Kräfte, nämlich die säkularen Kräfte, zu stärken. Von daher kann man grundsätzlich sagen, ich fühle mich hier sehr, sehr willkommen.
Müller-Ullrich: Was sind das für Workshops, die Sie da abgehalten haben? Wer kommt dahin und wem nutzt das?
Ostermeier: In dem Workshop haben wir das Angebot gemacht an alle Schauspieler, Schauspielstudenten aus der Westbank – und da waren Schauspieler und Studenten aus Bethlehem, aus Nablus, aus Hebron, aus Dschenin, aus Ostjerusalem und aus Ramallah, eine Gruppe von 25 Leuten -, und ich habe mit ihnen über Hamlet gearbeitet, weil wir das ja auch hier bringen. Und nehme in so einem Workshop immer als Anlass Themen aus dem Stück und frage dann die Teilnehmer, ob sie ähnliche Erfahrungen in ihrem eigenen Leben gemacht haben. Und wenn man dann so ein Stück nimmt wie Hamlet, wo der alte Hamlet von seinem Bruder ermordet wurde und jetzt als Geist seinen Sohn, den jungen Hamlet aufruft, mit der Waffe in der Hand Rache zu nehmen und seinen Onkel umzubringen. Wo man von einer Welt erzählt, Hamlet sagt, ganz Dänemark ist ein Gefängnis, dann sagt die Gruppe des Workshops, ja die ganze Westbank ist auch ein Gefängnis. Jedes dieser Themen in dem Stück ist bedrückend und unglaublich viel näher an der Realität hier in der Westbank als zum Beispiel an der westeuropäischen oder deutschen Realität.
Müller-Ullrich: Jetzt ist ja morgen die Premiere. Wie hat man sich das technisch vorzustellen? Mit wie vielen Leuten sind Sie da, was für Bedingungen finden Sie vor?
Ostermeier: Wir sind ja ziemlich viel weltweit unterwegs. Wir haben "Hamlet" in 30 Städten auf der ganzen Welt mittlerweile gezeigt. Wir konnten allerdings hier, weil wenn wir woanders gastieren, werden wir von großen Festivals eingeladen, die genügend Geld haben, um die Reise zu bezahlen, um den Transport des Bühnenbilds zu bezahlen, die Unterkünfte, die Hotels. Das geht hier alles nicht, weil das doch eine der ärmsten Regionen der Welt ist. Und wir haben deshalb eine Unterstützung vom Auswärtigen Amt bekommen, die allerdings sehr gering ist und die so gering war, dass wir unser Bühnenbild nicht hierher bringen konnten. Und haben dann uns verabredet mit den Leuten vom Al Kasaba-Theater, dass wir fünf Techniker von uns mitbringen, also Ton, Licht, Bühne, Requisite. Und mit den Leuten hier vor Ort das Bühnenbild bauen. Was wir morgen hier zeigen, ist so eine Unplugged-Version von "Hamlet", gebaut von den Technikern von uns und den Palästinensern hier innerhalb von fünf Tagen, was eine ganz tolle Erfahrung war. Da hatten wir vorher auch erst Angst davor, ob das überhaupt alles klappt. Aber die Improvisationsgabe und auch die nachbarschaftlichen Beziehungen sind großartig. Wir haben von einer Baustelle gegenüber das Holz bekommen, was wir wieder zurückgeben müssen. Wir haben die Erde für Hamlet auch aus einem Geschäft bekommen, die geben wir wieder zurück, und unser Bogen aus "Hamlet", wo der Vorhang dranhängt, der in Berlin aus Metall ist, den haben wir hier nachgebaut und das sind die Leitern aus der letzten Aufführung von Juliano Mer-Khamis, die Premiere, die er in Ramallah hatte, dem Tag, bevor er in Dschenin ermordet wurde.
Müller-Ullrich: Der Regisseur Thomas Ostermeier gastiert gerade im Westjordanland mit seiner vier Jahre alten Hamlet-Inszenierung von der Berliner Schaubühne. Das Gespräch wurde vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Ostermeier: Nein. Es gibt verschiedene Spekulationen. Was, glaube ich, wichtig ist zu erzählen, ist, dass die palästinensische Autonomiebehörde, die ja für dieses Gebiet zuständig ist und auch die Polizeihoheit hat, sehr schnell die Ermittlungen niedergelegt hat und an die israelische Armee übergeben hat und dass seit dieser Übergabe an die israelische Armee mehrere Mitarbeiter dieses Theaters verhaftet wurden. Also, da kann man bestimmt sagen, dass die israelische Armee es nutzt, auch als ein Vorwand, um die Verhältnisse hier an dem Theater zu destabilisieren und das Theater auch auf eine subtile Art und Weise infrage zu stellen.
