Ann-Kathrin Büüsker: Frau Malmström Donald Trump hat am Sonntag in einem Interview gesagt: "Die Europäische Union wurde gegründet, um Vorteile aus den USA zu ziehen - und das haben sie auch getan." Außerdem nannte er die Art und Weise, wie die EU die USA behandelt "feindlich". Wie antworten Sie darauf?
Cecilia Malmström: Ich glaube, eine solche Rhetorik ist unserer Beziehung nicht zuträglich. Die EU und die USA sind Freunde und Verbündete - aus vielen guten Gründen und seit etlichen Jahren. Wir haben gerade erst damit begonnen, auszuloten, welche Art von Handelsabkommen für beide Seiten am vorteilhaftesten wäre. Da ist eine solche Rhetorik natürlich alles andere als hilfreich.
Büüsker: Aber wie verhandelt man mit einem Partner, der sich einer solchen Rhetorik bedient?
Malmström: Im Sommer gab es ein Treffen zwischen beiden Präsidenten, US-Präsident Trump und Kommissionspräsident Juncker, bei dem ich selbst dabei war. Dabei ging es um eine mögliche Ausweitung der Handelsbeziehungen und alle relevanten Aspekte: also auch um das Interesse einzelner EU-Länder am Import von Flüssig-Erdgas aus den USA, und die Unterstützung der USA bei der Autorisierung dieser Importe. Wir haben über die Möglichkeit eines Abkommens gesprochen, das den Handel von Industriegütern erleichtert. Jetzt sind wir dabei, gemeinsam mit unseren amerikanischen Kollegen auszuloten, was davon wirklich umsetzbar ist. Dazu gehört die Frage, welche Art von regulatorischer Zusammenarbeit beiden Seiten helfen würden. Dieser Austausch läuft seit diesem Treffen im Juli, und daran arbeiten wir weiter.
"Trump ist ein bisschen unberechenbar"
Büüsker: Und läuft er denn gut, dieser Austausch?
Malmström: Nun ja, wir haben angeboten, ein mögliches Handelsabkommen vorerst in kleinerem Umfang zu realisieren. Aber die USA haben bislang kein Interesse signalisiert. Deshalb richten wir den Fokus jetzt auf die Frage, in welchen Bereichen wir den Handel erleichtern könnten, zum Beispiel bei Doppelregulierungen. In manchen Bereichen haben wir auf beiden Seiten des Atlantiks prinzipiell die gleichen Normen und Vorschriften, müssen am Ende aber doppelt prüfen: zum Beispiel im Automobilsektor oder der Medizintechnik. Diese Bereiche versuchen wir zu identifizieren, um erste Ergebnisse auszutauschen. Mein Team fliegt nächste Woche in die USA, und ich fliege kurz darauf nach Washington, um den Handelsbeauftragten nach den Wahlen im November zu treffen.
Büüsker: Glauben Sie, dass Donald Trump für all das ein vertrauenswürdiger Partner ist?
Malmström: Tja… ich würde sagen, er ist ein bisschen unberechenbar, um es diplomatisch auszudrücken. Ich muss aber auch sagen, dass mein wesentlicher Ansprechpartner für diese Themen Robert Lighthizer ist, der Handelsbeauftragte der USA. Ich glaube, wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir uns vorgenommen haben. Darauf, was beide Präsidenten grundlegend vereinbart haben, anstatt uns von solchen Tweets oder Kommentaren ablenken zu lassen.
Gespräche vor allem über Industriegüter
Büüsker: Welches sind denn Ihrer Meinung nach die problematischsten Punkte?
Malmström: Im Moment sprechen wir vor allem über die regulatorische Zusammenarbeit. Es gibt auch Gespräche zu den Gas-Importen. Wenn es zu einem Handelsabkommen kommt - dem hat das Weiße Haus zugestimmt - würde das zunächst nur Industriegüter abdecken, und keine Agrarprodukte. Aber natürlich wünschen sich viele in den USA, dass die Landwirtschaft Teil eines solchen Abkommens wäre. Dafür haben wir in den EU-Mitgliedsstaaten aber derzeit keine Unterstützung.
Büüsker: Warum nicht?
Malmström: Das war ja schon Knackpunkt bei den Verhandlungen zu TTIP. Ich glaube, für solche Vorhaben fehlt aktuell das Vertrauen. Die USA haben außerdem deutlich klar gemacht, dass sie nicht bereit sind, ihre öffentlichen Beschaffungsmärkte zu öffnen, was wiederum für uns interessant wäre. Deshalb könnten beide Seiten vorerst von einem kleineren Handelsabkommen profitieren, das sich auf Industriegüter konzentriert. Dafür müssten wir aber erst die wesentlichen Parameter definieren, und anschließend bräuchte ich natürlich einen entsprechenden Handlungsauftrag von den Mitgliedsstaaten.
Büüsker: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, mangelt es in bestimmten Bereichen an Vertrauen?
Malmström: Nun ja, wir wissen dass es Meinungsverschiedenheiten zum Thema Landwirtschaft gibt. Ein paar Mitgliedsstaaten haben unmissverständlich klar gemacht, dass sie ein Handelsabkommen im Agrarsektor derzeit auf keinen Fall unterstützen würden.
Knackpunkt Einfuhrzölle für europäische Autos
Büüsker: Sprechen wir über den Automobilsektor, der für Deutschland natürlich besonders interessant ist. Was würde passieren, wenn die USA Einfuhrzölle auf Automobil-Importe einführten? Wie würde die EU reagieren?
