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Handelsabkommen TTIP und CETA
"Standards exportieren, nicht senken "

Die Widerstände gegen die Abkommen CETA und TTIP seien deshalb so stark, weil es den Kritikern gelungen sei, unbegründete Ängste zu schüren, beklagte der CDU-Europaparlamentarier Daniel Caspary im Deutschlandfunk. Es werde keine Absenkung von Verbraucherschutzkriterien geben - sonst werde man nicht zustimmen.

Daniel Caspary im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Aktivisten protestieren in Brüssel gegen das geplante Freihandelsabkommen.
    Aktivisten protestieren vor dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel gegen das geplante Freihandelsabkommen. (picture alliance / dpa / Olivier Hoslet)
    Das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada werde zeigen, dass es gelungen sei, europäische Standards auch auf die kanadische Produktion zu übertragen. "Es steht drin, was wir wollen", versicherte Caspary mit Blick auf den zwischen der EU und Kanada ausgehandelten Vertragstext, der morgen veröffentlicht werden soll .
    Gleichzeitig räumte Caspary ein: Man wolle das Abkommen nicht um jeden Preis. Wenn die genauen Inhalte vorlägen, beginne das Ratifizierungsverfahren. Es bleibe dann genügend Zeit, um mit Bürgern, der Industrie, Gewerkschaften und im Parlament zu diskutieren. "Ob ich dem Abkommen am Ende zustimme, wird davon abhängen, ob wir das bekommen, was wir bestellt haben oder ob sich ein trojanisches Pferd darin versteckt."
    Dasselbe gelte für das Abkommen TTIP mit den USA. Man wolle Arbeitsplätze sichern, nicht die Bürger verärgern. Auch hier würden keine Verbraucherschutzkriterien gesenkt.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Ohne das Chlorhühnchen kommen wir heute Morgen hier im Deutschlandfunk auch nicht aus, denn in der Diskussion um das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA war und ist das Chlorhühnchen omnipräsent als eines von zahlreichen Argumenten gegen ein Abkommen, das kurz TTIP genannt wird - das steht kurz für Transatlantic Trade and Investment Partnership -, an dem es viel Kritik und gegen das es viele Vorbehalte gibt und bei dem viele Verbraucher fürchten, die Verhandler, die sich konsequent hinter verschlossenen Türen treffen, könnten möglicherweise ihre Interessen nicht ganz so wichtig nehmen wie die Interessen der Industrie.
    Mitgehört hat der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary, Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für internationalen Handel. Guten Morgen!
    Daniel Caspary: Guten Morgen, Frau Schulz!
    Schulz: Herr Caspary, warum ist das Chlorhühnchen zur Chiffre für TTIP geworden?
    Caspary: Weil es die Gegner eines solchen Abkommens wunderbar geschafft haben, aus meiner Sicht weitestgehend unbegründete Ängste zu schüren. Man kann, glaube ich, mit diesem Thema Chlorhühnchen oder mit dem Thema Hormonfleisch oder genveränderte Lebensmittel unglaublich schlechte Bauchgefühle bei den Bürgerinnen und Bürgern wecken. Aber klar ist: Ich kenne keine ernst zu nehmende Kraft im Europäischen Parlament, die eine Absenkung von Verbraucherschutzstandards akzeptieren würde.
    Schulz: Schuld sind in dem Fall die Kritiker und nicht etwa die Befürworter, weil ihre Überzeugungsarbeit nicht gut genug war?
    Caspary: Wissen Sie, das Erste ist: Schlechte Nachrichten sind ja oft die besseren Nachrichten. Ich glaube, dass wir schon versuchen, für dieses Abkommen zu werben, und gerade bei den Themen, über die wir gerade gesprochen haben. Wir haben das Abkommen mit Kanada, das jetzt morgen vorgestellt werden soll, und wir haben in diesem Abkommen bewiesen, dass wir genau die Sorgen aufgreifen.
