Anschlag in Hanau
Kampf gegen Rassismus: Eine gesellschaftliche Daueraufgabe

Vier Jahre sind seit dem rassistischen Terroranschlag von Hanau vergangen. Die Angehörigen der Opfer haben schmerzlich erfahren müssen, dass die Verteidigung der Menschlichkeit nicht allein Sache der Politik ist, meint Ludger Fittkau.

Ein Kommentar von Ludger Fittkau |
Mit Plakaten und Bildern der Ermordeten erinnern Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz von Hanau an die Opfer der rassistisch motivierten Anschläge von Hanau im Jahr 2020.
Gedenken an die Opfer: Vier Jahre ist der rassistische Terroranschlag von Hanau her (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
Mehrere Tausende Menschen sind in Hanau in den vergangenen drei Tagen auf den Beinen gewesen. Sie gedachten der Opfer des rassistischen Anschlags in der Stadt – heute vor vier Jahren. Sie demonstrierten gegen rechtsextremistische Hetze, die Migrantinnen und Migranten entgegenschlägt. „Wir stehen an eurer Seite“, rief auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Hanauerinnen und Hanauern mit Migrationshintergrund zu, nachdem sie zuvor – wie von den Opferangehörigen gewünscht – still die Gräber der Ermordeten besucht hatte.

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All das ist gut – vor allem für die Angehörigen der Opfer von Hanau. Aila Kurtovic, die Schwester des ermordeten Hamsa Kurtovic, brachte es bei einer der zahlreichen Veranstaltungen in Hanau auf den Punkt. Die Solidaritätsaktionen seien ein „Zeichen, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nach wie vor da ist.“

Opfer-Angehörige betreiben Aufklärung

Trotz aller Kritik an den Fehlern des Polizeieinsatzes in der Mordnacht vor vier Jahren, trotz ausgebliebener Rücktritte Verantwortlicher wie etwa des damaligen hessischen CDU-Innenministers Peter Beuth, der nun nicht mehr Mitglied der neuen Regierung in Wiesbaden ist: Dass die Opfer-Angehörigen von Hanau sich nicht allein gelassen fühlen, sondern einen Wärmestrom aus der Hanauer Stadtgesellschaft und weit darüber hinaus verspüren – das ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der rechtsextremes Denken wieder weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht.

Junge Angehörige der Opfer von Hanau – wie Aila Kurtovic oder Said Etris Hashemi – zeigen überdies seit Jahren ein politisches Engagement, das vorbildlich ist: Sie gehen in demokratische Parteien, schreiben Bücher oder diskutieren mit Schulklassen, um Jugendliche gegen das Gift rassistischen Denkens zu immunisieren, das vor allem über Social-Media-Plattformen in den Gesellschaftskörper eingespritzt wird.

Verteidigung der Menschlichkeit

Seit Wochen gehen Menschen landauf, landab gegen rechtsextremistische Hetze auf die Straße, verteidigen damit die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde. Die Angehörigen der Opfer von Hanau und ihr Freundeskreis machen dies seit vier Jahren mehr oder weniger ununterbrochen. Weil es ihnen hilft, den Verlust der geliebten Menschen zu verarbeiten. Aber eben auch, weil sie wissen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen – ebenso wie den Antisemitismus – das sind gesellschaftliche Daueraufgaben. Und dazu braucht es einen langen Atem.
Die Angehörigen von Hanau haben in den vergangenen vier Jahren noch ein Weiteres gelernt, auch wenn es für sie oft schmerzlich war: Die elementare Menschlichkeit zu verteidigen, ohne die eine Gesellschaft nicht lebenswert ist, ist nicht allein Sache der Politik. Der Staat muss so viel Schutz bieten, wie er kann, das hat Nancy Faeser heute in Hanau zurecht noch einmal versprochen.
Doch weitergehenden gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt es nur, wenn sich Menschenfreunde auch außerhalb der staatlichen Institutionen engagieren – in Hanau und anderswo.