Malmström: Das wäre natürlich bedauerlich. Beide Seiten haben im Rahmen der Gespräche im Weißen Haus klar ausgedrückt, dass wir im Sinne einer engeren Zusammenarbeit im Handel keine neuen Zölle einführen wollen, die dem jeweils anderen schaden. Das könnte die Gespräche natürlich zum Erliegen bringen - und wir müssten abwägen, wie wir im Rahmen der WTO-Vorschriften auf einen solchen Wortbruch reagieren. Wir würden sicher unsererseits mit der Einführung von Zöllen reagieren, wie wir es nach der Einführung der US-Zölle auf Stahl und Aluminium getan haben.
Büüsker: Aber wäre es clever, so rigide zu reagieren? China hat das getan und Zölle auf US-Produkte eingeführt. Das hat die Situation aber nur schlimmer gemacht. Beide Länder befinden sich in einer Art Zollspirale, und man kann regelrecht zusehen, wie die Aktienmärkte nervöser werden. Wäre das wirklich clever?
Malmström: Natürlich wäre das nicht gut. Handelskriege sind nie gut, und auch nicht einfach zu gewinnen. Die Eskalation zwischen China und den USA ist für die ganze Welt von Nachteil. Daher wäre das natürlich kein einfacher Schritt. Aber wenn die USA der EU Autozölle von 25 Prozent auf den Tisch knallen, können wir nicht einfach tatenlos zusehen. Dann müssen wir reagieren. Ich hoffe nicht, dass das passiert. Die Studie dazu ist noch nicht in den USA veröffentlicht worden, also müssen wir Geduld haben. Aber möglich ist alles.
"Kein Handelskrieg zwischen EU und USA"
Büüsker: Interessant, dass Sie das Wort "Handelskrieg" benutzen. In Deutschland haben wir viele verschiedene Bezeichnungen für diese Art von Auseinandersetzung. Manche sprechen von einem "Streit", andere von "Konflikten", aber sie bezeichnen es rundheraus als "Handelskrieg"?
Malmström: Ich würde sagen, dass sich die USA und China durchaus in einer Art Handelskrieg befinden, ja. Und ich hoffe sehr, dass er nicht eskaliert.
Büüsker: Und zwischen der EU und den USA?
Malmström: Das ist kein Handelskrieg. Wir sprechen miteinander, und wie ich bereits sagte versuchen wir, uns auf eine gemeinsame Agenda zu einigen. Wir sind sehr unglücklich über die Einführung der US-Zölle auf Stahl und Aluminium, und das haben wir auch klar zum Ausdruck gebracht. Ansonsten aber sprechen wir, und finden hoffentlich eine Lösung, die uns weiterbringt. Denn wir wollen nicht, dass sich die Situation verschlechtert. Die USA sind ein Freund und Partner. Wir handeln tagein tagaus miteinander. Und es ist im Sinne unserer Länder und Bürger, dass wir diesen Handel fördern.
Büüsker: Was ist denn der Zeitplan für die Verhandlungen? Glauben Sie, eine Lösung ist bis Ende dieses Jahres in Aussicht?
Malmström: Ich weiß es nicht. Wir gehen Schritt für Schritt. Mein Verhandlungsteam fliegt wie gesagt nächste Woche nach Washington, um mit den Kollegen in den USA zu sprechen. Ich fliege im November nach, um gemeinsam mit dem Handelsbeauftragten zu erörtern, wo wir stehen. Wir bemühen uns, keine Zeit zu verlieren, aber eine Deadline möchte ich ungern setzen.
WTO muss modernisiert werden
Büüsker: Ein weiterer Teil einer möglichen Lösung ist eine Reform der Welthandelsorganisation WTO. Sie empfehlen, die weltweiten Handelsvorschriften an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Auf welche Anforderungen beziehen Sie sich dabei?
Malmström: Die WTO ist eine großartige Organisation. Sie hat der Welt große Dienste geleistet, aber sie muss natürlich regelmäßig modernisiert werden. Sowohl im Bezug auf ihre tägliche Arbeit als auch auf grundlegende Entscheidungsprozesse. Manche Transaktionen im globalen Handel fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der WTO-Vorschriften, denken wir nur an Chinas massive Subventionen für staatseigene Unternehmen, die den Weltmarkt mit Dumpingpreisen fluten. Oder den erzwungenen Technologietransfer, für den die WTO ganz neue Tools benötigt. Hier arbeiten wir ganz konstruktiv mit den USA und Japan zusammen, um diese neuen Vorschriften gemeinsam zu entwerfen und dann mit allen Mitgliedsstaaten zu verhandeln.
Büüsker: Und glauben Sie, dass Sie dabei erfolgreich sein werden?
Malmström: Die Arbeit ist auf jeden Fall sehr konstruktiv. Wir haben uns bislang vier mal auf ministerieller Ebene getroffen und große Fortschritte gemacht. Die USA beteiligen sich rege, auch weil sie unsere Kritik an Chinas Praktiken teilen. Wir glauben aber, dass wir die Lösungen mithilfe der Instrumente der WTO finden müssen, und nicht, indem wir mit Strafzöllen sanktionieren.
Büüsker: Könnte der Druck der USA auf China also hilfreich für eine solche Reform der WTO sein?
Malmström: Wie bereits gesagt sind wir nicht mit den Methoden einverstanden, aber durchaus mit der grundlegenden Kritik. China ist ein großer und wichtiger Global Player. Sie möchten als Marktwirtschaft wahrgenommen werden, also sollten sie auch anfangen, wie eine Marktwirtschaft zu handeln. Wir brauchen also neue Instrumente für die WTO und dafür arbeiten wir durchaus konstruktiv mit den USA zusammen.
Büüsker: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Malmström.
Malmström: Vielen Dank.