Müller-Ullrich: Es ist ja nicht ganz ohne, überhaupt dort Theater zu spielen. Es gibt auch Kräfte innerhalb der Palästinenser, die das natürlich nicht mögen. Fühlen Sie sich denn willkommen?
Ostermeier: Die palästinensische Gesellschaft ist genauso divers wie viele Gesellschaften, mit einem erweiterten Spektrum am fundamentalistischen und islamischen Rand, aber auch mit der anderen Seite des Spektrums von einem aufgeklärten, kunstinteressierten, engagierten Bereich der Bevölkerung, die versucht, die anderen Kräfte, nämlich die säkularen Kräfte, zu stärken. Von daher kann man grundsätzlich sagen, ich fühle mich hier sehr, sehr willkommen.
Müller-Ullrich: Was sind das für Workshops, die Sie da abgehalten haben? Wer kommt dahin und wem nutzt das?
Ostermeier: In dem Workshop haben wir das Angebot gemacht an alle Schauspieler, Schauspielstudenten aus der Westbank – und da waren Schauspieler und Studenten aus Bethlehem, aus Nablus, aus Hebron, aus Dschenin, aus Ostjerusalem und aus Ramallah, eine Gruppe von 25 Leuten -, und ich habe mit ihnen über Hamlet gearbeitet, weil wir das ja auch hier bringen. Und nehme in so einem Workshop immer als Anlass Themen aus dem Stück und frage dann die Teilnehmer, ob sie ähnliche Erfahrungen in ihrem eigenen Leben gemacht haben. Und wenn man dann so ein Stück nimmt wie Hamlet, wo der alte Hamlet von seinem Bruder ermordet wurde und jetzt als Geist seinen Sohn, den jungen Hamlet aufruft, mit der Waffe in der Hand Rache zu nehmen und seinen Onkel umzubringen. Wo man von einer Welt erzählt, Hamlet sagt, ganz Dänemark ist ein Gefängnis, dann sagt die Gruppe des Workshops, ja die ganze Westbank ist auch ein Gefängnis. Jedes dieser Themen in dem Stück ist bedrückend und unglaublich viel näher an der Realität hier in der Westbank als zum Beispiel an der westeuropäischen oder deutschen Realität.
Müller-Ullrich: Jetzt ist ja morgen die Premiere. Wie hat man sich das technisch vorzustellen? Mit wie vielen Leuten sind Sie da, was für Bedingungen finden Sie vor?
Ostermeier: Wir sind ja ziemlich viel weltweit unterwegs. Wir haben "Hamlet" in 30 Städten auf der ganzen Welt mittlerweile gezeigt. Wir konnten allerdings hier, weil wenn wir woanders gastieren, werden wir von großen Festivals eingeladen, die genügend Geld haben, um die Reise zu bezahlen, um den Transport des Bühnenbilds zu bezahlen, die Unterkünfte, die Hotels. Das geht hier alles nicht, weil das doch eine der ärmsten Regionen der Welt ist. Und wir haben deshalb eine Unterstützung vom Auswärtigen Amt bekommen, die allerdings sehr gering ist und die so gering war, dass wir unser Bühnenbild nicht hierher bringen konnten. Und haben dann uns verabredet mit den Leuten vom Al Kasaba-Theater, dass wir fünf Techniker von uns mitbringen, also Ton, Licht, Bühne, Requisite. Und mit den Leuten hier vor Ort das Bühnenbild bauen. Was wir morgen hier zeigen, ist so eine Unplugged-Version von "Hamlet", gebaut von den Technikern von uns und den Palästinensern hier innerhalb von fünf Tagen, was eine ganz tolle Erfahrung war. Da hatten wir vorher auch erst Angst davor, ob das überhaupt alles klappt. Aber die Improvisationsgabe und auch die nachbarschaftlichen Beziehungen sind großartig. Wir haben von einer Baustelle gegenüber das Holz bekommen, was wir wieder zurückgeben müssen. Wir haben die Erde für Hamlet auch aus einem Geschäft bekommen, die geben wir wieder zurück, und unser Bogen aus "Hamlet", wo der Vorhang dranhängt, der in Berlin aus Metall ist, den haben wir hier nachgebaut und das sind die Leitern aus der letzten Aufführung von Juliano Mer-Khamis, die Premiere, die er in Ramallah hatte, dem Tag, bevor er in Dschenin ermordet wurde.
Müller-Ullrich: Der Regisseur Thomas Ostermeier gastiert gerade im Westjordanland mit seiner vier Jahre alten Hamlet-Inszenierung von der Berliner Schaubühne. Das Gespräch wurde vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.