Fast zwölf Millionen Zuschauer. Das Halbfinale der Handball-Heim-WM zwischen Deutschland und Norwegen war der Sport-Quotenhit des Jahres 2019 noch vor dem Fußball. Für den Deutschen Handball-Bund (DHB) ist das eine Etappe einer Erfolgsgeschichte. Vorstandschef Mark Schober sagte im Deutschlandfunk-Interview: Für die Entwicklung des Handballs sei eine solche WM eine Momentaufnahme. Aber der Verband werde mit medialer Unterstützung langfristig planen. "Wir haben die nächsten sechs Jahre ARD und ZDF immer im Januar bei Welt- und Europameisterschaften. Das gibt uns die Chance, dass wir strategisch und nachhaltig unseren Sport entwickeln."
DHB-Vize-Präsident Hanning mahnt
Aber schon 11 Monate nach der WM mahnt DHB-Vize-Präsident Bob Hanning: "Nichtsdestotrotz haben wir noch nicht mal im Ansatz das erreicht, was wir erreichen können und müssen. Ich stelle auch schon wieder Zufriedenheitstendenzen bei uns im Verband fest."
Und auch für das Alltagsgeschäft, für die Handball-Bundesliga, sieht es längst nicht so rosig aus wie für die Nationalmannschaft mit ihrem alljährlichen Januar-Höhepunkt. Der Liga fehlt diese starke Medienperformance, meint der Sportökonom von der Otto Beisheim School of Management, Dominik Schreyer: "Auch wenn der Auftritt der Mannschaft sicher dazu geführt haben mag, dass der ein oder andere Zuschauer sein Interesse für die Sportart entdeckt oder aber wiederentdeckt hat, halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass die TV-Nachfrage nach Bundesliga-Handball allein dadurch nachhaltig steigt. Hierbei handelt es sich doch um ein recht eigenständiges Produkt."
Internationale Erfolge als Schlüssel?
Ähnlich sieht es auch der Chef der Handball-Bundesliga HBL, Frank Bohmann, der dennoch zufrieden scheint mit der Entwicklung: "Die Reichweiten, die die Nationalmannschaft erzielt, erzielt keiner unserer Klubs. Aber hier sind wir auch auf einem guten Steigerungsweg. Die Reichweiten, die wir bei ARD, ZDF, Dritten und bei Sky haben, gehen deutlich nach oben. Und dann sind wir auf einem guten Weg."
Internationale Erfolge sollen der Schlüssel für die Zukunft sein. Das ist seit Jahren das Credo der für die Handballer in der Reichweite kaum erreichbaren Fußball-Bundesliga. Die internationalen Erfolge sind aber auch für die Handballer der Maßstab, glaubt Ligaboss Bohmann: "Es wäre gut, wenn ein deutscher Klub mal wieder die Champions League gewinnt. Da sind wir seit vier Jahren außen vor. Das wird die nächste Aufgabe für uns als Liga sein."
"Stärkste Liga der Welt" ohne Stars?
Für die Liga, die sich immer gerne als stärkste Liga der Welt bezeichnet hat. Dafür aber, meint Ökonom Schreyer, müssten die Vereine einen der Stars einer internationalen Meisterschaft verpflichten. "Es ist aber natürlich naheliegend, dass es für die Vermarktung der Liga hilfreich sein kann, gerade die Spieler, die im Rahmen einer EM oder WM besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, in die Liga zu holen oder aber zu halten."
"Frauenhandball ist nur ein regionales Ereignis"
Noch ganz anders ist die Situation im Frauenhandball. Zwar erreicht die Nationalmannschaft bei großen Turnieren wie vor einigen Wochen in Japan punktuell Aufmerksamkeit, die Bundesliga spielt medial aber keine Rolle. Der frühere Frauen-Bundestrainer Dago Leukefeld meint: "In erster Linie ist Frauenhandball in Deutschland ein regionales Ereignis geprägt durch Traditionen, nehmen wir Vereine wie Buxtehude, Leverkusen, Oldenburg. Da spielt schon die Region eine große Rolle und der Stellenwert des Mädchen- und Frauenhandballs. Ich glaube kaum, dass wir überregional einen großen Schritt machen können."
Dafür, so Leukefeld, fehle es an professionellen Strukturen, sowohl wirtschaftlich als auch sportlich. Ändern wird daran wohl auch nichts die neue Übertragung bei Eurosport. Der Spartensender überträgt zwischen Dezember und Mai sechs ausgewählte Spiele der Bundesliga live im Free-TV.