Es sieht so aus, als würde der Zukunftsvertrag mit dem Vereinigten Königreich in seinen Grundzügen stehen. Die Nacht über sollte noch die Feinarbeit an den Details erfolgen, möglicherweise dann am Morgen die Vereinbarung präsentiert werden. Die Einigung hatte sich seit Mittwochnachmittag abgezeichnet, als die Briten dem Vernehmen nach weitere Zugeständnisse angeboten hatten.
"Letztendlich ist es gut, dass man sich vernünftigerweise geeinigt hat und es ist gut, dass die britische Seite von dem hohen Baum der absoluten Souveränität heruntergekommen ist und Kompromisse eingegangen ist", so Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament.
Den Weg hatten am Ende Gespräche zwischen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Premierminister Boris Johnson selbst geebnet. Insbesondere in der Frage der Fischereirechte als dem Hauptstreitpunkte zuletzt. Der Kompromisse soll nun in einer Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren liegen, in derer EU-Boote das Recht auf Zugang zu britischen Gewässern bekommen. Damit haben sich beide Seiten etwa in der Mitte ihrer ursprünglichen Forderungen getroffen.
Kompromiss bei Fischfang-Rechten
Die Fischfang-Rechte für die Europäische Union sollen in dieser Phase um 25 Prozent im Vergleich zu jetzt reduziert werden - deutlich weniger Rückgang als von Großbritannien ursprünglich gefordert. Auch ein Streitschlichtungsmechanismus ist gefunden, um faire Wettbewerbsbedingungen zu garantieren. Er sieht auch die Möglichkeit vor, Zölle zu verhängen, falls einer der beiden Seiten die Regulierung der jeweils anderen unterläuft.
"Dass es auf den letzten Metern jetzt doch noch zum Abschluss der Verhandlungen damit zu einem Deal gekommen ist, das sind gute Nachrichten - vor allem für die europäischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, für die Wirtschaft und für die Fischereiindustrie. Offensichtlich hat sich in der Regierung Johnson die Einsicht in die Notwendigkeit durchgesetzt, einen harten Brexit zu vermeiden, mit all seinen schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die ja vor allem das Vereinigte Königreich getroffen hätten", so Martin Schirdewan aus der Faktion der Linken im Europäischen Parlament in einer ersten Reaktion am Morgen.
EU-Parlament entscheidet letztlich
Gleichzeitig beklagt er, wie auch Abgeordnete anderer Parteien, dass das Parlament erst jetzt einbezogen wird und nur wenig Zeit habe, den Text zu prüfen. Dies werde jetzt aber intensiv geschehen, so der Sozialdemokrat Bernd Lange. "Denn letztendlich entscheidet das Europäische Parlament über solch einen Vertrag. Und wir werden sehen, ob es vielleicht Nachbesserung geben muss. Wichtig ist glaube ich, dass Unsicherheit jetzt beendet ist und wir nach vorne blicken können."
Zunächst aber werden die Mitgliedstaaten grünes Licht geben müssen. An ihnen ist es auch, über eine vorläufige Anwendung des Vertrages ab 1. Januar zu entscheiden. Das Europäische Parlament hatte klargestellt, dass es für eine Ratifizierung vor dem 01.01. nicht mehr ausreichend Zeit sieht und erst nachträglich, also dann voraussichtlich im kommenden Jahr, über einen Handelsvertrag mit dem Vereinigten Königreich abstimmen kann.