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Mobbing im Frauen-Handball
Neue Vorwürfe gegen HSG Blomberg-Lippe

Nicht nur Ex-Trainer André Fuhr soll Spielerinnen des Handball-Bundesligisten HSG Blomberg-Lippe beleidigt haben. Auch der aktuelle Trainer Steffen Birkner steht im Verdacht Athletinnen zu drangsalieren, sagt Journalist Erik Eggers im Dlf.

Erik Eggers im Gespräch mit Christian von Stülpnagel | 07.01.2023
Steffen Birkner (HSG Blomberg-Lippe, Trainer) GER, HSG Blomberg-Lippe vs. Borussia Dortmund, Handball, 1. Bundesliga Frauen, 11. Spieltag, Spielzeit 2022/2023, 04.01.2023 Foto: Eibner-Pressefoto / Jan Strohdiek
Steffen Birkner, der aktuelle Trainer der HSG Blomberg-Lippe, soll gegen seine Spielerinnen übergriffig geworden sein. (dpa / picture alliance / Jan Strohdiek)
Gegen den Frauen-Handball-Bundesligisten HSG Blomberg-Lippe gibt es neue Vorwürfe. Nicht nur Ex-Trainer André Fuhr soll Spielerinnen drangsaliert und beleidigt haben. Auch der aktuelle Trainer Steffen Birkner steht im Verdacht, Spielerinnen mit Begriffen wie "behindert", "dumm" oder "fett" beschimpft zu haben, wirft die Ex-Spielerin Isabelle Jongenelen dem aktuellen Coach im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor.

Vorwürfe unter die Decke gekehrt?

Bereits vor einigen Monaten war die HSG in die Kritik geraten, weil sie angeblich von Vorwürfen gegen den bekannten Ex-Trainer André Fuhr nichts gewusst haben wollte. Fuhr war von Spielerinnen psychische Gewalt wie Demütigung und Erniedrigung vorgeworfen worden.
"Unsere Recherchen haben aufgebaut auf den Text, den wir Ende Oktober publiziert haben. Wir haben uns gefragt, ob sich die Verhältnisse in Blomberg danach entscheidend verändert haben. Wir haben herausgefunden, dass sich die Frauen dort immer noch wenigstens unwohl fühlen. Dass es immer noch einige Frauen gibt, die sich so schlecht gefühlt haben, dass sie den Spaß am Handball verloren haben. Dass sie sich mental unwohl fühlten und sie eigentlich den gleichen Grund zu klagen haben, wie viele Spielerinnen vor 2018 auch", sagte Journalist Erik Eggers, der an den Spiegel-Recherchen beteiligt war, im Dlf.

Stalking, psychische Gewalt und sexuelle Übergriffe

Die Vorwürfe bestätigen in dem Nachrichtenmagazin auch eine ehemalige Athletiktrainerin. Dass die Verwantwortlichen bei der HSG von den Vorwürfen nichts mitbekommen haben, daran besteht aus Sicht von Erik Eggers große Zweifel. Denn ex-Trainer André Fuhr soll schon im Herbst 2017 mündlich gekündigt worden sein - aber erst 2018 hat er den Verein verlassen.
"Der Geschäftsführer 2017 war ja auch schon Torben Kietsch. Der wusste ja auch von der Kündigung gegen André Fuhr. Man muss davon ausgehen, dass er sich mit diesen Methoden damals auch auseinandersetzen musste. Wir schreiben ja auch über Berichte von Spielerinnen, die nun erzählen, dass sie von diesem gleichen Geschäftsführer angeschrien worden sind, weil er mit Entscheidung der Spielerinnen, Verein wechseln zu wollen, nicht einverstanden war. Insofern scheint sich nicht viel geändert zu haben", berichtet der Handball-Experte.
Der ehemalige Blomberger-Handball-Trainer Andre Fuhr an der Seitenlinie.
Trainer André Fuhr soll über 16 Jahre Spielerinnen drangsaliert haben (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)

Hat die Kontrollfunktion der Geschäftsführung versagt?

Die Vorwürfe gegen den aktuellen Trainer Steffen Birkner gehen dabei in dieselbe Richtung, wie unter dem ehemaligen Trainer André Fuhr. "Die Athletiktrainerin äußert die Vorwürfe, die in die gleiche Richtung gehen. Spielerinnen, die nicht in der ersten Sieben stehen, werden fertiggemacht. Sie werden nicht beachtet, als zu fett, zu langsam bezeichnet. Das unterscheidet sich nur graduell von den Vorwürfen gegen Fuhr", sagte Eggers.
Dabei sei es schon sehr fragwürdig, wenn derzeit ähnliche Vorwürfe wie 2017 auftauchen, ob der Beirat seiner Aufsichtsfunktion tatsächlich gerecht werde. "Es gehört zum Wesen des Aufsichtsrats, dass man die Geschäftsführung kontrolliert. Ich finde, das kann man hier schon infrage stellen."

Frauen-Handball oft unter dem Radar

Warum gerade jetzt solche Vorwürfe im Frauen-Handball auftauchen, liege nach Meinung von Erik Eggers auch an der mangelnden Medienberichterstattung: "Frauen-Handball hat nicht so große Aufmerksamkeit wie der Männer-Handball. Es gibt wenig Kollegen, die regelmäßig berichten, abgesehen von einigen Lokalzeitungen. Es gibt kaum überregionale Berichterstattung und daher kaum Kontrolle."
Negativ fällt auch auf, dass die neu eingerichtete Kommission des Deutsche Handball-Bund (DHB) zur Aufarbeitung und Prävention von Gewalt nach nicht einmal einem Monat aufgelöst worden ist, weil die involvierten Personen "unüberbrückbare persönliche Differenzen" hatten. Zwar treffe den Verband hier keine direkte Schuld, allerdings müsse er sich nun schleunigst darum kümmern, dass die Kommission nachbesetzt werde, forderte Eggers.

DHB bleibt schwach

Bei dem ganzen Fall gebe der DHB generell kein gutes Bild ab. "Wir haben im ersten Artikel klargemacht, dass sehr viele Akteure im Frauen-Handball zumindest gerüchteweise von den Vorwürfen gegen den Trainer wusste. Da fragt man sich, warum man dann nicht hinterher geht. Es gab zum Beispiel im vergangenen Sommer eine Juniorinnen-WM in Slowenien, die noch von dem Juniorinnen-Bundestrainer André Fuhr verantwortet worden ist - als Trainer. Vor dieser WM haben viele Spielerinnen abgesagt. Wir haben aber von keiner Juniorin gehört, dass der DHB sich mal informiert hätte, warum sie abgesagt haben. Das kann eigentlich nicht sein. Denn das gehört auch zum Aufgabengebiet eines solchen Stabes, mal nachzuhorchen, was da passiert."