"Nie hat ein Spieler über eine Absage gesprochen, genauso der Verband oder die Vereine. Das ist in Frankreich nie ein Thema gewesen, zumindest offiziell." Diese Worte stammen von Francois-Xavier Houlet, der seit vielen Jahren als Experte im französischen Fernsehen und außerdem als Spielerberater tätig ist. Im Land des Rekordweltmeisters liegt der Fokus auf dem Sportlichen, die Franzosen sind bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Nun treten sie mit ihrem neuen Trainer Guillaume Gille an.
"Die Franzosen erwarten nach der katastrophalen EM vor einem Jahr in Norwegen eine Reaktion, eine gute Leistung. Für Guillaume Gille ist das eine Premiere, er hat überhaupt noch nie eine Mannschaft trainiert." Houlets Antwort auf die Frage nach einer möglicherweise getrübten Vorfreude spricht Bände. Kein Wort verliert er über das Virus. Es scheint nicht vielmehr als eine Randnotiz zu sein, die aktuelle Lage sei mittlerweile Alltag.
"Die Spieler haben sich daran gewöhnt, dass sie alle zwei Tage einen Test machen müssen und vor leeren Rängen spielen. Es wird nicht einfach so eine WM zu spielen, aber die Spieler zeigen sich seit ein paar Wochen bzw. Monaten sehr professionell." Houlet, selbst ehemaliger Nationalspieler, würde sich selbst eher Sorgen um die Sicherheitslage in Ägypten machen.
"In Dänemark diskutieren wir nicht über WM-Absagen"
In Dänemark, wo der Handball Volkssport ist und in der Beliebtheit sogar noch vor dem Fußball rangiert, sieht es ähnlich aus. Daher sagt der ehemalige Weltklassespieler Lars Krogh Jeppesen: "In Dänemark diskutieren wir nicht über WM-Absagen wegen Corona." Wie Houlet ist auch er mittlerweile als Experte unterwegs und einer der Meinungsmacher in den dänischen Medien.
Er verweist auf die Frauen-Europameisterschaft, die erst im Dezember in Dänemark ausgetragen wurde. Dort haben die Spielerinnen und Betreuer in einer sogenannten Blase gelebt, die nur mehrfach getestete Personen betreten durften. "Das größte Problem war eigentlich, die Spielerinnen ohne Corona in die rote Bubble rein zu bekommen. Aber als die Europameisterschaft angefangen hat, ist eigentlich alles gut gelaufen."
Das würden alle dänischen Spieler wissen, meint Jeppesen. "Das hat man sehr gut gemacht und man kann es ohne Probleme schaffen. Das ist natürlich sehr positiv." Dennoch gibt es von Seiten der Spieler Zweifel, ob das Konzept in Ägypten entsprechend umgesetzt werden kann.
Der mehrfache Welthandballer Mikkel Hansen hat sich zum Beispiel gegenüber einer dänischen Zeitung skeptisch geäußert. Denn die Ausrichter planten mit Fans in der Halle. Und auch wenn nur 20 Prozent der Plätze belegt sein sollen - Hansen gefällt das überhaupt nicht. Und er steht mit dieser Meinung nicht alleine da: Die Kapitäne von 14 Nationalmannschaften, darunter auch der Deutsche Uwe Gensheimer, haben sich unter der Woche in einem offenen Brief an den Weltverband IHF gewandt. Sie wünschen sich ein Turnier ohne Fans in den Hallen - wie auch Nationalspieler Philipp Weber im Deutschlandfunk-Sportgespräch erklärt:
"Weil wir als Spielergewerkschaft und wir als Spieler finden das halt wirklich fahrlässig und nicht vertretbar. […] Von daher können wir das nicht ganz verstehen. Und da bin ich froh, dass wir als Sportler alle die gleiche Sprache sprechen, das wirklich hinterfragen und jetzt auch nochmal ein DIN-A-4 Blatt voll mit Statements hingeschickt haben, um unsere Sorgen zu äußern. Ich verstehe es nicht ganz, aber wir können da leider wenig machen."
IHF knickt ein
Heute befasste sich die IHF auf einer Sitzung mit dem Wunsch der Spieler - und knickte ein. Es wird bei der WM keine Zuschauer geben. Das ist nicht nach dem Geschmack von Hassan Moustafa, dem Präsidenten des Weltverbandes und Ägypter. Ihm ist ein positives Bild nach außen besonders wichtig - und er hat versprochen, dass sich der Verband und sein Heimatland um alle gesundheitlichen Maßnahmen kümmern.
Daher hätte auch Lars Krogh Jeppesen an der Weltmeisterschaft teilgenommen, wenn er selbst noch aktiv wäre. "Ich glaube, dass das alles klappen wird. Wenn nicht, dann wäre es ganz, ganz schlecht. Sie haben viel Zeit gehabt, um das ordentlich zu arrangieren. Dann muss auch alles in Ordnung sein."
So bleibt die Diskussion um die Absagen von Spielern also weiterhin eine, die neben Deutschland nur in Schweden geführt. Dort verzichten gleich mehrere Akteure auf eine Teilnahme. Im Rest der Handball-Welt ist das Vertrauen in die Organisatoren weiterhin sehr groß.