Der vorläufige Stopp der Aufarbeitungskommission geht zurück auf einen Antrag des Handballtrainers André Fuhr, den dieser bereits in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht Hamm gestellt hatte. Offenbar geht es um die Prüfung, ob das Regelwerk des Handballbundes den Einsatz einer Aufarbeitungskommission überhaupt vorsieht.
Der Hintergrund: Zahlreiche Handballspielerinnen hatten sich vor knapp zwei Jahren bei der Anlaufstelle „Anlauf gegen Gewalt“ gemeldet und André Fuhr unter anderem psychische Gewalt vorgeworfen. Einige Athletinnen waren im Magazin „Spiegel“ an die Öffentlichkeit gegangen.
Kommission sollte Vorwürfe aufarbeiten
Daraufhin hatte der Deutsche Handballbund die unabhängige Kommission ins Leben gerufen, die die Vorwürfe aufarbeiten sollte. Durch die von Fuhr erwirkte einstweilige Verfügung ist diese Aufarbeitung jetzt erstmal beendet. Auf Fragen des Deutschlandfunks, was er konkret gegen die Einsetzung der Kommission oder deren Arbeit hat, hat André Fuhr nicht reagiert.
Zu den von Spielerinnen erhobenen Vorwürfen hat sich der Trainer bislang nur vage geäußert, bzw. im vergangenen Jahr gegenüber der „Sport Bild“ erklärt, einzelne Vorwürfe habe er nur in Auszügen zur Kenntnis bekommen. Fakt ist: Die sechsköpfige Aufarbeitungskommission aus unter anderem Wissenschaftlerinnen, Juristinnen und einer Betroffenenvertretung ist seit dem Gerichtsbeschluss vor wenigen Tagen nicht mehr tätig.
Hängepartie für Betroffene
Bis zum Stopp der Kommission hat Angela Marquardt in dem Gremium die Betroffenenperspektive vertreten. In der aktuellen Situation sieht sie eine Hängepartie: „Das Schweigen zu brechen, ist für Betroffene ja schon ein herausfordernder Schritt. Das Stoppen der Aufarbeitung lässt Betroffene wieder mit dem Gefühl zurück, etwas falsch gemacht zu haben.“
Bis zu ihrem vorläufigen Ende hatte die Kommission etwa 50 Personen angehört. Auch mit André Fuhr habe das Gremium Kontakt aufgenommen. So Jeannine Ohlert, die bislang als Sprecherin der Kommission tätig gewesen ist: „Wir hatten Herrn Fuhr schon im Juni 2023 mitgeteilt, dass er die Gelegenheit bekommen würde mit der Kommission zu sprechen und seine Sichtweise zu den Vorwürfen darzulegen. Im März 2024 haben wir ihm dann einen konkreten Terminvorschlag gemacht, aber leider hat Herr Fuhr unser Gesprächsangebot bislang nicht wahrgenommen.“
In einem Interview mit der „Sport-Bild“ Ende September vergangenen Jahres hatte André Fuhr kritisiert, die Kommission habe ihn noch nicht angehört.
DHB will Widerspruch einlegen
Auf Fragen des Deutschlandfunks, ob er eine Einladung der Kommission zu einem Gespräch erhalten und ob es ein Gespräch gegeben habe, hat André Fuhr nicht geantwortet. Durch seinen Antrag beim OLG Hamm hat er die Aufarbeitungskommission vorläufig gestoppt. Eine der Betroffenen beschreibt ihre Reaktion darauf gegenüber dem Deutschlandfunk so:
„Wir sehen und die Betroffenen spüren zum wiederholten Male die massive, unerbittliche und ausdauernde Wucht des Trainers und seiner Gehilfen, mit der verhindert werden soll, dass Taten und System aufgehellt werden. Ich erwarte vom DHB, dass er sich mit aller Kraft der Methode entgegenstellt.“
Der Verband teilt in seiner Stellungnahme mit, er werde gegen die Eilentscheidung des OLG Hamm „kurzfristig Widerspruch einlegen“. Darüber wird das Gericht kurzfristig in einer mündlichen Verhandlung entscheiden. Eine endgültige Klärung, ob die Aufarbeitungskommission weitermachen kann oder nicht, wird länger dauern.