Hochbetrieb in der GWN-Arena in Nümbrecht, in der Nähe von Gummersbach.
In der einen Halle, links des Foyers, läuft ein Pokalspiel. Die 2. Herren-Mannschaft des SSV Nümbrecht hat den Erzrivalen aus Oberwiehl zu Gast.
In der anderen Halle, rechts des Foyers, trainieren die erste und die zweite Damenmannschaft des SSV. Und dort, mitten auf dem Spielfeld, der anderthalb Jahre alte Nias.
"Mamaaaaaaa."
"Die Mama muss gerade trainieren, geh mal zum Papa, wo ist der Papa."
Der Filius hat schon das Handball-Gen
Carola Debus spielt in der 2. Damenmannschaft. Ihr Mann David in der zweiten Herrenmannschaft, ist gleichzeitig Männerwart beim SSV. Und auch im kleinen Nias steckt offenbar das Handball-Gen:
"Der hat die ganze Wohnung voll mit Bällen. Hat natürlich auch einen richtigen Handball. Ich weiß nicht, ob wir den so prägen, dass wir sagen, nimm nen Ball. Aber der hatte das von Anfang an, dass er so süchtig nach Bällen ist. Kann man sich vorstellen, was das für ein Jubel ist, wenn er den Ball wirft. Und er kann auch schon super werfen mittlerweile."
Eine ganze Familie im Handball-Fieber. Handball-Familien gibt es so über ganz Deutschland verteilt. Vielleicht, weil es im Handball schon früh auch in der Breite Frauen-Teams gab.
Komplette Handball-Familien prägen den Sport
Beim Training oder zu den Spielen sind also ständig ganze Familien in der Halle. In Nümbrecht zum Beispiel auch noch die Webers. Vater Jörg, 1. Vorsitzender des Vereins und Spieler der 3. Herren. Der 10-jährige Sohn Mats…
"Ich hab erst Fußball gespielt, das konnte ich aber nicht so gut, und dann hab ich mich beim Handball angemeldet, also meine Eltern."
…und Mutter Anne, Linksaußen in der 2. Damenmannschaft. Sie selbst kam ebenfalls als Jugendliche durch die Eltern zum Handball:
"Ich war erst beim Kunstturnen, aber mein Papa war ein Heißblut-Handballer und dann bin ich da immer dabei gewesen und irgendwann gab's dann die erste Mädchenmannschaft hier und dann bin ich knallhart vom Kunstturnen, vom Schwebebalken zum Handball. Es hat mich einfach gepackt damals."
"Also bei mir war es so, Vater, ganze Familie spielt. Meine Frau, die hab ich hier in der Halle kennengelernt."
"Ich auch."
"Der Jörg genauso. Es ist häufig so, dass man sich kennenlernt bei Sport und natürlich geben wir das an die Kinder auch weiter. Also es sind ganz oft große Familien, die Handball spielen. Das macht es ja aus, dieses familiäre, jeder kennt jeden, jeder hält zusammen."
Beim Fußball sind die Umgangsformen rauer
Handball - auf dem Spielfeld: rauer, knallharter Sport. Neben dem Platz herrscht ein familiärer, respektvoller Umgang miteinander. So sieht es auch der sportvorstand des Deutschen Handball-Bundes, Axel Kromer:
"Bin auch beim Fußball dabei, mit meinen Kindern und merk schon, dass ich im Handball viele Dinge erlebe, zu denen ich eher stehe, als zu denen, die ich im Fußball erlebe. Ob es das Tribünen-Verhalten ist von Eltern, oder Zuschauern, aber auch zwischen den gegnerischen Mannschaften oder gegenüber den Schiedsrichtern. Es ist alles sehr angenehm und das ist ne Sache, die uns sehr gut tut."
Und die Handball zur zweitgrößten Mannschaftsportart in Deutschland, nach dem Fußball mit seinen uneingeholt sieben Millionen Mitgliedern macht. knapp 760.000 Menschen in Deutschland sind Mitglied beim deutschen Handball Bund.
Damit ist er weltweit der größte Handball-Dachverband, konnte nach Jahren des Mitglieder-Rückgangs Rückgangs zuletzt sogar wieder ein bisschen zulegen. Und man verspricht sich von der Heim-WM einen weiteren Schub. So wie 2007. Als selbst der SSV Nümbrecht, mit Vorstand Jörg Weber, vom WM-Titel der deutschen Handballer profitierte:
"Ja, das haben wir schon gemerkt. Also das dann schon bei den Kleinsten und bei den älteren hatten wir deutlich mehr Anmeldungen als in den Jahren davor. Und da war auch Nachhaltigkeit dabei, also es waren Sportler, die auch heute noch da sind."
Gespielt wird vor allem in der Provinz
Deutschland – nennt sich auch gerne das Mutterland des Handballs. Da wo die Handball-Bundesliga zuhause ist, die den Ruf hat, die stärkste Liga der Welt zu sein. Und: die dominiert wird von Provinzstädten. Gummersbach, Lemgo, Melsungen, Minden, Wetzlar. Profi-Handball in Deutschland wird meist fernab der Großstädte gespielt. David Debus vom SSV Nümbrecht erklärt sich dieses Phänomen mit dem Kampf gegen die übermächtige Konkurrenz des Fußballs.
"Ich will jetzt nicht so auf dem Fußball herumreiten, aber die Fußballvereinen saugen den anderen Sportarten vieles weg, nicht nur die Spieler, sondern auch die Sponsoren, Kiel ist ein gutes Beispiel. Wir haben hier keinen großen Fußball, wenn man sich präsentieren will als großes Unternehmen, dann geht man eben zum Handball."
Fernab der Großstädte ist der Markt für Profi-Fußball in der Regel zu klein. Also ist Platz für andere Sportarten, die dort bessere Chancen haben das Interesse der Wirtschaft, der Sponsoren zu wecken, und das Aushängeschild einer Stadt oder einer ganzen Region zu werden. Auch wenn immer mal wieder ein Handball-Verein versucht, in der Großstadt Fuß zu fassen, etwa der VfL Gummersbach, der Anfang der 2000er Jahre mal nach Köln umzog, oder sich ein Verein zumindest einen großen Namen verpasst, wie etwa die Füchse Berlin, die ursprünglich mal Reinickendorfer Füchse hießen.
Die Großstädte sind auch für den Handball wichtig
Auch WM-Spiele in den großen Metropolen sind DHB-Sportvorstand Axel Kromer wichtig, um die Sportart weiter nach vorne zu bringen: "Wir leben davon, dass die Arenen voll sind. Wenn wir ne ausverkaufte Halle in nem kleine Ort haben, sind es halt tausend Zuschauer, haben wir ne ausverkaufte Halle in Berlin, Hamburg oder Köln, sind´s gleich 15.000 Zuschauer. Dann kommt das Fernsehen dazu, das sind die Dinge, die wir brauchen, aber wir würden niemals unsere Wurzeln vergessen."
Ein richtiger Trend hin zu Handball in Großstädten ist bislang auch ausgeblieben. Und so bestimmt noch immer eine gewisse Dorfromantik die vermeintlich stärkste Handball-Liga der Welt, mit Profi-Vereinen, die sich den selben familiären Charme bewahrt haben, der Handball-Klubs offenbar auszeichnet. Zum Beispiel den SSV Nümbrecht. Wo die sportliche Zukunft des kleinen Nias schon klar sein dürfte.
"Hoffentlich wird er ein Linkshänder, das wär super."