Ein Park am Rande des Westsees im südchinesischen Fuzhou. Fünf Herren mittleren Alters sitzen an einem Campingtisch, trinken Bier, rauchen und spielen Karten. Und: Sie sprechen über internationale Politik.
Deutschland, da sind sich die Männer einig, sei ein tolles Land. Die USA dagegen, ergänzt einer, seien nicht ganz so toll, aber "die Amerikaner sind gute Leute! Die USA haben eine Menge für die Welt getan. Die Welt kommt ohne die USA nicht aus. Die Amerikaner haben in ihrer Geschichte viele Soldaten geopfert – und sie haben den Vereinten Nationen eine Menge Geld überwiesen."
Die USA und China mögen sich in einem Handelskrieg befinden, von einer kriegerischen oder feindseligen Stimmung ist im Park von Fuzhou allerdings nichts zu spüren.
Das Wort Handelskrieg ist tabu
Das liegt auch daran, dass sich Chinas Staats- und Parteiführung öffentlich nur sehr zurückhaltend äußert zum Zollkonflikt mit den Amerikanern. Nach der US-Ankündigung Anfang der Woche, neue Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden US-Dollar zu erheben, sagte Regierungssprecher Geng Shuang in Peking:
"Diese neuen Schritte der Amerikaner bringen neue Unsicherheit in die Verhandlungen zwischen beiden Ländern. Wir haben unsere Standpunkte zu den US-chinesischen Handelsfragen ja schon mehrfach dargelegt. Insofern sind diese allseits bekannt."
Harte Worte und scharfe Kritik hören sich anders an. Auch die staatlich gesteuerten Medien halten sich zurück. Das Wort Handelskrieg dürfen chinesische Journalisten seit einigen Wochen überhaupt nicht mehr verwenden. Auch allzu bissige Kommentare über Donald Trump sind tabu. Selbst der für seine nationalistischen Töne bekannte Chefredakteur der Propagandazeitung "Global Times", Hu Xijin, sagte Mitte der Woche in seiner Video-Kolumne:
"China und die USA könne beide überleben und sich weiter entwickeln, wenn sie sich zusammenreißen. Das Weiße Haus wird seinen unsachlichen Kurs irgendwann beenden. Ich bin überzeugt, dass beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückkehren werden."
"China und die USA könne beide überleben und sich weiter entwickeln, wenn sie sich zusammenreißen. Das Weiße Haus wird seinen unsachlichen Kurs irgendwann beenden. Ich bin überzeugt, dass beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückkehren werden."
Zigtausende Arbeitsplätze in Gefahr
Im ganzen Land aber spüren chinesische Firmen inzwischen die Folgen der US-Sonderzölle, vor allem kleine Privatunternehmen. Produkte und Bauteile made in China werden für Importeure in Amerika teurer. Das drückt auf die Nachfrage. Zigtausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Offen gesprochen wird darüber in China kaum.
Betroffene Unternehmer trauen sich nicht, sich öffentlich zu äußern. Die Staatsmedien verbreiten stattdessen Jubelmeldungen über die Wirtschaftskraft des Landes. Der Nachrichtensender CCTV berichtet statt über die Handelskrieg-Folgen in China lieber über die negativen Auswirkungen auf die US-Wirtschaft. Zu Wort kommt ein Fahrradhersteller in South Carolina, der Bauteile aus China verwendet und wegen der Zölle seiner Regierung nun um seine Existenz fürchtet.
Die Strategie der chinesischen Staats- und Parteiführung ist ganz offensichtlich: den Ball flach halten. Die schlechte Stimmung zwischen beiden Staaten soll nicht noch weiter verdorben werden. "Wir haben alles im Griff", wird stattdessen vermittelt. Doch nach ersten Statistiken stimmt das allerdings nicht. Chinas Wirtschaft leidet inzwischen sehr wohl unter dem Handelsstreit. Der Anfang September veröffentlichter Einkaufsmanagerindex einer Privatfirma sank im Vergleich zum Vormonat auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr.
Kritik an Xi Jinpings Verhalten im Handelsstreit
Gerüchten zufolge wächst inzwischen auch innerhalb der Kommunistischen Partei der Unmut darüber, wie Staatschef Xi Jinping mit der Situation umgeht. Xi hatte zwei seiner engsten Vertrauten, Vize-Präsident Wang Qishan und Vize-Premier Liu He, mit den Verhandlungen mit der Trump-Regierung betraut. Doch obwohl Wang und Liu enge Beziehungen zur US-Wirtschaft nachgesagt werden, scheiterten sie kläglich mit Verhandlungsstrategien. Das ist nicht nur ein Rückschlag für die beiden, sondern auch für Xi Jinping. Die Nervosität im Pekinger Machtapparat dürfte also weiter zunehmen.
Erschwerend kommt hinzu, dass China langsam, aber sicher die Optionen ausgehen, sich gegen die aggressive US-Handelspolitik zu wehren. Gegenzölle auf weitere US-Importe kommen irgendwann nicht mehr in Frage, weil China ganz einfach viel weniger aus den USA importiert als umgekehrt. Analysten schließen nicht aus, dass Chinas Führung irgendwann anti-amerikanische Kampagnen anzetteln könnte. Nick Marro von der Economist Intelligence Unit mit Sitz in Hongkong:
"Das bedeutet: Bestimmte Zulassungen, die US-Firmen in China brauchen, könnten verzögert werden, oder auch Importgenehmigungen. Sicherheitsprüfungen für US-Firmen könnten verschärft werden, auch Umweltschutzbedingungen. Und dann könnte China auch Stimmung schüren gegen die USA. Das könnten Boykott-Aufrufe sein, die dann auch die US-Tourismusindustrie oder sogar den amerikanischen Bildungssektor treffen könnten."
Wieviel Schuld trägt China?
Im Kreuzfeuer des gesamten US-chinesischen Handelskonflikt stehen zunehmend die Europäer. Zum einen schlägt sich die allgegenwärtige Unsicherheit darüber, wie es weiter geht, auf die wirtschaftliche Stimmung. Zum anderen sind europäische Firmen in China betroffen, die dort Waren für den US-Markt herstellen.
Die Wurzeln des Handelskonfliktes liegen in China, räumt Mats Harborn ein, der Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Inhaltlich gibt er damit US-Präsident Donald Trump recht, der die Sonderzölle vor allem mit Chinas unfairen Handelspraktiken begründet:
"Aber obwohl wir die Bedenken der US-Regierung teilen, glauben wir nicht, dass sich die Angelegenheit mit Zöllen lösen lässt."