    Nehmen wir das Thema Hormonfleisch: Die Kanadier züchten Rinder, indem sie denen Hormone spritzen, damit die schneller wachsen. Wir wollen das nicht, vor allem aus Tierschutzgründen. Und wir haben es jetzt geschafft in diesem Abkommen, dass uns die Kanadier zwar in Zukunft Rindfleisch verkaufen dürfen, aber sie müssen sicherstellen und wir dürfen das dann auch kontrollieren, dass dieses Rindfleisch, das uns die Kanadier schicken, nur aus Betrieben stammen darf, wo die Tiere eben nicht mit Hormonen behandelt werden. Das ist doch genau das, was wir versprechen. Wir wollen unsere Standards exportieren und nicht die Standards senken.
    "Verhandlungen können nicht immer transparent ablaufen"
    Schulz: Aber die Frage zum Verfahren: Warum laufen die Verhandlungen, wenn das angeblich alles so transparent läuft, hinter verschlossenen Türen?
    Caspary: Die Verhandlungen laufen viel, viel transparenter, als das, glaube ich, weitgehend angenommen wird. Sie können sich, glaube ich, zu jeder wesentlichen Frage umfassend informieren, wenn Sie sich zum Beispiel die Homepage der Europäischen Kommission anschauen. Da gibt es zu jeder Frage eine Antwort, eine gute Antwort.
    Aber das Problem ist bei Verhandlungen: Verhandlungen können nicht immer transparent stattfinden. Wenn wir alles transparent hinlegen, dann würden wir ja zum Beispiel in allen Bereichen hinlegen, wie weit sind wir als Europäische Union bereit zu gehen, wie weit sind die Amerikaner bereit zu gehen. Da kann man nicht verhandeln und deswegen läuft das eben so, dass wir auf der europäischen Seite unseren Verhandlern Vorgaben gemacht haben, das sogenannte Verhandlungsmandat. Da stehen unsere roten Linien drin. Und dann müssen die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, wie das überall üblich ist. Nehmen wir zum Beispiel Tarifverhandlungen, wo ja auch die Arbeitgeberseite ihren Verhandlern Vorgaben macht, die Arbeitnehmerseite macht ihren Verhandlern Vorgaben, und dann finden natürlich die Tarifverhandlungen auch hinter verschlossenen Türen statt. Anders kann man ja gar nicht verhandeln. Und am Ende - und das ist ganz wichtig ...
    Schulz: Die Dokumente, die Sie ansprechen, die einsehbar sind, das sind ja alles schon Interpretationen. Sogar der Vertragstext von CETA, das jetzt vor dem Abschluss steht, das ist bisher offiziell nicht zu bekommen. Wie können Verbraucher dann überprüfen, dass Verbraucherschutzvorschriften nicht aufgeweicht werden?
    "Noch ausreichend Zeit zur Diskussion"
    Caspary: Genau, es ist so, wie Sie sagen. Der Text von CETA ist formal noch nicht veröffentlicht. Aber jetzt werden die Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann muss der Text auch schnellstmöglich veröffentlicht werden. Und ganz wichtig ist: Der Text tritt dann ja noch nicht in Kraft, sondern jetzt beginnt das Ratifizierungsverfahren. Das heißt, jetzt, wenn der Text da ist, der Text wird relevant für die Bürgerinnen und Bürger sein. Da haben wir ausreichend Zeit, mit den Bürgern, mit Verbraucherschutzorganisationen, mit der Industrie, mit Gewerkschaften, mit allen Interessierten darüber zu diskutieren.
    Wir werden Anhörungen im Europäischen Parlament haben, in den nationalen Parlamenten, die aus meiner Sicht diesem Abkommen auch zustimmen müssen, und dann werden wir prüfen, stimmt dieses Kanada-Abkommen mit dem überein, was wir bestellt haben, oder stehen da Dinge drin, die wir nicht wollen. Und deswegen: Ich bin zwar grundsätzlich für dieses Abkommen, aber ob ich dem Abkommen am Ende zustimmen werde und ob auch die Mehrheit im Europäischen Parlament zustimmen wird, wird ja auch davon abhängen, ob wir das bekommen, was wir bestellt haben, oder ob da doch irgendwo ein trojanisches Pferd versteckt ist.
