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Handelskrieg USA-China
Bedrohung für den Amazonaswald

Vom Streit mit den USA um Strafzölle sind auch Sojabohnen betroffen. China könnte bald auf Brasilien als Bezugsland ausweichen, sagte der Agrarexperte Richard Fuchs im Dlf. Dafür müsste Brasilien im schlimmsten Fall bis zu 13 Millionen Hektar Waldfläche abholzen.

Richard Fuchs im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Um immer größere Agrarflächen zu schaffen, werden im Amazonas immer mehr Bäume gerodet.
Um immer größere Agrarflächen zu schaffen, werden im Amazonasgebiet immer mehr Bäume gerodet. Verhindern könnte das zum Beispiel auch ein geringerer Fleischkonsum. (dpa/Werner Rudhart)
Lennart Pyritz: Seit Monaten erheben die USA Strafzölle auf chinesische Importwaren mit einem Wert von 250 Milliarden US-Dollar. Die chinesische Regierung antwortete mit Zöllen auf US-Waren im Wert von 110 Milliarden Dollar, darunter auch Sojabohnen. In einem Kommentar in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" warnt nun ein Forschungsteam, dass dieser Handelskrieg ein auf den ersten Blick unerwartetes Opfer haben könnte: den tropischen Regenwald im Amazonasgebiet. Ein Autor des Beitrags ist Richard Fuchs. Er forscht am Karlsruher Institut für Technologie zum Wandel von Landnutzung. Ich habe vor der Sendung mit ihm telefoniert und zuerst gefragt, wie der Handelskrieg zwischen China und den USA dem Amazonaswald schaden könnte?
Richard Fuchs: Ja, das liegt daran, dass der Agrarhandel für Sojabohnen sehr stark begrenzt ist auf wenige große Player. Zum einen haben wir die Produzenten, es gibt insgesamt 100 Länder, die Sojabohnen produzieren, aber nur eigentlich drei große Länder, die das auch exportieren an andere Länder. Das sind die USA, Brasilien und Argentinien. Und auf der Gegenseite haben wir sehr wenige Länder, die importieren in großen Mengen: Das ist zum einen die Europäische Union und zum anderen China. Und China hat bisher auch große Mengen aus den USA importiert, wenn das jetzt aber nicht mehr geht durch den Handelskrieg, muss sich China nach neuen Exporteuren umschauen. Und da liegt es nahe, dass China sich jetzt Brasilien zuwendet.
Fuchs: Abholzung von bis 13 Millionen Hektar Wald möglich
Pyritz: Wie groß wäre denn diese Waldfläche, von der wir dann sprechen, die für die neuen Sojaanbaugebiete in Brasilien, im Amazonasgebiet abgeholzt werden könnte?
Fuchs: Also, wir gehen von unterschiedlichen Szenarien aus, je nachdem, ob Brasilien das alleine stemmen muss oder andere Produzenten mit hinzukommen. Aber wir gehen von einem Worst-Case-Szenario aus, was bis zu 13 Millionen Hektar umfasst, das ist in etwa der Fläche von Griechenland.
Pyritz: Wie kommen Sie denn überhaupt auf diese Zahlen, also, welche Daten haben Sie zugrunde gelegt, um diese Szenarien zumindest simulieren oder mal errechnen zu können?
Fuchs: Die Daten sind insgesamt frei zugänglich, von der "Food and Agriculture Organization" der Vereinten Nationen. Und wir haben die letzten verfügbaren Daten genommen und uns einfach angeschaut, wie viel haben die USA eigentlich zuletzt nach China exportiert und wie würde sich das jetzt umverlagern nach Brasilien? Wir haben die Produktionsmengen aus den USA genommen, haben die auf Ernteerträge für Brasilien umgerechnet und haben dann in verschiedenen Szenarien angenommen, was würde passieren, wenn vielleicht 60 Prozent des US-Exports wegbrechen – oder eben auch halt die 100 Prozent. Und bei den 100 Prozent sind wir dann eben auf die 13 Millionen Hektar gekommen.
"Agrarflächen knapp geworden und auch sehr stark degradiert"
Pyritz: Sie haben eben schon gesagt, Sie halten das Szenario, dass China eben auf Brasilien als neuen Sojalieferanten ausweicht für wahrscheinlich oder am wahrscheinlichsten. Was ist denn mit anderen Szenarien, könnte China Soja nicht auch in anderen Ländern beziehen, selbst mehr anbauen oder den eigenen Konsum drosseln?
Fuchs: Prinzipiell ist das möglich und sicherlich auch empfehlenswert für einen gemischten Lösungsansatz, allerdings würden viele dieser Vorschläge sehr lange Zeit brauchen. China hat große Probleme, die Landflächen selbst bereitzustellen. Durch die städtische Urbanisierung, aber auch Wiederaufforstungsmaßnahmen sind Agrarflächen knapp geworden und auch sehr stark degradiert. Andere Produzenten haben es schwer, diese Lücke zu füllen, die Europäische Union sperrt sich dagegen, weil das ein sehr sensibles Thema ist, Sojabohnen anzubauen, sie sind häufig genetisch modifiziert, um glyphosatresistent zu sein. Das heißt, Europa kann auch kurzfristig nicht einspringen, und da fehlt sicherlich auch noch viel Know-how und Expertise die nächsten Jahre. Einige Länder haben beabsichtigt, ihre Produktion zu steigern, zum Beispiel Russland. Aber auch die Beiträge sind marginal im Vergleich zu dem, was im Moment aus den USA wegfällt. Und deswegen wird kurzfristig wahrscheinlich Brasilien einspringen müssen.
Fuchs: Sollte den Konsumenten in die Pflicht nehmen
Pyritz: Wie könnte denn dieses Szenario, vor dem Sie warnen, verhindert werden? Welchen Einfluss hat da die Politik, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten?
Fuchs: Das Naheliegendste wäre, dass die USA und China sich jetzt darauf einigen, Sojazölle rauszunehmen aus den gegenwärtigen Verhandlungen, dass sie das anerkennen, welchen Einfluss das hat. Zweite Möglichkeit ist, dass die internationale Gemeinschaft mehr Druck auf Brasilien ausübt, um dort eben halt auch Anreize zu schaffen, nicht zu entwalden. Und als letztes sollte man den Konsumenten auch in die Pflicht nehmen, da der Sojakonsum stark mit dem Fleischverbrauch auch zusammenhängt – Soja wird überwiegend als Futtermittel eingesetzt –, und wenn der Konsument nun darüber nachdenkt, vielleicht weniger Fleisch zu essen, das vielleicht zu halbieren, dann hat das enormen Einfluss. Und es hat auch Einfluss, welches Fleisch man isst, wenn man zum Beispiel von Rindfleisch auf Hühnerfleisch umsteigen würde, hätte das schon enorme Vorteile für den Landbedarf. Es ist so, dass, gerade jetzt im Beispiel von Brasilien, 70 Prozent aller dort angebauten Sojabohnen weltweit für Futtermittel eingesetzt werden. Und ein Teil davon geht dann noch für die normale Ernährung von Menschen drauf und ein kleinerer Teil immer noch für Biodiesel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.