Studie vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft
Schmerzmittel im Handball weit verbreitet

Eine Studie zeigt, wie weit verbreitet der Gebrauch von Schmerzmitteln im Spitzenhandball ist. Der Deutsche Handballbund zeigt sich besorgt und kündigt mehr Aufklärung an, schon bei der Trainerausbildung.

Von Benedikt Kaninski |
Gummersbachs Miro Schluroff mit Schmerzen nach einem Foul
Gummersbachs Miro Schluroff nach einem Foul - Schmerzmittel sind im Spitzenhandball weit verbreitet (picture alliance / Maximilian Koch)
Ein Ziepen im Rücken, Verspannungen in der Schulter oder Schmerzen im Knie. Nichts Großes, kein Grund für eine Trainingspause - und zum Spiel muss man eh wieder fit sein. So denken offensichtlich viele Handballer aus dem oberen Leistungsbereich in Deutschland. In einer Studie, die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert wurde, erklären 71 Prozent der 459 Handballerinnen und Handballer, dass sie schon einmal aus sportlichen Gründen Schmerzmittel, sogenannte NSARs genommen haben. Männer, ältere Spieler und Spieler, die nicht regelmäßig zur Start-Sieben gehören, greifen besonders zu diesen Mitteln.

Vom "guten Umgang" mit Schmerzmitteln

"Der Gebrauch ist leider im Handball sehr, sehr gängig. Viele Spieler benutzen das für Verletzungen, die nicht groß gravierend sind, aber kurzfristig einen hemmen und einen einsatzbereit machen. Das muss man ganz ehrlich sagen", erklärt Eloy Morante Maldonado. Er spielt in der 2. Bundesliga beim Bergischen HC und hat in seiner Karriere auch selbst schon Schmerzmittel genommen, um kleinere Verletzungen zu unterdrücken. Für ihn ist es wichtig, "dass man damit meiner Meinung nach einen guten Umgang findet, und das nicht überstrapaziert, damit keine langfristigen Schäden dadurch entstehen."
Ob ein solcher "guter Umgang" mit Schmerzmitteln im Sport möglich ist, ist umstritten. Vor allem weil das Thema schon seit vielen Jahren diskutiert wird. NSARs wie etwa Ibuprofen oder Diclofenac fallen nicht unter die verbotenen Dopingmittel. Trotzdem gaben in der Studie etwa ein Viertel der befragten Handballerinnen und Handballer an, Schmerzmittel zu nehmen, um ihre eigene Leistung zu steigern.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft warnt davor, auch kleinere Verletzungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Durch die Schmerzmittel würden die natürlichen Warnsignale des Körpers unterdrückt. Außerdem steige die Gefahr für dauerhafte Schäden.

Bundesliga-Physio: "Menschen davon wegbekommen, einfach Konsumenten zu sein"

In den Vereinen sind für die Gesundheit der Spieler vor allem die Mannschaftsärzte und Physiotherapeuten zuständig. Einer von Ihnen ist Björn Heißenberg. Er betreut bei TUSEM Essen in der 2. Handball-Bundesliga die Mannschaft als Physiotherapeut. "Ich würde definitiv, wenn jetzt jemand regelmäßig Schmerzmittel nimmt ohne eben einen triftigen Grund, natürlich eingreifen. Das wollen wir nicht haben. Im Gegenteil: Wir wollen Menschen davon wegbekommen, einfach Konsumenten zu sein."
In einigen Fällen reiche eine physiotherapeutische Behandlung aus, um Schmerzen zu lindern. Manchmal nutzt Heißenberg sogar Placebos. Seine Erfahrung sei, dass Kalium, oder Calcium-Kapseln, aus psychologischen Gründen dieselbe schmerzstillende Wirkung haben können. "Dass man auch Schmerzen erklärt, dass man auch edukativ arbeitet - das ist, glaube ich, das Fundament dafür, Menschen auch wegzubekommen von diesen Co-Abhängigkeiten, in dem Fall bei Schmerzmitteln. Weil, wenn jemand weiß, dass er eigentlich diese Tablette gar nicht braucht, dann braucht er sie auch nicht."
Natürlich sei es wichtig bei schwereren Verletzungen genügend Zeit für die Regeneration einzuplanen. Außerdem könne es helfen das Verletzungsrisiko durch gezielte Aufwärm- und Mobilisationsübungen zu verringern.

Die Rolle des Spielkalenders im Handball

Eine wichtige Rolle spielt im Handball im Vergleich zu anderen Sportarten auch der enge Spielkalender und die hohe körperliche Belastung während des Spiels. Das betrifft vor allem die Topteams, wie die Füchse Berlin. Immer wieder hat die Mannschaft nur zwei bis drei Tage Zeit zur Regeneration zwischen ihren Spielen. Füchse-Trainer Jaron Siewert sieht beim Thema Schmerzmittel auch die Trainer in der Pflicht: "Manchmal muss man die Spieler auch vor sich selbst schützen. Vor diesem extremen Ehrgeiz, den sie haben und sie dann halt nicht einsetzen, wenn sie verletzt sind."
Siewert sieht aber auch gesellschaftlich und aufseiten der Medien eine Verantwortung für den Druck auf die Spieler.
"Weil am Ende sind es die Spieler, die die positiven Schlagzeilen generieren mit super Leistungen. Und wenn wir deren mentale und physische Gesundheit aufs Spiel setzen, ist keinem geholfen und da sitzen wir alle im selben Boot: Management, Trainer wie auch Medien." Bei den Füchsen Berlin werde auf Schmerzmittel vor allem im Trainingsbetrieb soweit wie möglich verzichtet.

DHB alarmiert nach Schmerzmittel-Studie

Der Deutsche Handballbund hat die Studie zur Schmerzmittelnutzung im Spitzenhandball mit begleitet und will Konsequenzen aus den Ergebnissen ziehen. Patrick Luig ist Bundestrainer Bildung und Wissenschaft beim DHB:
"Dass wir ein Bewusstsein dafür schaffen möchten, dass Schmerzmittel im besten Fall nur mit ärztlicher Rücksprache und in medizinisch-notwendigen Fällen eingenommen werden, das wäre die Botschaft. Und unser Auftrag oder unsere Motivation ist es, diese Botschaft auch durch Aufklärung an die unterschiedlichen Zielgruppen zu transportieren."
Luig kann sich zum Beispiel vorstellen in Eltern-Trainergesprächen bei Jugendspielern das Thema Schmerzmitteleinsatz früher anzusprechen. Außerdem denkt man beim DHB darüber nach es, ähnlich wie das Thema Doping, im Lehrplan bei der Trainerausbildung zu verankern.