Sandra Schulz: Im Handelskonflikt zwischen den USA und Europa hatten in der vergangenen Woche EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Präsident Trump ja die Stopp-Taste gedrückt. Aber nach Peking hat Trump jetzt neue Zolldrohungen geschickt, 25-prozentige Zölle auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar lässt das Weiße Haus prüfen. Der Handelsstreit zwischen China und den USA wird ja jetzt schon deutlich schärfer ausgetragen, und wo stehen dazwischen Deutschland und Europa? Darüber können wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Michael Fuchs, langjähriger CDU-Wirtschaftspolitiker und Bundestagsabgeordneter, Vorstandsmitglied im Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, einer der Vorgänger, wie er mir gerade noch gesagt hat, des von mir eben zitierten Bingmann, und auch seine jahrelange Erfahrung als Unternehmer in Asien, in Hongkong und Schanghai war einer der Gründe, warum wir uns heute Morgen freuen, dass wir uns mit ihm verabreden konnten. Schönen guten Morgen, Michael Fuchs!
Michael Fuchs: Guten Morgen, Frau Schulz, ich grüße Sie!
Schulz: Wenn diese Zölle jetzt kämen, die Donald Trump China androht, diese 25 Prozent auf Einfuhren in dreistelliger Milliardenhöhe, was wäre daran eigentlich für Deutschland so schlimm?
Fuchs: Das wird dann ja immer zu Umleitungen führen. Wir können das ja am Stahl sehr gut sehen. Die Stahlzölle, die Amerika eingeführt hat, haben dazu geführt, dass die Märkte sich verschieben. Das bedeutet beispielsweise, dass die Chinesen, die von diesen Stahlzöllen besonders betroffen sind, sich andere Märkte suchen. Wenn die dann nach Europa gehen und versuchen, dort ihren Stahl zu verkaufen, weil das hier noch einfacher möglich ist, dann führt das natürlich für unsere Unternehmen ebenfalls zu erheblichen Schwierigkeiten. Das Gleiche würde passieren, wenn tatsächlich Trump bis zu 25 Prozent Zölle auf alle möglichen Produkte – das soll ja insgesamt ein Volumen von 200 Milliarden sein, einführen würde, dann würden sich diese Produkte auch wiederum andere Märkte suchen müssen, weil sie natürlich in den USA dann nicht mehr so einfach abzusetzen sind. Das gibt eine Spirale, und ich sage mal, am Ende verlieren alle dabei, nicht nur die Asiaten. Die Amerikaner sowieso, denn wenn diese Produkte mit 25 Prozent Zoll belegt werden, werden sie natürlich in den USA deutlich teurer. Das gibt eine Inflation in den USA, aber am Ende des Tages natürlich auch die Europäer. Eine sehr, sehr kritische Situation.
Konfliktpunkt: Sojabohnen
Schulz: Ja, aber mal andersherum gedreht, wir haben ja in der letzten Woche schon gesehen, dass dieser Spruch durchaus auch stimmt, dass, wenn zwei sich streiten, dass sich dann der Dritte freuen kann. Wir hatten diese Einigung, diese Deeskalation zwischen Trump und Juncker, weil Europa versprochen hat, mehr Sojabohnen abzunehmen, und das war ja wiederum der Konfliktpunkt oder das Problem, dass Donald Trump im Nacken saß, weil eben weniger Sojabohnen ja nach China gehen.
Fuchs: Das Problem ist trotzdem nicht gelöst. Das ist vielleicht kurzfristig in Amerika gelöst, aber man muss wissen, dass China achtmal so viel Soja abgenommen hat wie Europa überhaupt abnehmen kann. Weil China viel größer ist und keine Sojaproduktion hat in dem Maße, wie sie ja in Europa da ist. Dann haben Sie zweitens schon die Worte von den Franzosen gehört, die gerade bei Agrarprodukten immer besonders restriktiv gewesen sind. Also so ganz einfach wird das Ganze nicht. Juncker hat das zugesagt, ich bin gespannt, wie er das in Europa umsetzen will. Im Prinzip ist das schlecht. Alle Handelskriege helfen nichts, helfen niemandem und führen am Ende des Tages dazu, dass alle Verlierer sind.
Schulz: Glauben Sie denn, dass Donald Trump es jetzt verstanden hat?
Fuchs: Das ist eine Frage, ich glaube, die kann er nur selber beantworten. Ich hoffe, dass ihm irgendwann mal klar wird, dass Amerika ebenfalls leidet. Ich nehme mal die Automobilindustrie. Es gibt ja immer wieder die Diskussion, dass Zölle auf Automobile gemacht werden. Wenn er das machen würde, würde er natürlich auch seinen amerikanischen Automobilherstellern im Export schaden. Und wissen Sie, wer der stärkste Exporteur amerikanischer Automobile ist? Das ist ein deutsches Unternehmen. Der größte Exporteur ist nicht Chrysler und ist auch nicht General Motors, sondern es ist BMW. Und das müsste er sehen. Denn wenn die Zölle kommen, dann führt das natürlich zu Gegenzöllen auf der anderen Seite. Dann wird der Export amerikanischer BMWs natürlich auch erheblich erschwert. Und das sollte er schon irgendwann mal verstehen, hoffentlich.
Zölle führen dazu, dass alle verlieren
Schulz: Aber die naive Nachfrage wäre, oder vielleicht gar nicht so naive Nachfrage, ob das nicht sozusagen dann auch wieder Entflechtungen geben könnte. Wenn BMW eben nicht in den USA produzieren würde, sondern anderswo, würde ja wieder ein anderer profitieren.