    Schulz: Sie haben uns gerade gesagt, dass die Verbraucherschutzrechte auf keinen Fall aufgeweicht werden, dass alle Schutzstandards so hoch bleiben, wie sie bisher sind. Wie gesagt, man kann es im Moment noch nicht offiziell überprüfen. Es gibt aber zumindest Anhaltspunkte. Wir hören mal einen kurzen Auszug aus einem Gespräch, das der Kollege Stephan Stuchlik vom WDR für eine ARD-Dokumentation geführt hat:
    O-Ton ARD-Doku:
    ##"Frage: Von welcher Organisation sind Sie?
    Antwort: Ich bin von der europäischen Chemieindustrie.
    Frage: Sind Sie mit dem Verlauf der Verhandlungen zufrieden?
    Antwort: Der Verlauf sieht gut aus. Ja!
    Frage: Haben Sie genügend Kontakt mit den Leuten in der Kommission, die die Verhandlungen führen?
    Antwort: Das ist ein sehr offener Prozess. Nein, wir haben keine Beschwerden.
    Frage: Fühlen Sie sich von der europäischen Kommission gut genug informiert?
    Antwort: Ja! Wirklich!
    Frage: Gibt es genügend Kontakt zwischen Ihnen und den Unterhändlern, also den amerikanischen und der europäischen Kommission?
    Antwort: Das ist ein ziemlich offener Austausch, ganz allgemein."##
    "Keine Senkung von Verbraucherschutzstandards"
    Schulz: Der Chemielobbyist, den wir gerade gehört haben, der hat überhaupt keinen Grund zur Klage. Und die europäischen Bürger laufen Sturm gegen ein Abkommen. Was ist da schief gelaufen?
    Caspary: Ich glaube, der Chemielobbyist, der kümmert sich regelmäßig um dieses Thema. Er wird dafür bezahlt, es ist seine Aufgabe. Und ich habe den Eindruck, die allermeisten Bürger wollen doch gar nicht den Kontakt zu Verhandlern oder den Kontakt zu amerikanischen Verhandlern, sondern die allermeisten Bürger wollen sich informieren. Und auch bei dem Kanada-Abkommen gilt: Wer sich über das Kanada-Abkommen informieren möchte, der kann sich, glaube ich, sehr gut informieren.
    Und die Frage ist: Was ist denn Transparenz? Transparenz ist doch nicht, dass 500 Millionen Europäer alle eine Europalette voll Papier vors Haus geladen bekommen, mit der sie gar nichts anfangen können, sondern Transparenz bedeutet doch, dass Informationen so dargestellt werden, dass es auch der Laie verstehen kann. Und bei dem Kanada-Abkommen gilt auch: Es wird keine Senkung von Verbraucherschutzstandards geben. Wir haben es erreicht in den Verhandlungen, dass wie am Beispiel Hormonfleisch die Kanadier unsere Standards übernehmen, und deswegen ist einfach meine Bitte, wir sollten jetzt die nächsten zwei Jahre nutzen, so lang wird der Ratifizierungsprozess aus meiner Sicht gehen, um wirklich zu prüfen mit der Öffentlichkeit, mit allen interessierten Kräften, steht in dem Abkommen das drin, was wir wollen.
    Auch wir als EVP-Fraktion wollen das Abkommen nicht um jeden Preis. Wir wollen keine Senkung von Verbraucherschutzstandards. Wir wollen keine Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung. Wir wollen aber Marktzugang in Kanada, wir wollen, dass unsere Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können, weil sie besseren Marktzugang haben, weil sie billigere Vorprodukte erreichen können. Wir wollen hier Arbeitsplätze sichern und das Angebot vergrößern für die Bürgerinnen und Bürger und nicht die Bürger verärgern.
    Schulz: Das heißt, eine ganz kurze Frage, die Sie mit einem Ja oder Nein beantworten können: Wenn doch was schlecht läuft bei TTIP oder CETA, dann wird das von Europa gestoppt, ja oder nein?
    Caspary: Dann wird es gestoppt und muss nachgebessert werden.
    Schulz: ... , sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, heute hier in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Vielen Dank Ihnen.
    Caspary: Vielen Dank Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.