Bislang hat in der deutschen Handball-Bundesliga weitgehend Konsens für das Management der Corona-Krise geherrscht. Nahezu einstimmig fällt im April der Beschluss, die Saison vorzeitig abzubrechen, und auch in dieser Serie sind sich die Klubgeschäftsführer in Kiel, Flensburg und Melsungen bei den wöchentlichen Telefonkonferenzen meistens einig. Doch für den vergangenen Mittwoch berichten Teilnehmer von einer emotionalen Debatte: Grund ist die Weltmeisterschaft, die am 14. Januar in Ägypten beginnen soll.
"Ich würde die WM nicht spielen."
Zwar hat die Internationale Handball-Föderation erklärt, das Turnier in einer abgeschotteten Blase stattfinden zu lassen. Aber einige Spieler stellen die Sinnhaftigkeit eines solchen Turniers während der Pandemie stark in Frage, so wie der Kieler Patrick Wiencek gegenüber der Sportschau:
"Ja gut, wenn meine persönliche Meinung zählen würde, dann würde ich natürlich die WM nicht spielen. Ich glaube, es gibt nichts Wichtigeres als die Gesundheit, und das vergessen leider einige Leute ganz schnell. Wir sind diejenigen die auf der Platte stehen und wir werden leider in so Gespräche nie eingeführt, ob sowas sinnvoll ist oder nicht."
Wienceks Teamkollegen Steffen Weinhold und Hendrik Pekeler vertreten eine ähnliche Meinung. Nach Deutschlandfunk-Informationen fordern jetzt auch einige Klubvertreter die HBL-Operative dazu auf, Maßnahmen zu treffen, damit die Bundesligisten ihre Profis nicht für das Turnier abstellen müssen. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann soll nun rechtlich klären lassen, welche Konsequenzen ein WM-Boykott für die Klubs haben würde.
Zudem tragen jetzt Klubvertreter ein neues Argument vor: Auch das Image der Sponsoren des Deutschen Handballbundes werde darunter leiden, wenn der Verband trotz des öffentlichen Drucks und gegen alle gesundheitlichen Bedenken ein Team nach Ägypten entsende. Einer der Trikotsponsoren des DHB ist die AOK, also eine große Krankenkasse. Der DHB-Vorstandsvorsitzende Mark Schober dementiert diesen Vorstoß auf Anfrage nicht. Er sagt:
"Klar müssen wir verschiedene Szenarien durchspielen, und das tun wir auch. (...) Wir kommunizieren sowohl mit Partnern, Sponsoren, wir müssen mit den Spielern kommunizieren und mit den Klubs in Austausch bleiben und uns auf Stand halten."
Für den Deutschen Handballbund ist die Weltmeisterschaft das wichtigste Schaufenster des Jahres. Sollte die deutsche Nationalmannschaft dort nicht aufspielen, verlöre der Verband Einnahmen in Millionenhöhe, da die Werbeverträge in aller Regel an TV-Quoten gekoppelt sind. Ligapräsident Uwe Schwenker mahnt derweil eine sachliche Diskussion an und verweist darauf, dass eine WM-Absage des DHB erhebliche Konsequenzen hätte.
"Spielern keinen Vorwurf machen"
So könnte der Weltverband den DHB für die Olympiaqualifikation im nächsten Frühjahr sperren. Und auch die Männer-WM 2027, für die der DHB den Zuschlag in diesem Jahr erhalten hat, stünde womöglich auf dem Spiel. Auch deshalb sagt Schober:
"Wenn wir mit unseren Spielern sprechen, dann versuchen wir, verschiedene Argumente zu diskutieren. Die Spieler können sagen, was sie denken und wie sie sich fühlen. Da kann man denen auch keinen Vorwurf draus machen. (...) Wir versuchen, alles vorzubereiten, eine möglichst sichere Weltmeisterschaft spielen zu können, und das können wir auf der Operative tun, ohne zu wissen, was morgen ist."
Die Situation jedenfalls ist heikel. Dem deutschen Handball, der wirtschaftlich schwer unter Druck geraten ist, stehen turbulente Wochen und Monate bevor.