Handball-EM in Deutschland
Warum der Auftaktsieg für den DHB nicht nur sportlich wichtig war

Auftaktsieg bei der Handball-EM 2024 im eigenen Land: Der Deutsche Handballbund (DHB) hat nach dem Erfolg gegen die Schweiz aufgeatmet. Und zwar nicht nur wegen des sportlichen Aspektes. Auch aus organisatorischer Sicht war der Start enorm wichtig, erklärt Handball-Journalist Erik Eggers.

Erik Eggers im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Das DHB-Team feiert vor der Weltrekordkulisse im Düsseldorfer Fußballstadion den Auftaktsieg über die Schweiz bei der Handball-EM im eigenen Land.
Sportlich ist dem deutschen Nationalteam der Start in die Handball-EM im eigenen Land geglückt. Das Konzept des DHB ist aufgegangen – nicht nur auf der Platte. Denn auch aus organisatorischer Sicht war der geglückte Auftakt für den DHB sehr wichtig. (picture alliance / kolbert-press / kolbert-press / Marc Niemeyer)
Ein Weltrekord zum Auftakt der Handball-Europameisterschaft – damit kann der DHB natürlich sehr gut arbeiten. Über 53.000 Zuschauer sahen im Düsseldorfer Fußballstadion den Sieg der deutschen Nationalmannschaft über die Schweiz (27:14) und sorgten für atmosphärischen Rückenwind für den DHB und sein Aushängeschild, das Männer-Nationalteam.
"Das ist ein großer PR-Effekt für den deutschen Handball, diese Weltrekordkulisse für ein Hallen-Handballspiel", bilanziert Sportjournalist Erik Eggers im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Nicht nur in der Arena wurde der große Aufwand für den Weltrekord von den Fans quittiert, auch an den TV-Geräten schalteten beeindruckende 7,6 Millionen Menschen das Eröffnungsspiel im ZDF ein. Das Medieninteresse war ebenfalls groß. Eggers unterstreicht: "Die Aufmerksamkeit ist viel höher als noch vor fünf Jahren bei der Heim-Weltmeisterschaft. Das ist auch das, was die Spieler sagen."

Auftaktsieg nicht nur sportlich, sondern auch ökonomisch wichtig

Atmosphärisch sei alles viel besser gelaufen als erwartet: "Die Befürchtung, dass zu wenig ankommt unten auf dem Handballfeld, hat sich nicht bewahrheitet." Jedenfalls können die deutschen Handballer auf "das wichtigste Spiel seit langem" (Bundestrainer Alfred Gislason) zurückblicken, auch Rückraumspieler Juri Knorr bezeichnete den Auftaktsieg als überlebenswichtig.
Natürlich bezog sich das aufs Sportliche, doch auch aus organisatorischer Sicht gilt diese Bewertung. Journalist Eggers zeichnet beispielhaft "das dunkelste Szenario" nach: Bei einer Niederlage gegen die Schweiz hätte die DHB-Auswahl gegen Mitfavorit Frankreich auf jeden Fall gewinnen müssen, um die Hauptrunde in Köln erreichen zu können.
"Da ging es nicht nur um das sportliche Abschneiden, es war natürlich auch ökonomisch extrem wichtig für den Deutschen Handballbund und seine Partner, also die Lanxess-Arena", sagt Eggers. "In diesem Eröffnungsspiel ging es um Millionen." Darüber hinaus habe der Sieg zum Start auch den Druck dahingehend etwas rausgenommen, "das eigentliche Ziel der Veranstaltung, nämlich Kinder und Jugendliche zu begeistern", zu erreichen. Ein frühes Ausscheiden der DHB-Männer wäre der Handball-Leidenschaft in der Bevölkerung wohl nicht zuträglich.

Stimmung bei EM als deutsche Visitenkarte für zukünftige Turniere

Weitere Bedeutung kann der Stimmung beim Turnier in Deutschland beigemessen werden, wenn an die mittel- bis langfristige Zukunft gedacht wird. Handballexperte Eggers unterstreicht: "Deutschland hat ja die Weltmeisterschaft für 2027 bereits gesichert. Aber in der Tat ist es so, dass auch für weitere WM-Vergaben natürlich das jetzt ein Bewerbungsschreiben ist."
Eggers erklärt: "Der DHB hat sich beworben für die WM-Turniere 2029 und 2031. Natürlich wird das am Sitz des Weltverbandes in Basel genau beobachtet, was jetzt während der Heim-Europameisterschaft passiert. Die Aufmerksamkeit, die in Deutschland von einem solchen Turnier ausgeht, gibt es nirgendwo sonst auf der Welt."

Eggers: Eine "Lex Potsdam" wird es nicht geben

Im Deutschlandfunk-Interview gibt Eggers außerdem einen Einblick, wie es um das Bestreben von Bob Hanning mit Zweitligist Potsdam steht, im Falle eines Aufstiegs eine deutsche U21-Talente-Mannschaft – mit Nachwuchsspielern von vielen verschiedenen Klubs – zusammenzustellen und als "Team Deutschland" an den Start gehen zu lassen. Hintergrund sind Beschwerden in der Handballwelt, deutschen Talenten fehle die Spielpraxis im Handball-Oberhaus.
Dafür müssten aber gegebenenfalls gewisse Transfer- und Spielrechtsbestimmungen in der HBL erst noch geschaffen werden. Zuletzt hatte Michael Allendorf, Manager der MT Melsungen, im Deutschlandfunk die Idee als grundsätzlich spannend, aber noch nicht zu Ende gedacht bezeichnet. Eggers bewertet die Chancen für eine "Lex Potsdam" als nicht gegeben: HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann hat gesagt, man dürfe den Wettbewerb nicht torpedieren.
Außerdem habe HBL-Präsident Uwe Schwenker verlauten lassen, dass es eine Lex Potsdam nicht geben werde. Dass natürlich Bob Hanning ein solches Konzept durchführen könne, aber dafür Regeln oder Durchführungsbestimmungen in der Liga sicherlich nicht geändert würden. Das hieße, wenn Hanning mit Potsdam eine solche Mannschaft aufsetzen möchte, kann er das gerne tun, aber ohne, dass Regeln geändert werden. Und dann liegt es an Hanning, junge Talente nach Potsdam zu locken, so Eggers weiter.

Große Bewährungsprobe für DHB-Team gegen Frankreich

Kurzfristig rückt das Thema Talentförderung im deutschen Handball aber in den Hintergrund. Denn die große Bewährungsprobe heißt erstmal Frankreich. Am Dienstag (20.01.2024, ) geht es gegen den Olympiasieger von 2020. Das Spiel wird wohl eine andere Intensität haben als die Partie gegen die Schweiz. Die Franzosen liefen etwa in ihrem ersten Spiel 61 Angriffe, Deutschland im Vergleich dazu nur 44, was auf eine höhere Intensität der Franzosen hindeutet.
Eggers wies auf das mit großer Wahrscheinlichkeit höhere Tempo hin: "Die Deutschen werden gezwungen sein, auf Schnellangriffe zu setzen, weil der Positionsangriff womöglich in Schwierigkeiten gerät." Ein weiterer Erfolg wäre in jedem Fall ein Ausrufezeichen des DHB-Teams.
Eggers betont: "Man hat eben den Heimvorteil, insofern glaube ich, dass man auch gegen Frankreich eine gute Chance hat, das Spiel zu gewinnen." Die beiden Gruppenersten ziehen in die Hauptrunde ein.