Europa dominiert
Ist die olympische Zukunft des Handballs in Gefahr?

Dänemark, Frankreich und Spanien – seit 15 Jahren sind nur diese Nationen Handball-Weltmeister geworden. Afrikanische oder asiatische Teams ziehen regelmäßig den Kürzeren. Diese Unausgewogenheit könnte die Zukunft des Handballs bei Olympia gefährden.

Von Benedikt Kaninski |
Mathias Gidsel von der dänischen Handball-Nationalmannschaft im Duell mit Algeriens Messaoud Berkous.
Dänemark und Mathias Gidsel (r.) ließen Algerien und Messaoud Berkous bei der Handball-WM keine Chance. (IMAGO / Eibner-Pressefoto / Marcel von Fehrn)
Es ist die 29. Handball-WM der Geschichte, ein einziges Mal ging eine Medaille nicht nach Europa. Katar holte bei der WM im eigenen Land 2015 Silber. Auch ein Blick auf die Handball-Weltrangliste verdeutlicht das: 17 der Top20 kommen aus Europa. Die Kluft zu den anderen Kontinenten ist gewaltig.
So war Algerien für Dänemark zum Turnierauftakt ein dankbarer Gegner mit einem klaren Ergebnis: 47:22. Spiele wie diese gab es bei dieser WM einige zu beobachten. Zum Beispiel: Slowenien gegen Kuba 41:19 oder Niederlande gegen Guinea 40:23.

DHB-Präsident Michelmann: anderen Ländern beim Aufbau helfen

Die Unausgeglichenheit ist kein neues Phänomen. Andreas Michelmann, der Präsident des Deutschen Handballbundes ist der Meinung, dass sich die europäischen Nationen für ihre starken Leistungen im Handball nicht entschuldigen müssen. Stattdessen solle man anderen Ländern beim Aufbau helfen. Zum Beispiel in Chile oder Brasilien:
"Und das könnte ja ein Ansatz sein, zu sagen, dann gucken wir mal da, wo schon ein ziemliches Interesse besteht, wo vielleicht die finanzielle Basis noch nicht so stark ist und gießen diese etwas zärteren Pflänzchen. Das könnte ja eine Idee sein."
Seit der Jahrtausendwende wurden nur drei Weltmeisterschaften außerhalb von Europa ausgetragen. Turniere in Ländern stattfinden zu lassen, die keine Handballkultur haben, hält Michelmann für schwierig. Stattdessen sieht er den Hebel an anderer Stelle, auch hierzulande:

"Dass wir in Deutschland eine internationale, akademische Trainerausbildung haben. Einerseits für uns selbst, um die entsprechende Qualifikation zu haben und auch um das Berufsbild Trainer anzuerkennen und das ist natürlich absolut wichtig, so viele gute Trainer wie möglich zu haben und es schadet natürlich auch nicht unserem internationalen Ansehen, wenn die dann bei uns ausgebildet werden."

Handball bei Olympischen Winterspielen?

Eine derartige Dominanz weniger Länder könnte auch die olympische Zukunft des Sports in Gefahr bringen, glauben manche Experten. DHB-Präsident Michelmann könnte sich, um dem vorzubeugen sogar eine Eingliederung ins Programm der Winterspiele vorstellen.
"Um die Winterspiele vielleicht auch etwas aufzuwerten. Und andererseits, wenn wir ehrlich sind auch gut, weil zum Beispiel für unsere Sportler auch ein Problem ist drei internationale Turniere in 13 Monaten zu haben." So wie aktuell, mit der EM vor einem Jahr, Olympia in Paris im Sommer und jetzt der WM. Außerdem sei Handball wie viele andere Hallen-Sportarten ohnehin eine Wintersportart.
Der Handball-Weltverband IHF sieht, im Gegensatz zu vielen anderen Parteien in der Handballwelt, auf Deutschlandfunk-Anfrage keinen Grund zur Sorge um die olympische Zukunft: "Wir können ganz klar sagen, dass die Zukunft des Handballs bei den Olympischen Spielen nicht in Gefahr ist, da die Zahlen bei Paris 2024 in jeder Hinsicht sehr gut waren. Der Trend geht auch bei den Turnieren eindeutig zu mehr Mannschaften außerhalb Europas, und das ist ein Ergebnis der von der IHF ins Leben gerufenen Programme."
Demnach habe sich die Zahl der Übertragungsstunden im Handball zwischen den Olympischen Spielen 2020 in Tokio und 2024 in Paris fast verdoppelt. Dennoch sei der Weltverband am Zug, ist Frank Bohmann überzeugt. Die IHF müsse mehr Geld investieren, um den Handball international weiterzuentwickeln. "Der Weltmeister bekommt am Ende ein Preisgeld von hunderttausend Dollar – das ist weniger als der Viertplatzierte bei unserem Pokalfinale. Da muss glaub ich nochmal ganz neu gedacht werden."

Liga-Geschäftsführer Bohmann: "Digitale Verbreitung nicht ausreichend"

Der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, die gemeinhin als beste Liga der Welt gilt, findet, der Weltverband müsse sich vor allem auch einer zentralen Frage stellen:

"Wie entwickele ich den Markt in den Kernsportmärkten? Das war bislang vielleicht nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit oder auch mit den falschen Ansätzen. Ich glaube es muss über den Markt und die Medien gehen. Die digitale Verbreitung des Handballs auf Weltebene ist im Vergleich zu anderen Sportarten absolut nicht ausreichend."
Eine Chance neue Zielgruppen anzusprechen und Nachwuchs in die Hallen zu bringen, sieht Liga-Chef Bohmann durch die aktuelle WM-Übertragung und gute Leistungen der deutschen Mannschaft.
Richtungsweisend könnte dennoch die Präsidentenwahl beim Internationalen Olympischen Komitee im März werden. Einige mögliche Nachfolger von IOC-Präsident Thomas Bach haben bereits angekündigt, die Olympischen Spiele internationaler und größer machen zu wollen. Ob Handball diesen Weg im olympischen Programm mitgehen kann, wird sich zeigen.