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Kommentar
"Hammerskins"-Verbot – keine Glanzleistung der Behörden

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den Neonazi-Verein "Hammerskins" verboten. Eine richtige, wenn auch zu späte Entscheidung, meint Johanna Hemkentokrax. Außerdem blieben Fragen offen, auf die wohl nur das Ministerium eine Antwort wisse.

Ein Kommentar von Johanna Hemkentokrax |
Polizisten mit Sturmhaube, von hinten gesehen.
Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, auch in Niedersachsen und Bremen hätte es Gründe für eine Razzia gegeben, meint Johanna Hemkentokrax. (picture alliance / Jens Büttner)
Die "Hammerskins" sind in Deutschland verboten und das ist gut – und trotz vieler offener Fragen sicherlich auch gut gemeint. Die rechtsextreme Gruppe ist international seit Jahrzehnten aktiv – organisiert in Chapter wie Rockerclubs mit strengen Hierarchien. Ihre Treffen waren hierzulande meist konspirativ, fanden abseits der Öffentlichkeit statt. Nur selten sah man Mitglieder in ihren Kutten mit Abzeichen.
Die Ideologie der Organisation basiert auf einer vermeintlichen Überlegenheit und Reinheit einer „weißen Rasse“ -  das ist rassistisch, menschenverachtend und klassisch neonazistisch. Diese Ideologie setzten Mitglieder des Geheimbunds auf schreckliche Weise weltweit in die Tat um.

Größter Player im Geschäft mit Neonazi-Musik.

"Hammerskins"-Mitglieder waren in der Vergangenheit immer wieder an rassistischen Angriffen und Anschlägen beteiligt, es gab auch in Deutschland Durchsuchungen, bei denen Waffen gefunden wurden. Auch bewegten sich Mitglieder im engsten Umfeld um den selbst ernannten "Nationalsozialistischen Untergrund" in Deutschland.
Und: Die "Hammerskins" waren in den letzten Jahren wohl der größte Player im bundesdeutschen Geschäft mit der Neonazi-Musik. In ihren Händen sind mehrere große Versandgeschäfte, zum Teil von Strohleuten betrieben, bei vielen Rechtsrockkonzerten zog das Netzwerk im Hintergrund die Fäden. Ein Verbot der Organisation in Deutschland dürfte die Neonaziszene durchaus empfindlich treffen. Allerdings bleiben Fragen offen, auf die man vermutlich nur im Bundesinnenministerium eine Antwort weiß.

Warum keine Razzia in Bremen und Niedersachsen?

Nachdem Verbot der deutschen Ableger der beiden anderen großen Neonazi-Organisationen "Blood & Honour" im Jahr 2000 und "Combat 18" 2020 war ein Verbot der Hammerskins in Deutschland längst überfällig. Und wie auch bei "Combat 18" fragen sich Szenekenner auch diesmal: Warum erst jetzt? Seit Jahren machen Zivilgesellschaft, antifaschistische Recherchekollektive und auch Journalistinnen auf die Gefährlichkeit der Hammerskins aufmerksam. Ganze Dossiers über das Innenleben der Organisation sind im Internet zu finden. Lange war bekannt, welche Rolle die Organisation für die Wirtschaftsnetzwerke der Neonaziszene spielt.
Und nicht zuletzt: Warum wurden wichtige Protagonisten des "Hammerskins"-Musikgeschäfts wie sie beispielsweise in Thüringen ansässig sind von den aktuellen Durchsuchungen ausgespart? Warum fand offenbar bei einflussreichen Kadern in Niedersachsen und Bremen keine Durchsuchung statt, obwohl auch das dort ansässige Chapter verboten wurde? Beweismittel zu sammeln wäre auch dort sicher nützlich gewesen.

Keine Glanzleistung von den Behörden

Wie gut ist also die Ermittlungsarbeit also im Vorfeld gewesen? Wie vernetzt waren die Behörden untereinander bei der Vorbereitung des Verbots? Hier scheint der Verdacht naheliegend, dass ein längst fälliges Verbot lückenhaft und übereilt ausgeführt wurde.

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Es schließt sich die ernüchternde Frage nach der möglichen Rolle an, die der Hessen-Wahlkampf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei dem Ganzen spielte. Angesichts dieser offenen Fragen ist dies sicher kein guter Tag für das militante Neonazi-Netzwerk "Hammerskins", aber eben auch keine behördliche Glanzleistung im Kampf gegen jenen Rechtsextremismus, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser eigentlich als größte Bedrohung für die deutsche Demokratie bezeichnet hatte.