Fuchs: Sie müssen wissen, so ein BMW-Werk, das kann man nicht gerade in die Hosentasche stecken und gerade mal irgendwo anders hinstellen. Das sind ja Jahre oder sogar Jahrzehnte, bis solche Märkte überhaupt aufgebaut werden können, bis solche Fabriken aufgebaut werden können et cetera. Das ist schon ein ganz langer Prozess, und ich sag mal, ich hoffe, dass irgendwann mal wieder Einsicht einkehrt, dass wir uns an WTO-Regeln zu halten haben und dass wir dafür sorgen, dass eher Zölle abgebaut werden. Ich fände es gut – es gab ja mal so eine Initiative von Trump – davon habe ich aber in der letzten Zeit nichts mehr gehört – hinzugehen und zu sagen, alle Zölle müssen gesenkt werden, alle. Oder wir nehmen alle Zölle weg, hat er ja auch mal gesagt. Ja, meine Güte, das wäre wahrscheinlich der richtigste Weg, denn die WTO hat im Prinzip in der ganzen Welt dazu geführt, dass der Handel verbessert wurde und es in allen Ländern zu, ich sage auch mal bewusst, zu einem Reichtumsanstieg gekommen ist. Jetzt wieder Zölle hochzufahren, wird nur dazu führen, dass alle verlieren.
Schulz: Das Plädoyer, glaube ich, haben wir verstanden. Wenn wir jetzt auf die Situation schauen, Deutschland und Europa mit zwei ausgesprochen wichtigen und zwei ausgesprochen schwierigen Partnern, den USA und China. Haben Sie schon verstanden, wie da die Positionierung jetzt läuft?
Fuchs: Ich glaube, dass – vor allen Dingen hat mir ein bisschen Hoffnung gemacht, dass Juncker ja sehr vernünftig in den USA verhandelt hat –, dass Europa jetzt vielleicht verstanden hat, dass nur ein gemeinsames Auftreten was nützen kann. Wenn Europa meint, man könnte das als einzelnes Land jeweils machen, was ja viele versucht haben, besonders natürlich die Engländer, dann schaffen wir das nicht. Wenn aber Europa zusammensteht und damit eine Kaufkraft von 500 Millionen Menschen vorbringt und zeigt, dass das – und ebenfalls Abwehrmaßnahmen geben kann, dann kann ich mir vorstellen, dass die anderen Länder, also vor allen Dingen, die USA, aber auch China darüber nachdenken. Es war ja interessant, dass am Anfang des Jahres in Davos der chinesische Staatspräsident sehr deutliche Worte in Richtung positiv zur WTO gesagt hat.
Neuer Kurs der Bundesregierung?
Schulz: Ja, das war in der Tat denkwürdig oder interessant, dass das Plädoyer dann inzwischen aus Peking kommt im Jahr 2018. Wenn wir jetzt noch mal stärker nach China schauen, da haben wir ja immer wieder öffentlich diskutiert, wenn es prominentere Übernahmen gab, von deutschen Unternehmen oder chinesische Investitionen, da ging es zum Beispiel um KUKA. Und in der vergangenen Woche hat die Bundesregierung zum ersten Mal ein Veto angekündigt. Da ging es um den Maschinenbauer Leifeld. Ist das jetzt ein neuer Kurs der Bundesregierung, da stärker Zähne zu zeigen?
Fuchs: Das macht mir ein bisschen Sorge, denn ich meine, das wird natürlich auch zu Maßnahmen in China führen. Das ist ja immer das Problem im gesamten Handel. Wenn irgendwo einer irgendeine Regelung einführt, dann versucht das andere Land, ebenfalls zu antworten. Wir müssen da sehr vorsichtig sein. Ich fand auch bemerkenswert, dass 50Hertz, wo 20 Prozent der Anteile eventuell von einer chinesischen Firma hätten gekauft werden sollen, das ist ein Energienetzbetreiber, dass die dann von der KfW übernommen werden. Das ist schon fragwürdig. Ich bin eigentlich kein Fan davon, dass der Staat sich da einmischt, es sei denn, es seien wirklich kritische - vor allen Dingen Militär, als Hintergrund, Produkte. Ich denke, wir sollten da sehr vorsichtig sein, und ich bin nicht begeistert davon, dass wir jetzt anfangen, permanent Firmenverkäufe zu verhindern.
Schulz: Aber müsste China da nicht mit der Fairness mal anfangen?
Fuchs: Das ist völlig richtig, was sie sagen. Es muss zum Beispiel auch so sein, dass die Chinesen zulassen, dass hundert Prozent einer chinesischen Firma von einer deutschen Firma übernommen werden. Bis jetzt sind das ja nur 49 Prozent. Das muss geändert werden. Das muss man dann auch bilateral verhandeln. Aber ich sag mal, wenn wir jetzt das Gleiche tun, dann führt das nur dazu, dass in China der Druck, oder sagen wir mal, die Chance für deutsche Firmen schlechter wird. Und Sie dürfen eines nicht vergessen, China wird immer mehr der wichtigste Markt für deutsche Firmen, und deutsche Firmen sind in China massiv engagiert.
Schulz: Der CDU-Politiker und Außenwirtschaftsexperte Michael Fuchs heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen und noch einen schönen Tag!
Fuchs: Danke Ihnen!
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